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Zement-Konzern und TerrorfinanzierungExemplarischer Prozess

Der französische Zement-Multi Lafarge soll in Syrien Terrorgruppen finanziert haben. Bei der Klage gegen ihn geht es auch um Konzernverantwortung.

Muss sich vor Gericht verantworten: Der ehemalige Generaldirektor von Lafarge, Bruno Lafont, in Paris am 4. 11. 2025 Foto: Lafargue Raphael/ABACA/picture alliance
Rudolf Balmer

Aus Paris

Rudolf Balmer

Die französische Justiz unternimmt einen zweiten Anlauf, um das weltweit in der Zementherstellung tätige Unternehmen Lafarge wegen der Finanzierung terroristischer Gruppen in Syrien in den Jahren 2012 bis 2014 zur Verantwortung zu ziehen. Das multinationale Unternehmen wird beschuldigt, zur Aufrechterhaltung der Produktion in Dschalabiya insgesamt rund 5 Millionen Euro an mehrere terroristische Organisationen, darunter IS, gezahlt zu haben. Damit habe Lafarge nicht nur wissentlich diese dschihadistischen Milizen und ihren Krieg finanziert, sondern auch gegen die internationalen Sanktionen verstoßen.

Das französische Unternehmen Lafarge, das 2015 vom schweizerischen Konkurrenten Holcim übernommen wurde, steht gemeinsam mit seiner Filiale in Syrien, LCS, als juristische Person vor Gericht. Angeklagt sind zudem der damalige Lafarge-Vorsitzende Bruno Lafont, sein für Syrien zuständiger Vizedirektor Christian Herrault, die beiden Leiter der Filiale in Syrien und die dortigen Sicherheitsverantwortlichen.

Dass ein Gerichtsverfahren gegen ein multinationales Unternehmen keine einfache Sache für ein Strafgericht ist, haben die Anwälte der Verteidigung mit ihren zahlreichen Einwänden, Anträgen und Beschwerden bewiesen. Wegen eines Formfehlers in der Anklageschrift musste kurz nach der Eröffnung der Verhandlung am 4. November der eigentliche Prozessbeginn auf den 18. November verschoben werden.

Im Zentrum der Anschuldigungen der Staatsanwaltschaft stehen die Jahre des syrischen Bürgerkriegs. Das repressive Regime von Baschar Al-Assad sah sich 2011 mit Demonstrationen und einem wachsenden Widerstand konfrontiert und geriet ins Wanken. Anders als andere französische Industrieunternehmen wie Total und Air Liquide oder der Käseproduzent Bel, die Syrien wegen der militärischen Eskalation der Krise umgehend verließen, blieb das Werk von Lafarge. Das Werk in Dschalabiya, 87 Kilometer von der Stadt Rakka, hatte der französische Konzern 2008 der ägyptischen Gesellschaft Orascom abgekauft und mit Investitionen im Wert von 680 Mio. Dollar ausgebaut. Es versprach für Lafarge eine Expansion der Aktivitäten in der ganzen Region des Mittleren Ostens.

Produktion aufrechterhalten

Da Rakka und die umliegende Region wechselnd unter die Kontrolle verschiedener kurdischer militärischen Rebellen und danach dschihadistischer Terroristen wie Dschabat A-Nosra, Al-Qaida und schließlich IS gerieten, verhandelte laut Anklage die Direktion mit Zustimmung der Konzernführung, um die Produktion aufrechterhalten und die Zufahrten zum Werk offen halten zu können. Dies gegen Bezahlung und mit der Zusicherung (ohne Garantie), dass die Beschäftigten der Zementfabrik so in Sicherheit blieben. Vor dem Richter erklären die Direktoren, es sei ihnen nichts anderes übrig geblieben, als gezwungenermaßen der Erpressung nachzugeben. Aus Sicht der Anklage trifft dies nicht zu, weil Lafarge jederzeit die Aktivitäten in Syrien beenden und das Werk hätte schließen können.

Unklar ist, wie viel die französische Staatsführung von dieser Finanzierung der Terroristen wusste, etwa über den damaligen Botschafter und ihren Geheimdienst DGSE. Der damals für die Sicherheit zuständige Lafarge-Direktor Jean-Claude Veillard hat in der Voruntersuchung angegeben, er habe regelmäßig Berichte über die Situation in der Region und sogar Fotos von Dschihadisten aus Frankreich übermittelt.

Klage gegen Lafarge

Gegen Veillard hatten die Untersuchungsrichter im Strafverfahren ebenfalls ermittelt, er zählt nun aber nicht zu den Angeklagten in diesem Prozess. Bei einem Schuldspruch muss die Firma Lafarge mit einer Geldbuße von mehr als einer Million Euro rechnen, den individuell angeklagten Personen droht eine Höchststrafe von bis zu zehn Jahren Haft.

Antikorruptionsorganisationen wie Sherpa haben zusammen mit elf ehemaligen Beschäftigten des Zement-Multis in Syrien Klage gegen Lafarge eingereicht, dies auch, weil Lafarge das Leben und die Sicherheit seiner Beschäftigten aufs Spiel gesetzt und nichts zu ihrer Evakuierung unternommen habe. Die NGOs betrachten den Prozess als exemplarisch, um multinationale Unternehmen im Kampf gegen den Terrorismus zur Verantwortung zu ziehen. Sie hofft darum auf ein wegweisendes Urteil. Eine gerichtliche Untersuchung wegen mutmaßlicher Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist von der französischen Justiz ausgegliedert worden, könnte aber später zu einem weiteren Prozess gegen Lafarge führen.

In den USA war es Lafarge gelungen, gegen die Zahlung von 778 Millionen Dollar einen Prozess zu vermeiden. Dabei hatte Lafarge indes auch explizit die Verantwortung für die „Finanzierung von Al-Nosra und IS“ eingeräumt und eine „Verschwörung“ zur „materiellen Unterstützung einer terroristischen Organisation im Umfang von 6 Millionen Dollar“ gestanden. Wie kann Lafarge das nun vor dem Gericht in Paris in Abrede stellen?

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