Zahlen von Schwangerschaftsabbrüchen: Mehr Abtreibungen in Deutschland
Das Statistische Bundesamt meldet 25.800 Abtreibungen im ersten Quartal 2022 in Deutschland. Auch in den USA steigen die Zahlen erstmals seit Jahren.
Im Jahr 2021 war die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche demnach insgesamt um 5,4 Prozent niedriger als im Vorjahr. Im Jahr 2020 wurden 0,9 Prozent weniger Fälle gemeldet als 2019. Ob es einen Zusammenhang mit der Coronapandemie gibt, sei noch nicht eindeutig zu bewerten.
Ab dem Jahr 2005 ist die Gesamtzahl der Abbrüche kontinuierlich zurück gegangen, bis sie 2017 erstmals wieder anstieg und seitdem auf höherem Niveau zurück geht. Allerdings hat auch die Zahl der Frauen im gebärfähigen Alter abgenommen. Anteilig ist die Zahl der Abtreibungen etwa gleich geblieben.
Zudem stieg nach Berechnungen der taz im vergangenen Jahr die Zahl der späten Schwangerschaftsabbrüche um knapp 20 Prozent gegenüber 2020 an. Dabei handelt es sich um Abtreibungen nach dem dritten Monat, wenn die Beratungsregelung nicht mehr greift.
Laut Statistikamt waren 70 Prozent der Frauen, die im ersten Quartal dieses Jahres einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen ließen, zwischen 18 und 34 Jahre alt. Drei Prozent der Frauen waren jünger als 18 Jahre. Mit rund 41 Prozent hatte fast die Hälfte der Frauen vor der Abtreibung noch kein Kind zur Welt gebracht. In vier Prozent der Fälle erfolgte der Schwangerschaftsabbruch der Statistik zufolge aus medizinischen Gründen oder aufgrund von Sexualdelikten.
Zahlen auch in den USA gestiegen
In den Vereinigten Staaten ist die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche zwischen 2017 und 2020 zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder gestiegen. In einem Bericht der Forschungsgruppe Guttmacher Institute vom Mittwoch hieß es, 2020 seien in den USA mehr als 930 000 Abtreibungen vollzogen worden. 2017 waren es noch 862 000. Damals wurde der niedrigste Stand erreicht, seit der Oberste Gerichtshof den Eingriff 1973 landesweit legalisierte.
Etwa eine von fünf Schwangerschaften endete im Jahr 2020 mit einem Abbruch, hieß es in dem Bericht. Diese Zahl verdeutliche den Bedarf und unterstreiche, wie verheerend eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs für den Zugang zu einer absolut lebenswichtigen medizinischen Leistung sein werde, sagte die Professorin für Gesundheitsrecht an der George Washington University, Sara Rosenbaum.
Die Abtreibungsrate lag im Jahr 2020 bei 14,4 pro 1000 Frauen im Alter von 15 bis 44 Jahren, 2017 waren es 13,5 pro 1000 Frauen. Insgesamt wurden im Jahr 2020 weniger Frauen schwanger und ein größerer Anteil von ihnen entschied sich für einen Abbruch.
Medikamentöse Schwangerschaftsabbrüche, die Kombination aus zwei Medikamenten, die auch als Abtreibungspille bezeichnet wird, machten im Jahr 2020 54 Prozent der Abtreibungen in den USA aus. Es war das erste Mal, dass diese Form des Abbruchs mehr als die Hälfte der Abtreibungen erreichte, erklärte das Institut. Dem Bericht zufolge könnte die Coronapandemie die Zahlen in einigen US-Staaten gedrückt haben. In anderen schränkte die Pandemie nach Einschätzung von Experten möglicherweise den Zugang zu Verhütungsmitteln ein oder hinderte Frauen daran, alle mit einer Schwangerschaft verbundenen Arztbesuche wahrzunehmen.
Doch die Zahl der Abtreibungen stieg bereits an, bevor das Coronavirus sich ausbreitete. Ein Faktor, der dazu beitrug: Einige Staaten erleichterten den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen über das Versicherungssystem Medicaid.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles