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Zarte Vorboten der Besserung

Nach der verkorksten Vorsaison entdeckt RB Leipzig beim 1:0 gegen Mainz neue Geschlossenheit. Coach Ole Werner bringt Ruhe in den Brauseklub. Derweil sind von Ralf Rangnicks Spielideen nur noch Spurenelemente vorhanden

Der freie Raum: Der Mainzer Andreas Hanche-Olsen (re.) verliert ein Laufduell gegen Leipzigs David Raum Foto: HJS/imago

Aus Mainz Frank Hellmann

Unweit der Eckfahne ballte Kapitän David Raum die Fäuste, während Abwehrchef Willi Orbán noch am Mittelkreis stand, um den Bizeps zu spannen und sich auf die breite Brust zu schlagen. Zwei Führungsspieler von RB Leipzig bemühten mit Schlusspfiff des Bundesliga­spiels beim FSV Mainz 05 (1:0) ähnliche Jubelgesten.

Es war schließlich ein hartes Stück Arbeit, den zweiten Dreier der Saison unter Dach und Fach zu bringen. Dass sich zwei kernige Verteidiger am meisten freuten, ehe im großen Kreis die Wasserflaschen spritzten, hatte seinen guten Grund: Wertvoller als die feine Einzelleistung von Neuzugang ­Johan Bakayoko zum Tor des Tages (40.) wirkte die kollektive Kraftanstrengung, den Vorsprung ins Ziel zu ­retten.

Der Brauseklub erspäht nach der verkorksten Vorsaison nämlich im Miteinander zarte Vorboten der Besserung. „Wir haben im Sommer unglaubliche individuelle Qualität verloren, deshalb braucht alles seine Zeit“, sagte RB-Geschäftsführer Marcel Schäfer, der bei bester Laune in der Mixed Zone der Mainzer Arena die „mannschaftliche Geschlossenheit“ lobte. Zweimal hintereinander zu null zu spielen, „gibt Auftrieb und hilft uns in der Entwicklung“.

Der Saisonstart verlief schließlich – auch wegen der späten Rochaden auf dem überhitzten Transfermarkt – überaus holprig. Im DFB-Pokal hätte der Viertligist SV Sandhausen gegen den viel zu lässigen Bundesligisten (4:2) schon locker vier und mehr Tore schießen können, danach bestrafte der FC Bayern eben beim Eröffnungsspiel (0:6) die luftige Verteidigungshaltung.

Offenbar hat die Lektion gesessen. Am dritten Spieltag war sich kein Profi mit dem Bullenlogo mehr zu schade, Wege nach hinten zu machen, Schüsse zu blocken, Bälle wegzuschlagen.

Dass von der einst von Ralf Rangnick entworfenen RB-DNA nur noch Spurenelemente übrig sind, interessierte Trainer Ole Werner herzlich wenig. Er wolle gar nicht die Pokal- oder Auftaktpartie als Vergleich heranziehen: „Was man generell sagen kann, ist, dass wir mehr Dinge als Mannschaft machen. Wichtig ist, dass wir eine gute Energie, eine gute Gruppe aufbauen. Das ist der einzige Weg, der für uns funktioniert. Wir haben wahnsinnig viele Veränderungen gehabt: auf dem Platz, in der Kabine, beim Staff, im Trainerteam. Diese Dinge brauchen Zeit, aber sie brauchen eine Basis – und das ist Intensität, Gemeinschaft und Disziplin.“ Es sei für diese Mannschaft wichtig, „zu wissen, dass manchmal schon ein einziges Tor reicht, um Spiele zu gewinnen – vorausgesetzt, jeder macht seinen Job und wir haben die nötige Stabilität“.

Der bei Werder Bremen erfolgreich arbeitende Fußballlehrer könnte mit seiner Ruhe und Bodenständigkeit derjenige sein, der sächsischen Pragmatismus glaubhaft vermittelt. Der auf den letzten Drücker für 20 Millionen Euro aus der Türkei verpflichtete Mittelstürmer Rômulo fand vorne zwar kaum Bindung, arbeitete aber nach hinten fleißig mit. Werner konnte im Nachgang hervorheben, wie wenig sein Torwart Péter Gulácsi trotz des Mainzer Anrennens wirklich zu tun hatte.

Den Ungar hatte der Sechserpack in München mächtig gewurmt. „Nach zwei Spielen ohne Gegentor ist das langsam abgehakt, aber wir müssen noch viermal zu null spielen“, forderte der seit zehn Jahren in Leipzig spielende Dauerbrenner. Man habe „kein fußballerisches Feuerwerk“ abgebrannt, aber: „Letzte Saison ist es selten gelungen, solche Spiele zu ziehen.“

Die Identifikationsfigur Gulácsi hat in der vergangenen Spielzeit erlebt, wie die Einzelteile unter dem Red-Bull-Dach am Ende gar nicht mehr zusammenpassten. Nun sehe man, „dass wir sehr viel Potenzial haben, dass wir sehr gute Jungs haben: Mit den Erfolgen kann man dann mit besserer Laune und weniger Druck arbeiten.“ Nur dürfe sich der Korpsgeist nicht verflüchtigen, „das soll in den kommenden Wochen so bleiben“.

Zur Erinnerung: In der Vorsaison hatte ein Leipziger Ensemble am siebten Spieltag noch unter Marco Rose nach einem ähnlichen Muster nicht unverdient an dessen alter Mainzer Wirkungsstätte gewonnen und lag plötzlich punktgleich mit den Bayern an der Spitze. Alle Lobgesänge auf das vermeintlich so stabile Konstrukt sollten sich jedoch als verfrüht erweisen.

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