Zentralverband muss löschen: Diskriminierte Dachdecker

Erneut hat in Bremen ein Handwerker erfolgreich gegen die Unterstellung geklagt, freie Dachdecker seien unseriös.

Einen Meister muss ein guter Reetdachdecker nicht haben. Foto: Philipp Schulze (dpa)

BREMEN taz | Erneut hat ein freier Handwerker erfolgreich gegen die Behauptung geklagt, reisende Dachdecker böten allesamt unseriöse Haustürgeschäfte an. Am Donnerstag entschied das Landgericht Bremen, dass der Zentralverband des Deutschen Dachdeckerhandwerks (ZVDH) entsprechende Behauptungen von seiner Homepage entfernen muss.

Auf Unterlassung geklagt hatte der freie Bremer Dachdecker Lutz Newiger, weil der ZVDH in einer von der Verbandshomepage herunterzuladenden „Resolution für die Meisterpflicht“ behauptet, „seriöse Dachdeckerarbeiten können nicht durch umherziehende Gewerbetreibende ausgeführt werden“. Unter der Überschrift „10 Gründe für die Meisterpflicht im Dachdeckerhandwerk“ heißt es dort außerdem, dass die Meisterpflicht Betrügereien verhindere und Schäden durch sogenannte „Dach-Haie“ in die Millionen gingen. Zudem sei die Meisterarbeit ihren Preis wert, weil der Meisterbetrieb für Beratung und Ausführung mit allen Konsequenzen die Gewährleistung übernehme – was fälschlich suggeriert, freie Handwerker täten dies nicht.

Reisende Gewerbetreibende, stellte jetzt das Landgericht klar, würden durch solche Behauptungen als unseriös dargestellt. Die Unterstellungen fielen dabei nicht unter die Meinungsfreiheit, da es sich hier um unwahre Tatsachenbehauptungen ohne jeden Beleg handele. „Es ist gut möglich, die Tätigkeit der Dach-Haie zu beschreiben, ohne andere herabzusetzen“, so der Richter. Das muss der ZVDH nun tun – und Newiger bis zum 25. Februar einen Umformulierungsvorschlag unterbreiten. Sollte der mit dem Vorschlag unzufrieden sein, fällt das Landgericht am 10. März ein Urteil.

Jonas Kuckuk, freier Reetdachdecker und Vorstand des Berufsverbandes unabhängiger Handwerkerinnen und Handwerker, zweifelt freilich daran, dass der ZVDH das tun wird: „Wenn er das wollte, hätte er es kaum nötig, uns pauschal herabzuwürdigen“, sagt er. Er verweist auf die Bremer Dachdecker-Innung: Vor anderthalb Jahren war auch sie wegen ähnlicher Behauptungen von freien Handwerkern verklagt worden. Die Innung wurde verdonnert, entsprechende Passagen auf ihrer Homepage zu ändern: „Auch die Aufforderung an Kunden, Aufträge nur an Innungsbetriebe zu vergeben, wurde verboten,“ so Kuckuk. Die Innung änderte nichts, sondern löschte ihre Behauptungen: „Es ist anzunehmen, dass der ZVDH das ebenfalls tun wird – was aber auch völlig okay wäre“, sagt Kuckuk.

Natürlich, sagt er, gebe es auch schwarze Schafe unter den freien Handwerkern, aber mindestens ebenso viele gebe es unter Angestellten von Handwerksbetrieben: „Unter verurteilten Dach-Haien finden sich auch Meisterbetriebe“, sagt Kuckuk. Die „Fremden“, vor denen Innungen und Verbände so gern warnten, befänden sich ebenfalls überall: „Der Handwerker eines Innungsbetriebs, mit dem Sie telefonieren, ist noch lange nicht derjenige, der dann zu Ihnen nach Hause kommt.“

Kunden müssten immer die Möglichkeit bekommen, Kostenvergleiche aufstellen zu können: „Werden sie überrumpelt, ist das unseriös – aber das gilt sowohl für freie Handwerker als auch für Betriebe“, sagt Kuckuk. Wer mit einer Reisegewerbekarte tätig sei, arbeite aber im Normalfall mit denselben Verbindlichkeiten wie Angebot, Auftragsbestätigung und Rechnung wie die niedergelassenen Kollegen.

Dennoch hält sich das Gerücht über betrügerische freie Handwerker – auch wenn Handwerkskammer und Innung schon seit 2007 gerichtlich verpflichtet wurden, solche Behauptungen zu unterlassen. Selbst die Polizei warnt vor „nicht bestellten Handwerkern.“ Zu denen, sagt Kuckuk, gehöre er aber auch: „Auch wenn unser Thema branchenspezifisch ist: Solche Pauschalierungen sind ein gutes Beispiel dafür, wie in Deutschland mit Minderheiten umgegegangen wird.“

Die Ursache für die Diffamierung der freien Handwerker liegt für ihn im gesellschaftlich verwurzelten „zünftischen Denken“ – und im Obrigkeitsglauben: „Mitte Januar ist in der Süddeutschen Zeitung ein Artikel erschienen mit dem Titel ‚Vorsicht, Dachhaie‘ – dort wurde mit keinem einzigen Wort die Seite der freien Handwerker dargestellt“, empört sich Kuckuk. Die verantwortliche Redakteurin habe ihm auf Nachfrage gesagt: „Die Behauptungen über freie Dachdecker müssen stimmen, denn das sagt ja sogar die Polizei.“ Kuckuk hat jetzt im Namen seines Berufsverbandes Beschwerde beim Presserat gegen den Artikel eingelegt: „Wir fühlen uns massiv diskriminiert“, sagt er.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.