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Zaun um den Görlitzer ParkZaun zu, Augen zu

Am Wochenende protestierten Hunderte gegen die geplante Umzäunung des Görlitzer Parks. Sie werfen dem schwarz-roten Senat Populismus vor.

Einen offenen Park für alle: Mit dieser Forderung zogen De­mons­tran­t*in­nen bei der Görli-Parade durch den Park Foto: Florian Boillot

Berlin taz | „Kai Wegner lügt dich an!“ steht auf einem Transparent. Damit ist der Ton gesetzt auf der Demo letzten Samstag gegen die Pläne des Berliner Senats, den Görlitzer Park in Kreuzberg vollständig zu umzäunen und nachts abzuschließen. Um die 400 Personen sind dem Aufruf zur Demo des Kiezbündnisses Görli zaunfrei gefolgt.

Bereits in der Einladung zur Veranstaltung werden die Pläne des schwarz-roten Senats als „populistischer Quatsch“ bezeichnet. Der Senat hatte sich letzten September vor dem Oberverwaltungsgericht gegen den Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg durchgesetzt, der die Zaunidee ablehnt. Auch auf der Demo lautet der Tenor: Zäune lösen keine Probleme. „Ganz Kreuzberg einzäunen!“ steht auf einem anderen Schild, das ein Demonstrant hochhält – sarkastisch gemeint. Was für den Satz darunter wohl nicht gilt: „Keine Aufenthaltsgenehmigung für die CDU!“

Riesig ist die Demo nicht. Was auch daran liegen könnte, dass der Zaunbau zwar beschlossene Sache ist, der Baubeginn sich aber verschoben hat. Auch wegen der gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen Bezirk und Senat. Der Baubeginn, der für das Frühjahr 2025 angesetzt war, soll nun erst im Juni beginnen. Ende des Jahres sollen die Bauarbeiten abgeschlossen sein.

Immer teurer wird das Projekt auch. Vor ein paar Monaten war noch von Kosten in Höhe von 1,5 Millionen Euro die Rede. Nun liegen die geschätzten Kosten bei über zwei Millionen Euro für den Zaun inklusive neuer Beleuchtungen. Für den Wachschutz kommen jährliche Kosten von rund 800.000 Euro dazu. Ganz schön teuer alles also, und das in Zeiten klammer Kassen.

Es geht um mehr als nur einen Park

Auch wenn die Demo überschaubar ist, wird dennoch deutlich, dass es bei der Zaunfrage längst um mehr geht als bloß um eine Kiezposse. Die ganze Stadt beschäftigt sich mit dem Park, spätestens seit der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) diesen zur Chefsache erklärt hat. Der Berliner Sänger Peter Fox, einer der größten Popstars Deutschlands, hat letzten Herbst hier ein Free-Konzert gegeben, das Wegner sicherlich nicht als Werbeveranstaltung für seine Pläne deuten konnte. Und die beliebte Berliner HipHop-Band „K.I.Z.“ hat ihr aktuelles Album nach dem Kreuzberger Park benannt und befindet sich gerade auf großer „Görlitzer Park“-Deutschlandtour.

Es ist auch kein Wunder, dass der Park und der Umgang mit ihm weit jenseits des Wrangelkiezes so emotionalisiert. In welcher Stadt, in welchem Land, in welcher Gesellschaft wollen wir leben? Große Fragen, wie diese, werden auf einem Flecken Grün mitten in Kreuzberg verhandelt.

Aus Sicht ihrer Gegner will vor allem die CDU dem linken Friedrichshain-Kreuzberg ihre „Law-and-Order“-Politik aufzwingen. Außerdem kritisieren sie den Ansatz, Probleme einfach wegzuschließen, anstatt ihre Ursachen zu bekämpfen. Dem gegenüber steht die Position des Berliner Senats, dass nun lange genug über Probleme geredet worden ist und jetzt gehandelt werden muss. In diesem Spannungsfeld wird der Zaun um den Görli diskutiert, der damit zu einem Symbol wird für die ganze Republik.

Dass der Görli längst mehr ist als bloß ein Park scheint selbst die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) erkannt zu haben, die auf der Demo ein Flugblatt verteilt, das das Stück Kreuzberger Grün sogar für die Systemfrage hernimmt. Im Kapitalismus werde es immer Problemorte wie den Görli geben, steht darin. Deswegen müsse eine „sozialistische Alternative“ her, so die DKP.

Anwohner sind gespalten

Einen Tag nach der Demo in der Falckensteinstraße im Gespräch mit Anwohnern und Anwohnerinnen – denjenigen, die direkt von Kriminalität und den Folgen von Drogenkonsum betroffen sind: Ein junger Mann, der sich als Clemens vorstellt und gerade eine Haustür in unmittelbarer Nähe zum Görli aufschließt, sagt, er halte den Zaun für „keine gute Sache“. Die Dealer, die er von hier aus sehen kann, seien normalerweise friedlich. Sie nachts aus dem Park zu sperren, werde Probleme nicht lösen und nur woanders hin verschieben, meint er. Der Zaun sei demnach „der größte Quatsch“. Fast gegenüber von ihm verlässt gerade eine Frau ihr Haus, sie hat es eilig und nur Zeit für ein paar Worte: „Ich will mal ganz geradeaus sein. Ich sage Ja zum Zaun. Erst vor drei Wochen habe ich fast eine Bierflasche auf den Kopf bekommen“, sagt sie.

Am Eingang zu einem kleinen Fußballplatz in der Falckensteinstraße steht in großen Lettern „Der Görli bleibt auf“. Derartige Spuren des Ringens um den Görli finden sich überall im Kiez. Der Park beschäftigt seine Anwohner und Anwohnerinnen. Das lässt sich besonders gut aus den Aussagen eines Pärchens heraushören. Er kommt aus Irland, sie aus Schweden, beide leben bereits sechs, beziehungsweise sieben Jahre im Wrangelkiez. Sie hätten bereits oft über den geplanten Zaun diskutiert, erzählen sie. Er legt los, berichtet von Schießereien, Schlägereien und Vergewaltigungen im Park. Es sei grotesk, dass es so etwas mitten in der Stadt gebe. Ein Zaun könnte vielleicht etwas an den Zuständen ändern, hofft er.

Sie hält dagegen: „Ich stimme all dem nicht zu.“ Man müsste vielmehr Geld für den Kiez in die Hand nehmen, findet sie, und zwar nicht für die Umzäunung des Parks. Nachts sei es in der Falckensteinstraße zu dunkel, es seien kaum noch Kneipen offen und auf der Straße seien nur noch Dealer unterwegs. Ein belebterer Kiez in der Nacht würde Probleme lösen, glaubt sie. Auch deswegen sei sie am Tag davor bei der Demo von Görli zaunfrei gewesen. Und ihr Partner, der den Zaun haben möchte, der hat mitkommen müssen.

Es wird nicht das letzte Mal gewesen sein, dass sich Anwohner gegen den Zaun wehren. Das Bündnis hat bereits weitere Demos angekündigt.

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