Zentralasien und der Ukrainekrieg: U-Haft und Proteste
In Kirgistan werden Journalisten wegen ihrer Berichterstattung unter Druck gesetzt. In Kasachstan gehen Menschen gegen den Krieg auf die Straße.
Laut Rawschan Jeenbekow, Gründer von NEXT TV und Oppositionspolitiker, den der Sender Freies Europa zitiert, soll dort ein Interviewpartner eine Vereinbarung zwischen Moskau und Bischkek erwähnt haben. Dieser Vereinbarung zufolge würden auch kirgisische Truppen in die Ukraine entsendet.
In der vergangenen Woche war NEXT-Chefredakteur Taalai Duischembiew ebenfalls wegen besagtem Bericht festgenommen worden. Ein Gericht in Bischkek hatte eine zweimonatige Untersuchungshaft gegen ihn angeordnet. In dem Beitrag kommt auch noch ein früherer Chef des kasachischen nationalen Sicherheitsdienstes mit folgendem Statement zu Wort: Kirgistan und Tadschikistan hätten sich damit einverstanden erklärt, zur Unterstützung Russlands Truppen in die Ukraine zu entsenden.
NEXT TV wurde mittlerweile abgeschaltet. Dabei war der inkriminierte Bericht nicht über den Sender gegangen, sondern auf dessen Telegram-Kanal veröffentlicht worden. Bei einer Razzia in den Redaktionsräumen beschlagnahmten Sicherheitskräfte alle Unterlagen und die gesamte technische Ausstattung.
Nur ein Vorwand
Jeenbekow hält besagten Bericht für einen Vorwand, um gegen seinen Sender vorzugehen. „Der GKNB hat mich dazu gezwungen, den Sender für mehrere Monate zu schließen. Endlich haben sie einen Grund dafür gefunden“, schreibt er auf seiner Facebook-Seite, die das Onlineportal eurasianet.net zitiert. „Sie täten besser daran, mich ebenfalls einzusperren.“
Das kirgisische Außenministerium rief unterdessen lokale Medien dazu auf, ihre Berichterstattung über den Krieg in der Ukraine ausschließlich auf offizielle Verlautbarungen der Regierung zu stützen.
Am vergangenen Samstag hatte Kirgistans Außenminister Ruslan Kazakbajew bei einem Treffen mit seinem russischen Amtskollegen Sergei Lawrow in Moskau Russland als strategischen Partner bezeichnet, mit dem Bischkek privilegierte Beziehungen unterhalte. Diese beruhten auf gegenseitigem Vertrauen und Verständnis – bilateral und in internationalen Organisationen.
Damit ist auch das Militärbündnis Organisation des Vertrages über kollektive Sicherheit (OVKS) gemeint, dem neben Russland als Führungsmacht auch Armenien, Belarus, Kirgistan, Tadschikistan und Kasachstan angehören.
Massenproteste niedergeschlagen
Im vergangenen Januar waren OVKS-Truppen Kasachstans Präsident Kassim-Schomart Tokajews Ruf gefolgt und hatten dabei „geholfen“, in dem bevölkerungsreichsten zentralasiatischen Staat Massenproteste gegen die Regierung niederzuschlagen. Zu den schwersten Ausschreitungen war es in der Wirtschaftsmetropole Almaty gekommen. Offiziellen Angaben zufolge waren 225 Menschen getötet und Tausende verletzt worden.
Almaty war am vergangenen Samstag auch Schauplatz von Protesten gegen Moskaus Krieg in der Ukraine. Angaben des kasachischen Dienstes von Radio Freies Europa, Radio Asattyk, zufolge nahmen zwischen 3.000 und 5.000 Menschen an den Demonstrationen teil.
Unter Rufen, wie „Es lebe die Ukraine!“, „Kein Krieg“ und „Putin, Den Haag, Gefängnis!“ schwenkten die Protestierenden ukrainische Flaggen. Auf Plakaten war zu lesen: „Wenn dieser Krieg nicht gestoppt wird, ist Kasachstan als nächstes dran!“ Vereinzelt wurde die Forderung laut, Kasachstan solle die Eurasische Wirtschaftsunion (EAWU) sowie die OVKS verlassen.
Bei der Abstimmung in der UN-Vollversammlung über eine Resolution, die den Krieg Russlands gegen die Ukraine verurteilt, hatte sich Kasachstan in der vergangenen Woche enthalten. „Wir hier sind nicht gegen die Russen oder die Ukrainer“, zitiert Radio Asattyk einen Teilnehmer der Demonstration. „Wir sind gegen Putin und gegen den Krieg.“
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