Zensur von Rapmusikern in Russland: Putins Punchline
In Russland sind Rapper_innen wie Husky und IC3PEAK von einer Repressionswelle betroffen. Der Präsident kündigt an, den Rap zu lenken.
Dmitri Kiseljow, moderierender Mega-Star des russischen Staatsfernsehens, arbeitet sich gemeinhin am feindlich gesinnten Nachbarn Ukraine und dem verwesenden Westen ab. Unlängst erfreute er sein Publikum mit einer ungewöhnlichen Darbietung: Er rappte zur Lyrik des sowjetischen Dichters Wladimir Majakowski (1893–1930), den er als eigentlichen Wegbereiter der russischen Rap-Tradition bezeichnete. Nebenbei ließ er wissen, dass er im Sommer kommenden Jahres an einem Nacktbadestrand der (2014 von Russland völkerrechtswidrig annektierten ukrainischen) Halbinsel Krim ein Rap-Festival veranstalten wolle.
Hintergrund von Kiseljows fachfremdem Körpereinsatz ist eine Repressionswelle der Behörden gegen russische Rapper, die vor einigen Wochen begann. Im November traf es den sibirischen Musiker Husky alias Dmitri Kuznetsow. Der 25-Jährige macht in seinen Songs Armut, Korruption und Polizeigewalt zum Thema. Seine Videos auf YouTube verzeichnen sechs Millionen Zugriffe. Nach einem behördlichen Verbot seines Konzerts in Krasnodar verlegte er seinen Auftritt kurzerhand auf ein Autodach, was ihm eine Festnahme und eine Verurteilung zu 12 Tagen Haft einbrachte. Nach vier Tagen und einem innerhalb weniger Stunden ausverkauften Solidaritätskonzert kam er wieder auf freien Fuß.
Zuvor war bereits das Goth-Rap-Duo IC3PEAK Opfer von Repressionen geworden. Sechs von elf Konzerten der russlandweiten Tournee von IC3PEAK wurden abgesagt, Klubbesitzer waren mit Geldstrafen und Schließung bedroht worden. Am 1. Dezember wurden Nastja Kreslina und Nikolai Kosylew – so die Namen der Rapper_innen von IC3PEAK – unter dem Verdacht des Besitzes von Drogen festgenommen und stundenlang verhört. Zu diesem Zeitpunkt war das Duo bereits mehrere Wochen von Polizisten und Vertretern des Inlandsgeheimdienstes FSB verfolgt worden.
2016 veröffentlichte IC3PEAK mit „Go with the Flow“ ein klares Statement gegen Homophobie – für viele eine Provokation in Russland, wo Angehörige der LGBT-Community als abartig bezeichnet und regelrecht gejagt werden. In ihrem Video „Death No More“ sitzen Kreslina und Kosylew auf dem Roten Platz in Moskau und verzehren rohes Fleisch. Der begleitende Gesangstext lautet: „Ich fülle meine Augen mit Kerosin. Ganz Russland guckt zu. Lass alles brennen. Lass alles brennen.“
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Dass die Behörden den Brand löschen wollen, wundert Kreslina nicht. Sie wendeten alte und erprobte sowjetische Methoden an, um Musiker kaltzustellen, die eine rote Linie überschritten hätten. „Wir werden unsere Auftritte fortsetzen, glauben aber, dass es noch schlimmer werden wird“, zitiert die Nachrichtenagentur AP die Musikerin.
Beobachter bezweifeln, dass das rigide Vorgehen gegen die Rapper den gewünschten Effekt hat. Eher könnte das Gegenteil der Fall sein. Es werde härtere und bissigere Songs geben und der Einfallsreichtum der Musiker, Restriktionen zu umgehen, werde befördert, glaubt Boris Barabanow, Musikkritiker des Wirtschaftsblattes Kommersant.
Diese Erkenntnis scheint auch im Kreml angekommen zu sein. So kündigte die Ombudsfrau für Menschenrechte, Tatjana Moskalkowa, an, den Konzertverboten nachgehen zu wollen. Auch Präsident Wladimir Putin, der im Rap eine Werbung für Drogen sieht, meldete sich zu Wort. Wenn es unmöglich sein sollte, den Rap zu stoppen, müsse man ihn lenken, sagte er kürzlich bei einem Treffen mit Kulturschaffenden. Damit hat der Gebieter über eine gelenkte Demokratie ja so einige Erfahrung.
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