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Zäh wie Kaugummi

Frauenquote Seit einem Jahr gilt in deutschen Unternehmen eine Geschlechterquote. In vielen Aufsichtsräten sitzen jetzt mehr Frauen als im Vorjahr. Im Bankensektor allerdings schrumpft der Anteil der Managerinnen

In der Minderheit: RWE-Aufsichtsrätin Maria van der Hoeven ist eine von sechs Frauen bei 20 Posten Foto: Malte Ossowski/Sven Simon/picture alliance

Aus Berlin Simone Schmollack

Frauen sind in Spitzenpositionen großer Unternehmen nach wie vor zu selten vertreten. Gerade mal 23 Prozent der Aufsichtsräte der 200 größten deutschen Firmen sind weiblich, bei den Vorständen liegt der Frauenanteil bei 8 Prozent. Das geht aus dem aktuellen Managerinnenbarometer des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) hervor, das das Institut am Mittwoch vorstellte.

Aber es gibt Fortschritte: Vor einem Jahr fanden sich bei den Top200-Firmen noch 20 Prozent Aufsichtsrätinnen und 6 Prozent weibliche Vorstände. Bei den DAX30-Unternehmen liegt der Frauenanteil bei den Aufsichtsräten bei 27 Prozent. Herausragend sind mit 40 Prozent Frauen die Versicherungsgesellschaft Munich Re, die Post und die Telekom, die die gesetzliche Frauenquote mit angestoßen hatte. Im vergangenen Jahr stark aufgestockt hat das Energieunternehmen RWE. Von den sechs von insgesamt 20 Aufsichtsräten wurden fünf allein im Jahr 2016 mit Frauen besetzt.

Den (leichten) Anstieg schreibt Elke Holst, DIW-Expertin für Gender-Ökonomie, dem sogenannten Quotengesetz zu. Seit einem Jahr gilt für börsennotierte und voll mitbestimmungspflichtige Unternehmen eine Geschlechterquote von 30 Prozent. Das betrifft derzeit 106 Unternehmen. Diese sind gesetzlich verpflichtet, bei Neubesetzungen in ihren Aufsichtsräten so lange Frauen einzustellen, bis die 30-Prozent-Quote erfüllt ist. Erreichen sie dieses Ziel nicht, muss der Posten leer bleiben. „Die Quote zeigt erste Wirkung“, konstatiert Holst.

Allerdings mit Einschränkungen: Bei jenen Unternehmen, die die Quote bereits erfüllt hatten – darunter Energieversorger Vattenfall und der Reiseveranstalter TUI –, stagniert der Frauenanteil in den Spitzenpositionen. Auch bei Unternehmen, an denen der Bund beteiligt ist und die von vornherein ein „gutes Ausgangsniveau“ hatten, ging es nicht voran.

Bei den Banken, in denen mehr als die Hälfte der Mitarbeitenden weiblich sind, gibt es gar einen gegenläufigen Trend: Der Frauenanteil in den Aufsichtsräten und Vorständen in den Geldhäusern ist leicht auf durchschnittlich 21 Prozent gesunken. Darüber hinaus gibt es nach wie vor finanzstarke Firmen, die weder eine Frau im Aufsichtsrat noch eine Frau im Vorstand haben. Dazu zählen das Versicherungsunternehmen Debeka sowie das Berliner Wohnungsunternehmen Adler Real Estate.

Wenn es so weitergeht, kommt die Geschlechterparität im Jahr 2036

Die Entwicklung ist nicht so, „wie wir sie uns gewünscht hätten“, sagt Holst: „Es zieht sich wie Kaugummi.“ Würde die Entwicklung im jetzigen Tempo weitergehen, wäre bei den Aufsichtsräten eine Geschlechterparität im Jahr 2036 erreicht. Bei den Vorständen, insbesondere bei den Banken, müsste man bis zum Jahr 2082 warten. Eine gesetzliche Quote für Vorstände gibt es bislang nicht.

Das DIW empfiehlt Unternehmen daher, dass sie sich „als Unternehmensziel“ mehr Frauen an der Spitze „verordnen“ sollten. Ebenso seien gezielte Nachwuchsförderung, flexible Arbeitszeitmodelle vor allem für Eltern und Transparenz bei Einstellungen, Beförderungen und Gehältern nötig.

Am Mittwoch hatte das Kabinett das „Gesetz zur Förderung von Transparenz von Entgeltstrukturen“ von Familienministerin Manuela Schwesig (SPD). Damit soll die geschlechterbedingte Lohnlücke von derzeit 21 Prozent geschlossen und Transparenz bei Gehältern hergestellt werden (siehe Text unten).

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