ZLB droht eine finanzielle Katastrophe: Breitenförderung? Nein, danke!
Neue Kultursenatorin, altes Spardiktat: Allein die Zentral- und Landesbibliothek Berlin muss 2,2 Millionen einsparen. Das ist ein fatales Zeichen.

D ie neue Kultursenatorin Sarah Wedl-Wilson (CDU) ist im Amt und die Kulturkürzungen von 130 Millionen für 2025 bestehen weiter. Insbesondere die Bibliotheken trifft es hart. Allein die Zentral- und Landesbibliothek Berlin (ZLB) muss in diesem Jahr 2,2 Millionen Euro einsparen. Das bedeutet, dass bei 1,5 Millionen Besuchen im Jahr pro Gast fast 2 Euro eingespart werden müssen. Das ist in etwa auch die Summe, die die Bibliotheken, die unter dem Dach der ZLB verwaltet werden, pro Einwohner*in für den Medienerwerb ausgeben.
Ein Ende der Kürzungen ist nicht absehbar. So sollen der ZLB 30 Stellen gestrichen, Magazin-Bereitstellungen verlangsamt, kostenlose Angebote und Veranstaltungen reduziert werden. Es ist gut vorstellbar, dass in Folge der Kürzungen das Beschaffungswesen und der damit verbundene Kanon konventioneller werden.
Die ZLB ist die meistbesuchte Kulturinstitution Berlins und die größte öffentliche Bibliothek der Bundesrepublik. Sie hat, etwa im Gegensatz zur Oper, eine echte Breitenwirkung. Allein das Veranstaltungssegment der öffentlichen Bibliotheken bewegt sich zahlenmäßig auf Augenhöhe mit den Opernbesuchen der drei großen Berliner Häuser kombiniert. Beide Werte liegen bei etwas über einer halben Million Besuchen. Dabei ist der Besuch der ZLB-Veranstaltungen kostenlos, anders als bei den teils teuren Opernkarten.
Trotz eines Tiefs während der Coronapandemie wurden in jedem Jahr seit 2010 immer über 20 Millionen Medien entliehen. Die vielfältigen Angebote der ZLB ermöglichen Mündigkeit und Meinungsbildung. Insbesondere Veranstaltungen zu Grundlagenfähigkeiten wie Leseförderung und Medienkompetenz liegen laut dem Amt für Statistik Berlin-Brandenburg im Trend. Sie sind nichts anderes als: gelebte Demokratieförderung.
Ein Angebot unabhängig von Status und Bildung
Es ist also ein Problem, wenn gerade bei den Bibliotheken gekürzt wird, die ein Angebot unabhängig von Status, Bildung oder Kapitalverfügbarkeit darstellen.
Dennoch: In der Berliner Bibliothekslandschaft tut sich etwas. So bleibt etwa die Zentralbibliothek der Technischen Universität und der Universität der Künste für 24 Stunden und 7 Tage die Woche geöffnet. Womöglich ein sinnvoller Schritt, der Studierenden Zugang zu Lernmaterialien erleichtern könnte. Als Universitätsbibliothek ist sie zuständig, Studium, Forschung und Lehre zu ermöglichen. Breitenbildung oder gesamtgesellschaftlicher Diskurs stehen nicht auf der Agenda.
Somit gilt für den Berliner Senat: Studierenden, die alle elementare Hürden genommen haben, werden die Türen geöffnet, die Mehrheit aber soll draußen bleiben. Diese Botschaft ist, in einem Wort: elitistisch.
Wenn eine Klassenkluft zu groß wird
Die Entscheidung, bei den Stadtbibliotheken zu kürzen und in die Spitzenbildung zu investieren, weist darauf hin, dass im derzeitigen Senat ein Menschenbild vorherrscht, das sogenannte Leistungsträger immer weiter füttert, wogegen den Übergebliebenen nichts vom Kuchen bleibt.
Wenn eine Klassenkluft zu groß wird, leidet die Durchlässigkeit von Talent. Eine lebenswerte Berliner Stadtgesellschaft ist so kaum vorstellbar. Dies wird der Fall sein, wenn neben ohnehin zu hohen Kosten für Wohnraum und Nahverkehr noch viele, eigentlich äußerst erschwingliche, Bildungs- und Kulturangebote verknappt werden.
Diese Effekte ließen sich mit umsichtiger und informierter Kulturpolitik bremsen. Kultursenatorin Wedl-Wilson hat just die Geschäfte angetreten – sie kann sich noch beweisen. Die Arbeit als Kulturstaatssekretärin unter ihrem Vorgänger Joe Chialo (CDU) deutet aber darauf hin, dass eine behutsame und ausgleichende Kulturpolitik für den aktuellen Senat keinerlei Relevanz zu besitzen scheint.
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