Zahlen des Statistischen Bundesamtes: Größter Lohnverlust seit 14 Jahren
Die Reallöhne der Beschäftigten sind 2022 um durchschnittlich 4 Prozent gesunken. Die Lohnsteigerungen machten die Inflation nicht wett.
2022 betrug die Inflationsrate 6,9 Prozent. Die Löhne wuchsen dagegen nur um knapp 3 Prozent. Die Differenz machte den Verlust der Beschäftigten von 4 Prozent aus. Diese Tendenz war freilich schon früher zu sehen, nun kommt aber noch eine Revision des Berechnungsverfahrens bei Destatis hinzu. Deshalb fällt das Minus für die Arbeitnehmer:innen jetzt etwas höher aus als bisher berichtet. Eine Ursache liegt darin, dass im neuen Verfahren nun beispielsweise auch die Lohnzahlungen in sehr kleinen Betrieben und die Verdienste aus Altersteilzeit einbezogen werden.
In diesem Jahr könnte das Bild jedoch etwas freundlicher ausfallen. Die Inflation geht mittlerweile zurück. Die Bundesregierung rechnet mit 5,9 Prozent 2023 und 2,7 Prozent 2024. Währenddessen haben die Gewerkschaft Verdi und der Deutsche Beamtenbund gerade eine Gehaltssteigerung von durchschnittlich 11 Prozent im öffentlichen Dienst durchgesetzt.
Der Bahngewerkschaft EVG reicht ein Angebot der Bahn AG über 8 bis 10 Prozent Lohnsteigerung nicht aus, weshalb sie mit weiteren Streiks droht. So ist es nicht auszuschließen, dass die jetzt verhandelten Verdienstzuwächse die Inflationsraten der kommenden Jahre übersteigen, wodurch viele Beschäftigten ihre Verluste teilweise wettmachen könnten.
Dabei ist der Reallohnverlust 2022 ein Durchschnittswert, von dem nicht alle Bevölkerungsgruppen gleichermaßen betroffen sind. So geben Wohlhabende und Reiche einen kleineren Teil ihrer Einkommen für den notwendigen Konsum aus als Menschen mit niedrigen Verdiensten.
Die starken Preisanstiege für bestimmte Lebensmittel, Heizenergie und Benzin schlagen bei Niedrigverdienern mehr zu Buche, ebenso beispielsweise bei Pendler:innen, die alte Autos fahren. Umgekehrt können Leute, die Einnahmen aus Kapital, etwa Immobilien, generieren, besser davonkommen als Erwerbstätige, die ausschließlich auf ihren Lohn angewiesen sind.
Und wo geht das Geld hin, das die Arbeitnehmer:innen für höhere Preise ausgeben mussten? Zum guten Teil an die Unternehmen und deren Eigentümer:innen. Handelt es sich also um ungerechte Umverteilung? Oft nicht, denn die Firmen mussten ja auch höhere Preise für den Einkauf ihrer Produkte oder Vorprodukte entrichten.
In manchen Fällen allerdings dürfte es doch zu einer Verschiebung zwischen hiesigen Arbeits- und Unternehmenseinkommen anlässlich der Inflation gekommen sein. „Mehr als ein Drittel des jüngsten Anstiegs der Lebensmittelpreise“ in Deutschland könne nicht mit den traditionellen Treibern wie den Rohstoffkosten oder der Entwicklung der Energiepreise erklärt werden, berichtete der Inflationsexperte des Kreditversicherers Allianz Trade, Andy Jobst, in einer kürzlich veröffentlichte Studie. „Es scheint zunehmend Anzeichen für Gewinnmitnahmen zu geben.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen