Zeremonie am Holocaust-Gedenktag: „Wir müssen die Erinnerung hochhalten“
Vor 80 Jahren befreite die Rote Armee das größte Vernichtungslager NS-Deutschlands. Kanzler Scholz beklagt zunehmende Geschichtsvergessenheit.
Polens Präsident Andrzej Duda eröffnet das Gedenken mit einem Grußwort, darüber hinaus sind keine politischen Reden geplant. Im Mittelpunkt der Zeremonie sollen die Überlebenden stehen. Bundespräsident Steinmeier will nach einem Rundgang über das einstige Lagergelände ein kurzes Statement vor der Presse geben (gegen 14.00 Uhr).
Bundeskanzler Scholz ruft in einem Interview mit mehreren Zeitungen dazu auf, sich stärker um die Erinnerung der jüngeren Generation an den nationalsozialistischen Völkermord an den Juden zu bemühen. „Es muss uns bedrücken, wie viele junge Menschen in Deutschland kaum noch etwas über den Holocaust wissen“, sagte Scholz. Der Kanzler sieht einen „Auftrag an uns alle, daran etwas zu ändern“.
Scholz nannte es „wichtig, dass wir möglichst vielen jungen Menschen ermöglichen, mit den noch lebenden Zeitzeugen zu sprechen. Und wir müssen die Erinnerung hochhalten, wenn die letzten Zeugen einmal nicht mehr leben.“ Das Interview führten die Neue Berliner Redaktionsgesellschaft, die Stuttgarter Zeitung und die Stuttgarter Nachrichten.
Im Konzentrationslager Auschwitz wurden zwischen 1940 und 1945 rund 1,1 Millionen Menschen ermordet. Das Lager wurde zum Symbol der nationalsozialistischen Judenverfolgung. Am 27. Januar 1945 wurden die letzten Gefangenen, die nicht auf die Todesmärsche getrieben wurden, von der sowjetischen Roten Armee befreit. Der 27. Januar ist seit 2005 internationaler Holocaust-Gedenktag. Insgesamt ermordete Nazi-Deutschland etwa sechs Millionen Juden*Jüdinnen.
Dazu ermordeten die Deutschen weitere Millionen sowjetischer Kriegsgefangener sowie nichtjüdische Zivilist*innen oder ließ sie bewusst zugrunde gehen. Vorangegangen war der Mordpolitik in Osteuropa die sogenannte Aktion T4, bei der Nazi-Deutschland gezielt Menschen mit Behinderung und psychischen Krankheiten ermordete.
Die Verfolgung von Menschen mit Behinderung wird nach Ansicht des Sozialverbandes VdK beim Gedenken noch immer nicht hinreichend berücksichtigt. „Die systematische Ermordung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit Behinderung war eine der dunkelsten Stunden in der Geschichte, geprägt von unermesslicher Behindertenfeindlichkeit“, sagte VdK-Präsidentin Verena Bentele der Düsseldorfer Rheinischen Post (Montag).
Es sei wichtig, die Vielfalt der Opfergruppen des Nationalsozialismus im Gedenken abzubilden. Das verdeutliche die allgemeine Menschenfeindlichkeit des Systems und halte alle wachsam „für neu aufkeimende Menschenfeindlichkeit in der Gesellschaft“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Steuerung der Photovoltaik
Worauf sich Betreiber von Solaranlagen einstellen müssen
Die CDU und die Brandmauer
Der Schlingerkurs des Friedrich Merz
Merz-Pläne zu Abschiebungen
Spiel mit dem Feuer
Männer und Feminismus
Die männliche Identitätskrise
Repressionen in Bayern
Klima-Aktivistin darf nicht Lehrerin werden
SPD zu Merz' Asylvorschlägen
Sie nennen es „Erpressung“