Zahlen bei der Katar-WM: Fußballs Sieg über die Statistik
Passquoten, Expected Goals, Ballbesitzverteilung – bei der WM werden jede Menge Daten erhoben. Nur: Erklärungen liefern sie nicht wirklich.
M anchmal spielen sie auf der großen betonierten Fläche vor der Metro-Station Hamad Hospital Cricket. Das ist für mich, der die Zeichen dieses Spiels nicht versteht, ein Buch mit sieben Siegeln. Aber wie wirkt der Fußball wohl auf diese Inder? Muss er ihnen nicht auch als durch und durch komisches, ja irrationales Spiel erscheinen? Wenn man nicht damit aufgewachsen ist, kann der Kick beim Kick schon mal fehlen. Fußball ist ja auch so merkwürdig, weil er sich statistisch schlecht fassen lässt. Zwar gibt es mittlerweile viele Datenströme, Tabellen und Analysen. Aber welchen Erkenntnisgewinn liefern sie? Wenig, wie ich finde.
Beim Basketball zum Beispiel lebt alles in und mit der Statistik, sie spiegelt das Spiel in nahezu perfekter Weise. Das geht so weit, dass ich mir nur den Boxscore einer Partie ansehen muss, um zu wissen, wie die Sache gelaufen ist.
Ich könnte die Punkte abdecken und wüsste trotzdem, wer gewonnen hat. Da reicht manchmal die Dreierquote, um im Bilde zu sein. Im Fußball dagegen gewinnt die Mannschaft mit weniger Ballbesitz (Japan, Marokko etc. pp.). Es verliert das Team mit der besseren Zweikampfquote, was zuletzt oft in den DFB-Matches gegen Spanien passierte.
Das Team mit den besseren Zahlen verliert
Im Fußball verliert auch die Elf mit der besseren Passquote, den besseren Chancen, dem weit höheren Expected-Goal-Wert (siehe Argentinien gegen Saudi-Arabien). Und das passiert nicht nur ausnahmsweise, sondern regelmäßig. Die Werte werden erhoben, man kann darauf schauen – oder es bleiben lassen. Gleiches gilt für die Kritzelbilder mit den gespielten Pässen pro Partie. Sie mögen für den Assistenten des zweiten Co-Trainers interessant sein, nicht aber für normale Connaisseure.
Die Fifa hat bei dieser WM auch ein Datencenter eingerichtet, und ich habe lange in diesen Registern mit recht hübschen Grafiken gekramt, aber ich nehme da fast nichts mit. Gibt es im Fußball keine Supervariablen, die alles erklärend sind? Die ultimative Fußballformel zur Dechiffrierung des Spiels, was ist damit? Es ist wohl so: Um die Komplexität des Fußballs zu erfassen, sind Erfahrung und ein geübtes Auge vonnöten, das Vermögen, all die zum Teil unnützen Daten kreativ zusammenzuführen. Aber das ist eben eine qualitative Wissenschaft und keine quantitative.
Oder wie der Müller Thomas sagt: Der Fußball ist ein Ergebnissport. Spielverläufe werden auf den Kopf gestellt. Ja, ein richtiger Sauhund ist er, der Fußball. Er macht, was er will. Ist ja auch wieder schön, nicht wahr.
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