Zahl der Todesopfer in Syrien: 60.000 Tote bis Ende November
In penibler Kleinarbeit im Auftrag der UNO hat ein Institut viel höhere Opferzahlen des Bürgerkriegs ermittelt, als bislang bekannt waren.
GENF taz | Der Syrienkonflikt hat allein bis Ende November letzten Jahres fast 60.000 Todesopfer gefordert, teilte das UNO-Hochkommissariat für Menschenrechte (OHCHR) in Genf diese Woche mit. Die Zahl überraschte viele BeobachterInnen. Denn die bislang von der syrischen „Beobachtungsstelle für Menschenrechte“ verkündete Höchstzahl lag bei knapp 46.000 Toten.
Diese erhebliche Differenz wirft wie schon bei früheren Gewaltkonflikten erneut die Frage auf, wer aus welchem Interesse und mit welcher Methode und Zuverlässigkeit die Zahl von Todesopfern erhebt.
Die Beobachtungsstelle für Menschenrechte ist eng mit der syrischen Opposition verbunden und sitzt zudem fernab vom Kriegsgeschehen im Londoner Exil. Und die im September 2011 vom UNO-Menschenrechtsrat etablierte unabhängige Untersuchungskommission konnte wegen massiver Behinderung ihrer Arbeit durch die Assad-Regierung bislang nur in sehr beschränktem Umfang verlässliche Daten erheben.
Das OHCHR hatte das Interesse an einer breiteren und repräsentativeren Quellenbasis. Daher beauftragte das OHCHR das im kalifornischen Palo Alto residierende Nonprofit-Unternehmen Benetech mit einer systematischen Erforschung der Todesopferzahlen in Syrien.
Das 1989 gegründete Unternehmen unterhält eine „Analyse-Abteilung für menschenrechtsrelevante Daten“, die ähnliche, nach eigener Darstellung „wissenschaftlich abgesicherte“ Untersuchungen auch schon zu früheren Gewaltkonflikten in Guatemala, Kolumbien, Indien, dem früheren Jugoslawien, Sierra Leone und anderen Ländern durchgeführt hat.
Die Dokumentation
Finanziert wird Benetech überwiegend von US-amerikanischen Stiftungen, erhält aber auch Mittel vom US-Außenministerium. Für ihre „Vorläufige statistische Analyse der Dokumentation von Tötungen in Syrien“ werteten drei Benetech-WissenschaftlerInnen die Todesopfer-Angaben der Assad-Regierung sowie von sechs in Syrien operierenden unabhängigen oder oppositionsnahen Menschenrechtsorganisationen aus dem Zeitraum 15. März 2011 bis 30. November 2012 aus.
Insgesamt listeten diese sieben Quellen 147.349 Todesopfer auf. Nach Abgleich der sieben Listen und Streichung aller Mehrfachnennungen sowie nicht eindeutig identifizierter Personen blieben laut Benetech „59.648 gesicherte Todesopfer, für die Vornamen, Nachnamen sowie Todesort und -zeitpunkt bestimmt werden konnten“.
Obwohl diese vier Daten vorliegen, ließ sich bei 16,4 Prozent der „gesicherten Todesopfer“ das Geschlecht nicht eindeutig ermitteln. 76,1 Prozent waren Männer, 7,5 Prozent Frauen. Auch das Alter konnte bei 70 Prozent der Toten nicht eindeutig festgestellt werden.
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