Zehntausende protestieren in Paris: Scharfe Kritik an Macron
Zehntausende sind in Paris gegen den Reformkurs der Regierung auf die Straße gegangen. Macron sei ein „Präsident der Reichen“. Weitere Proteste sind geplant.
PARIS afp | Zehntausende Franzosen haben in Paris gegen die Reformpolitik von Präsident Emmanuel Macron protestiert. Nach Angaben von Medien und der Polizei nahmen am Samstag rund 40.000 Menschen an der Kundgebung teil, die Organisatoren sprachen von 160.000 Teilnehmern. 2.000 Polizisten waren im Einsatz und begleiteten die Demonstration am Nachmittag zum Bastille-Platz. Am Rande der Kundgebung wurde das Fahrzeug eines Radiosenders demoliert, zudem wurde ein Polizist leicht verletzt.
Die Teilnehmer versammelten sich am Mittag vor der historischen Oper in der französischen Hauptstadt. Sie äußerten auf Plakaten scharfe Kritik an Macron, den sie als „Präsident der Reichen“ bezeichneten. Sie warfen Macron einen „sozialen Putsch“ vor und forderten eine Verfassungsreform.
Unter den Teilnehmern befanden sich unter anderem Gewerkschafter, Studenten und Angestellte der französischen Bahn, die sich derzeit im Streik befinden. Vor der Oper trat ein Orchester auf, Familien veranstalteten Picknicks. Gegen 14 Uhr machten sich die Demonstranten auf den Weg zum Bastille-Platz, wo gegen 20 Uhr ein Abschlusskonzert geplant war.
Jean-Luc Mélenchon, Chef der französische Linkspartei La France Insoumise (Das unbeugsame Frankreich), sagte, die Demonstration solle die derzeit streikenden Arbeiter unterstützen. Er rief für den 26. Mai zu weiteren Protesten auf.
Angriff auf Regiewagen
Die Demonstration verlief zunächst weitgehend friedlich. Am Nachmittag wurde auf dem Bastille-Platz ein Regiewagen des Radiosenders France Info angegriffen. Journalisten wurden dabei nach Angaben des Senders aber nicht verletzt. Laut Frankreichs Innenminister Gérard Collomb wurde die „Attacke“ mit einer Rauchfackel verübt. Zur Tatzeit habe sich niemand in dem Fahrzeug befunden. Als Sicherheitskräfte das Fahrzeug entfernten, wurde ein Polizist von einem Gegenstand getroffen und leicht verletzt.
In Toulouse kamen am Vormittag nach Angaben der Veranstalter rund 3.000 Menschen zum „Fest für Macron“ zusammen. Die Polizei ging von halb so vielen Teilnehmern aus. In Bordeaux beteiligten sich nach Medienangaben mehr als 500 Demonstranten. Versammlungen mit jeweils mehreren hundert Teilnehmern gab es auch in Lyon, Straßburg und Rennes.
Zu der sogenannten „fête à Macron“ (Fest für Macron) hatten La France Insoumise und befreundete Gruppen aufgerufen. Die französische Bezeichnung der Kundgebung ist doppeldeutig: Sie bringt einerseits den von den Veranstaltern gewünschten friedlichen Charakter zum Ausdruck. Andererseits könnte sie als Drohung gegen den Präsidenten verstanden werden. Die Initiatoren werfen Macron vor, mit seiner Reformpolitik Wohlhabende zu begünstigen.
Die Regierung hatte im Vorfeld der Proteste am Samstag Ausschreitungen wie am 1. Mai befürchtet, als mehr als tausend vermummte Randalierer in Paris eine Reihe von Geschäften und Autos beschädigten. Die Polizei setzte Wasserwerfer und Tränengas ein. Mehr als hundert Menschen wurden festgenommen.
Leser*innenkommentare
Thomas Schöffel
Irgenwie sind die Franzosen genauso blöd wie wir. Ist es in Frankreich denn nicht immer so, daß die Präsidenten aus den üblichen Elite-Einrichtungen kommen und dann quasi mit königlicher Attitude und Grandezza rumregieren und einen auf "Grande Nation" machen ? Und bei uns: Die Leute sind nie zufrieden , wählen aber prinzipiell immer dasselbe. Landestypische Idiotien eben.
Grmpf
Macrias angeschlagen?
64662 (Profil gelöscht)
Gast
Verflixt. Kann man den Gegnern des neoliberalen Sonnenkönigs nicht irgendwas anhängen? Antisemitismus zum Beispiel? Von denen hat doch bestimmt schon mal jemand etwas gegen Herrn Lieberman gesagt?
82236 (Profil gelöscht)
Gast
Schon geschehen.
Der Crif(Le Conseil représentatif des institutions juives de France) hatte sich gegen eine Teilnahme von Mélenchon am Tauermarsch der ermordeten Jüdin Mireille Knoll ausgesprochen. Dessen Präsident Francis Kalifat wirft der France Insoumise Antisemitismus vor, weil diese Israels Politik kritisiert. Und er hat auch den Front National und die France Isoumise in einen Topf geworfen.Mélenchon und andere Vertreter der France Insoumise wurden, als sie trotzdem an diesem Trauermarsch teilnehmen wollten von Vertretern der LDJ( ligue de défense juive) gewaltsam aus der Menge gezerrt. Die LDJ ist eine rechtsextreme anitaribische Organisation. Sie hat sich u.a. dafür eingesetzt, dass Marine Le Pen bei dem Trauermarsch dabei sein konnte.
Francis Kalifat will Mélenchon verklagen, weil der gesagt hat, dass Organistionen wie der DLJ und Kalifat mehr für den Antisemitismus tun, als alle diejenigen, die aus niederen Beweggründen gegen Juden handeln.
Sven Günther
@64662 (Profil gelöscht) Teile von Corbyn seiner Leute sind eben genau das.
64662 (Profil gelöscht)
Gast
@Sven Günther Und diese schlimmen französischen Neoliberalismusverweigerer nennen ihren wunderbaren sozialliberalen Staatschef doch tatsächlich den "Präsidenten der Reichen"! "Der Reichen"! Das ist doch ein Code! So wie "die Ostküste"! Ich finde, dazu sollten jede Woche so zwei bis drei Artikel erscheinen. Pro Zeitung.
El-ahrairah
@64662 (Profil gelöscht) "Querfront"!
danny schneider
Tja wenn die Franzosen mal 10 Jahre Agenda2010 2.0 hinter sich haben werden sie sich wünschen bei diesen Protesten dabei gewesen zu sein...