: Zertifiziert qualmen
Das Räuchern ist eine uralte Methode zur Konservierung von Lebensmitteln. In Nordfrankreich wird Knoblauch auf diese Weise haltbar gemacht. Davon profitieren die regionalen Bauernhöfe und Konsumierende gleichermaßen

Von Volker Engels
Erstes Septemberwochenende in Arleux, Nordfrankreich, Region Hauts-de-France. Die Kleinstadt mit gut 3.000 Einwohnern feiert seit 1962 am ersten Septemberwochenende den Knoblauch. Oder besser: den Star des Wochenendes, den geräucherten Arleux-Knoblauch. Bereits am Freitag sitzen einige Dutzend Einheimische in einem Pavillon neben dem kleinen Rathaus auf Stühlen und bereiten die Knollen für die traditionelle Knoblauchsuppe vor, die am nächsten Tag an die Besucher des Festes verkauft wird.
Regionale Produzenten öffnen Samstag und Sonntag ihre Höfe oder verkaufen die Knoblauchzöpfe an Marktständen. Tausende Gäste schlängeln sich über die Straßen. Für Kinder gibt es kleine Kirmesstände, Frittenbuden mit belgischen Pommes sind gefragt, ebenso Käse oder das Bier regionaler Brauereien. Fast wie Kirmes in der Kleinstadt, wäre da nicht der Geruch nach Geräuchertem, der durch die warme Luft zieht.
Es gibt sehr klare Vorgaben, die festlegen, wie und wo der geräucherte, zertifizierte Arleux-Knoblauch angebaut und verarbeitet werden muss. Das europäische IGP-Siegel garantiert eine geschützte geografische Herkunft sowie die traditionelle Art der Pflanzung, Ernte und Weiterverarbeitung. Davon profitieren lokale Arbeitskräfte sowie Konsumentinnen und Konsumenten. Die Wertschöpfung bleibt in der Region. Nur Knoblauch, der nach den vorgegebenen Regularien produziert und geräuchert wird und zu einer der 61 festgelegten Städte und Gemeinden gehört, darf das Siegel des gelabelten Arleux-Knoblauchs tragen.
Nachdem die frische Ernte einige Tage auf dem Feld in Wind und Sonne getrocknet ist und in Handarbeit zu Zöpfen geflochten wurde, kommt sie – abhängig vom Wetter und den Außentemperaturen – bis zu zehn Tage in die Räucherkammer. „Die schonende Räuchermethode entzieht dem Knoblauch langsam Feuchtigkeit, die äußere Haut und die Häute zwischen den Zehen trocknet, zieht sich dabei zusammen und der Rauch bildet eine Art Schutzschicht“, weiß Ursula Kirchenbüchler. Sie fährt seit dem Jahr 2019 mehrmals im Jahr mit ihrem Transporter in die Region Arleux, um sich für ihren Markt- und Onlinehandel im nordrhein-westfälischen Freudenberg mit zertifiziertem Räucherknoblauch einzudecken
Als Brennstoff dienen unbehandelte Späne aus Eichen- oder Buchenholz, kontinuierlich neu angefacht, damit der Räuchervorgang gleichmäßig läuft. Knoblauch wird in der Region seit mehr als 200 Jahren mit Rauch konserviert. Weil die Region im feuchteren und kühleren Norden Frankreichs liegt, wurde damals noch Torf aus den umliegenden Mooren für das Räuchern der Knollen genutzt.
Bei dem zertifizierten Räucherknoblauch aus Arleux darf zum Beispiel kein künstlicher Rauch oder Farbe eingesetzt werden. Außerdem sind „Mittel verboten, die das Keimen verhindern“. Die Felder müssen zwischenzeitlich brachliegen, damit sich der Boden erholen kann.
Die Räucherei ist gar nicht so einfach und erfordere viel Sachverstand so Kirchenbüchler: „Manche räuchern zu viel oder zu kräftig, andere zu wenig.“ Maximal 42 Grad darf das Thermometer in der Räucherkammer anzeigen, damit der Knoblauch nicht gart. Das sei eine „natürliche Methode ohne Konservierungsstoffe“. Trotzdem hält sich der so konservierte Knoblauch nach der Ernte bei richtiger Lagerung in trockener und luftiger Umgebung zwölf Monate, oft aber auch länger.
Der Räucherknoblauch kommt bei den Festbesuchern offensichtlich gut an. Viele haben sich einen Wintervorrat angelegt, darauf deuten zumindest zahlreiche prall gefüllte Taschen hin. Manche haben sich frisches Brot gekauft, das reichlich Knoblauch enthält. Auf der überfüllten Terrasse der Dorfkneipe gibt ein junger Mann einen kulinarischen Tipp: „Das Knoblauchbrot schmeckt sehr gut mit dem Käse Maroilles, dazu ein Glas Bier aus der Region.“
Gegenüber der Terrasse steht der Verkaufsstand der „Ferme des Blancs Moutons“. Der Bauernhof, der seit Generationen als Familienbetrieb geführt wird, arbeitet nach den Richtlinien des ökologischen Landbaus und ist mit mehreren Bio-Labeln gekennzeichnet. Das Räuchern erfolgt mit Sägemehl aus Buchenholz, das von einem lokalen Schreiner stammt. Der Hof sieht sich als Teil der lokalen Gemeinschaft, vor rund fünf Jahren hat er mit der Produktion von Arleux-Räucherknoblauch begonnen. Er ist der einzige Produzent, der in der geschützten IPG-Region den Arleux-Knoblauch in Bioqualität herstelle. Getreu dem Hofmotto: „Bio und lokal, das ist ideal.“
www.knobiknolle.de/
www.lesblancsmoutons.fr
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