Zeitschrift zu Homophobie in Osteuropa: Orthodoxie und Toleranz
Die Zeitschrift „Osteuropa“ widmet sich queeren Themen in Russland, Polen und Tschechien. Auch osteuropäische Stimmen kommen zur Geltung.
Publikationen zu Queerem gibt es nicht wenige, aber meist entstammen sie der Selbstperspektive, dem Lifestylesektor oder dem Bekehrungsfeld. Wissenschaftliche Veröffentlichungen zu Homophobie gibt es durch Journale, die im akademischen Bereich angesiedelt sind, so gut wie keine.
Osteuropa, herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde, angesiedelt in Berlin, erweist sich zu den Olympischen Winterspielen tagesaktuell als jedem schnellen Medium ebenbürtig – im Gegensatz zu diesen aber auch vertiefend und erhellend.
„Spektralanalyse – Homosexualität und ihre Feinde“ heißt der Band, den ausgewiesene Experten wie Dan Healey („Zur Geschichte der Homosexualität in Russland“) und Ulrich Schmid über „Masken des Begehrens“ am Beispiel russischer Literatur bereichern.
Obendrein, und das ist der Clou dieses Buches, kommen osteuropäische Stimmen zur Geltung. Etwa Nikolai Mitrochin („Gottes Wort und Priesters Tat“) über die orthodoxe Kirche und die Homosexualität und Tomasz Kitlinski und Pawel Leczkowski (Titel: „Bipolar“) zur Homophobie und zur Toleranz in Polen: Es sind vorzügliche Aufsätze, wobei Mitrochins These als umstritten gelten kann.
Osteuropa: Spektralanalyse – Homophobie und ihre Feinde. Hrsg. Manfred Sapper und Volker Weichsel, Berlin 2013, 242 S., 20 Euro.
Sind es die orthodoxen Kader, die das Putin-Regime im Hinblick auf die drakonische Durchsetzung ausschließlich heterosexuell-positiver Bilder vor sich hertreiben – oder nutzen das oligarchische Russland und der Kreml die Religion zur Begründung der antihomosexuellen Gesetze?
Kitlinski und Leczkowski berichten hingegen Tröstliches: wie ein antilibertäres Regime durch die EU-Rechtlichkeit eingehegt wurde – und im polnischen Mainstream eine gewisse Gütlichkeit in Sachen Homos gilt. Lesenswert!
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