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Zensus lässt Einwohnerzahlen schrumpfenStudentenstädte fürchten Einbußen

Die Volkszählung wird manche Einwohnerzahl nach unten korrigieren. Studentenstädte wie Tübingen oder Heidelberg verlieren so möglicherweise Geld.

Mittelgroße Studentenstädte wie etwa Tübingen oder Heidelberg könnten besonders von der Bevölkerungswanderung betroffen sein. Bild: dpa

BERLIN taz | Vertreter vieler Städte und Gemeinden fürchten Finanzkürzungen nach der Volkszählung 2011. "Die Sorge in den Gemeinden ist groß", sagt eine Sprecherin des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg. Michael Hohberg vom Städtetag Thüringen ergänzt: "Die Einwohnerzahlen werden nach unten korrigiert." Viele thüringische Städte hätten weniger Einwohner, als in den Meldebüchern verzeichnet seien.

Das würde für sie Einnahmeausfälle bedeuten. Die Bundesländer verteilen über den kommunalen Finanzausgleich Geld an ihre Kommunen, das Verfahren regelt zudem die Mittelverteilung der Kommunen untereinander. Dabei bekommt eine Kommune weniger Geld, wenn sie weniger Einwohner hat.

Seit der letzten Volkszählung vor 24 Jahren hat die Bevölkerungswanderung dazu geführt, dass die Melderegister der Gemeinden nicht mehr den tatsächlichen Stand abbilden. Wenn ein Bürger seine Heimatstadt verlässt, ohne sich abzumelden, bleibt er etwa Einwohner seines einstigen Wohnortes.

Die ostdeutschen Länder zählen zu den potenziellen Verlierern, hier kämpfen seit der Wiedervereinigung viele Städte mit Abwanderung. Auch mittelgroße Studentenstädte wie etwa Tübingen oder Heidelberg könnten besonders betroffen sein. Sabine Schmincke, Sprecherin der Stadt Tübingen, sagt: "Bei uns gibt es die Befürchtung, dass sich aufgrund der hohen Fluktuation überdurchschnittlich viele Menschen nicht abmelden, wenn sie wegziehen."

Wie hoch die Fehlerquoten tatsächlich sind, weiß vor Beginn des Zensus niemand. Das statistische Bundesamt schätzte 2008, in Deutschland könnten 1,3 Millionen Menschen weniger leben, als offiziell angegeben. Die Volkszählung ist dabei nur eine Stichprobe, keine Vollerhebung. Etwa jeder zehnte Haushalt wird interviewt. Ob das reicht, um die Fehler in den Melderegistern auszugleichen, ist fraglich.

Der Rechtswissenschaftler Mario Martini von der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer hat Zweifel: "Die Ergebnisse für Gesamtdeutschland dürften recht genau sein. In kleineren und mittelgroßen Städten mit hohem Studentenanteil kann es dagegen zu erheblichen Ungenauigkeiten kommen." Dass der Bund selbst an der Erhebungsmethode zweifelt, zeigt die im Zensusgesetz vorgesehene Qualitätsprüfung der Daten, die bis zum Jahr 2015 erfolgt sein soll.

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5 Kommentare

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  • FL
    Fritz Lang

    Ist ja schröcklich, da fürchten die Städte, die zuviel bekommen nun, dass die Verteilung in Zukunft gerechter ist.

  • KB
    Klaus Beyer

    @taz

    "Wenn ein Bürger seine Heimatstadt verlässt, ohne sich abzumelden, bleibt er etwa Einwohner seines einstigen Wohnortes."

     

     

    Frage:

    Warum ist das so? Heute wo doch alle Behörden unter einander vernetzt sind ist es doch überhaupt kein Problem den Bürger der sich neu anmeldet über einen Blick auf den PC

    sofort mit einem Klick am alten Wohnort

    abzumelden. Aber halt typisch Deutsch. Demnächst noch ein Abmeldeformular das dann natürlich 20 Teuro kostet.

    Mit diesem dann für 10 Teuro zur neuen Anmeldestelle!

    Dieses Land Land wird von Geistig umnachteten regiert! Hilfe!

  • Q
    Qe (Exilwutbürger)

    Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen:

     

    Finanzausgleich ist ein schwaches Argument, um unter Strafandrohung private Fragen zu stellen.

     

    Im menschlichen Bereich muss man mit den Daten auskommen, die man bekommt oder unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit erheben kann.

     

    die "Qualitätsprüfung" (i.e. bohrendes Nachhaken, weiter unter Ausnutzung des Machtgefälles) ist nur möglich, indem die Anonymisierung absichtlich soweit nach hinten verschoben wird, daß sie de facto eine Verarsche erster Güte ist.

     

    Letztendlich landet alles bei irgendeinem geistig verkalkten Innenminister und wird ohne Sinn und Verstand für Pauschalverurteilungen mißbraucht, darauf kann man sich getrost verlassen. Praktisch, daß dann gleich in der Datei die geprüfte Anschrift steht.

     

    Ein gangbarer Weg wäre vielleicht eine ehrliche Befragung, bei der ich selbst entscheiden kann, welche Aspekte ich als Bürger für wichtig erachte. Bürgerbeteiligung ist eben nur als Schlagwort "in", entschieden wird noch immer über uns, nicht mit uns, im Hau-Ruck-Überrumpelungsverfahren falls nötig.

     

    Informiert Euch und Andere (bis zum 09. Mai, dann wird es noch der Letzte merken)!!!

  • C
    Christian

    Zitat: "Die Volkszählung ist dabei nur eine Stichprobe, keine Vollerhebung."

     

    Falsch! Betroffen sind alle in Deutschland lebenden Menschen. Sie haben offenbar vergessen, dass von allen Menschen die Datensätze der Behörden in der neuen Superdatenbank aka Zentralstelle zusammengeführt werden.

     

    Zitat: "Etwa jeder zehnte Haushalt wird interviewt."

     

    Auch falsch! Das ist die Propaganda des Bundesamtes für Statistik. Dabei bekommen ca 30. der Menschen einen Fragebogen. 10% ist nur die sog. Haushaltsstichprobe. Dazu kommen noch 10% für die Wohnungsraum- und Gebäudezählung (100% der Wohnungs- und Gebäudebesitzer werden befragt) und weitere 10% für die Erfassung der Sonderbereiche (Gefängnisse, Klöster, psychiatrische Einrichtungen etc.)

     

    Bitte die Volkszählung nicht so verharmlosen! Und bitte die Zahlen korrigieren!

     

    Richtige Infos findet man übrigens auf www.zensus11.de

  • F
    Frank

    Na dann wird es aber höchste Zeit für die Volkszählung! Und iIch hoffe das die betroffenen Städte das zu viel bekommende Geld zurückzahlen müssen.