Zaun um den Görlitzer Park in Berlin: Gegen Wegners Shitshow
Über 1.000 Menschen haben am Montagabend gegen den Zaunbau um den Görlitzer Park in Berlin-Kreuzberg demonstriert. Auch am Dienstag gibt es Protestaktionen.
Sie quatschen entspannt, rauchen, trinken Kaffee. Es gibt Fladenbrot, Karotten mit Hummus und selbstgebackenen Kuchen. Umzingelt werden die Frühstückenden von rund 60 Polizist*innen, 10 Einsatzfahrzeuge warten in Sichtweite. Die Aktivist*innen zeigen sich unbeirrt: „Wir bleiben, solange das Wetter schön bleibt“, sagt einer der taz.
Gegen halb acht greift die Polizei jedoch ein: Sie erteilt Platzverweise und nimmt Personalien auf. Grund sei, dass die Versammlung nicht angemeldet wurde. Wenig später holen das Linke-Mitglieder nach; neue Frühstücker*innen dürfen wieder dazustoßen.
Sie demonstrieren gegen die Pläne des schwarz-roten Senats, den Park einzuzäunen und nachts zu schließen. Der Baustart war nach langen Verzögerungen für diesen Dienstag angekündigt worden. Los ging es bereits am Montag mit der Einrichtung von Halteverbotszonen, die bis Ende Dezember gelten.
Demonstration am Montagabend
Am Montagabend hatte es auch schon den ersten größeren Protest gegen den Baustart gegeben: 1.000 Menschen versammelten sich im Laufe des Abends am Spreewaldplatz: Kreuzberger Urgesteine, Anwohner*innen, Familien mit Kindern.
Linke-Mitglieder verteilten an einem Stand Bratwürste, Kartoffelsalat und Kuchen, auch die Grünen waren da. Bei einem „Kiezkonzert“ performten Berliner Rapper und kritisierten den geplanten Zaunbau. Eine Rednerin vom Bündnis Görli Zaunfrei, das zur Demo aufgerufen hatte, rief: „Wir wehren uns gegen die Übergriffe von Kai Wegner und seinem korrupten CDU-Clan. Lasst uns Wegner und Co den Stinkefinger zeigen!“
Zaungegner sprechen von Symbolpolitik
Der Plan, einen Zaun zu errichten und den Görli nachts abzuschließen, geht zurück auf einen sogenannten Sicherheitsgipfel im September 2023. Die Einhegung wurde als Maßnahme gegen Kriminalität und Drogenhandel im Park präsentiert.
Der Görli hat mit einer offenen Drogenszene zu kämpfen, die umliegenden Kieze sind von Verelendungstendenzen und einer Ausbreitung des Crack-Konsums betroffen. Aus Sicht des Senats muss gehandelt werden.
Zaungegner werfen dem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) hingegen Symbolpolitik vor sowie dass vor allem die CDU dem linken Friedrichshain-Kreuzberg ihre „Law-and-Order“-Politik aufzwingen will. Außerdem kritisieren sie den Ansatz, Probleme einfach wegzuschließen, anstatt ihre Ursachen zu bekämpfen. „Der Zaun ist nichts als eine populistische pseudo-demokratische Shitshow!“, sagte am Montag eine Rednerin. In dieses Bild fügt sich das am Wochenende diskutierte Vorhaben von CDU und SPD, den Görli als „kriminalitätsbelasteten Ort“ dauerhaft per Video zu überwachen.
Zudem beklagt sich das Bündnis über einen Alleingang des Senats: „Wir sind wütend, dass wir als Anwohner*innen nicht in den Prozess miteinbezogen wurden“, bemängelt eine Rednerin. „Der Senat hat keinerlei Gesprächsbereitschaft gezeigt, übergeht den Bezirk und führt sich auf wie der König von Berlin.“
Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hatte sich gegen den Zaun ausgesprochen, was zu gerichtlichen Auseinandersetzungen mit dem Senat führte. Der Baustart verzögerte sich deshalb mehrfach. Ursprünglich wollte Wegner die Zaunarbeiten bereits vor über einem Jahr beginnen lassen.
Veranschlagte Kosten sind gestiegen
Auch die Kosten wurden mehrfach nach oben korrigiert. Nachdem zunächst 1,2 Millionen Euro veranschlagt wurden, liegen die geschätzten Kosten für den Zaun und Beleuchtung inzwischen bei über 2 Millionen Euro. Für den Wachschutz kommen jährliche Kosten von rund 800.000 Euro dazu.
Das Bündnis macht klar: Statt Millionen für Zäune zu verschwenden, brauche es „soziale Antworten auf soziale Probleme“: mehr Geld für Sozialarbeit, ganzjährige Notunterkünfte und Gesundheitsversorgung für Obdachlose. Zudem fordern sie mehr Drogenkonsum- und Aufenthaltsräume und Suchthilfeprogramme für Konsument*innen sowie Ausstiegsprogramme für Dealer*innen.
Gegen halb 7 setzte sich am Montagabend der Demozug vom Spreewaldplatz aus in Bewegung. Angeführt von einem Gartenzwerg aus Pappmaché zogen die Demonstrant*innen schnellen Schrittes mit Kochtöpfen, Thermosflaschen, Trommeln und Pfeifen über die Skalitzer Straße durch den Wrangelkiez. Sie riefen: „Der Görli bleibt auf!“, und „Ganz Berlin hasst die CDU!“
Nach weniger als einer Stunde erreichte die Demo bereits ihren Endpunkt an der Wiener Straße. In zwei Bars in der Nähe fanden noch Afterpartys statt.
Die massive Polizeipräsenz beim Protestfrühstück am Dienstagmorgen wertet das Bündnis als eine Provokation: „Das ist eine reine Machtdemonstration“, sagt ein Aktivist. „Wir müssen uns darauf einstellen, dass das Konzept für das nächste halbe Jahr ist, mit unverhältnismäßigem Aufwand zu versuchen, jeden Protest zu verhindern.“
Er zeigt sich dennoch zuversichtlich: Die Anwohner*innen würden standhaft bleiben und es werde im nächsten halben Jahr zahlreiche solcher Aktionen geben. Im Hintergrund rufen sie: „Den Zaun sabotieren, Wegner wird verlieren!“
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