ZDFkultur-Chef geht: Das Ende vom Anfang?
Der von Sparvorgaben gebeutelte Minidigitalsender ZDFkultur verliert seinen Chef Daniel Fiedler. Das verbessert die Zukunftsaussichten des Senders nicht.
„CRO im Hauptprogramm? Unser Tun hat wirklich Folgen“, twitterte ZDFkultur-Chef Daniel Fiedler am Samstag während der „Wetten, dass ..?“-Premiere von ZDF-Chefschwiegersohn Markus Lanz. Und in der Tat ist es beachtlich, dass der 22 Jahre alte Indierapper vor der vergreisenden ZDF-Zuschauerschaft auftreten durfte – ein kleiner Achtungserfolg für Fiedler, der seit dem Frühjahr 2011 den kleinsten Digitalableger des Mainzer Senders leitet.
Sein Job beim „Pop.Hoch.-Netz.Digital.Kultursender“: das Publikum verjüngen. Anfangs gemeinsam mit dem Arte-Koordinator im ZDF, Wolfgang Bergmann, der im Herbst 2011 einer von zwei deutschen Geschäftsführern des deutsch-französischen Kultursenders wurde. War ZDFkultur für Bergmann ohnehin nur als Durchreisestation gedacht, bastelte Fiedler wirklich an einer innovativen jugendaffinen Alternative zum Hauptprogramm.
Nicht zuletzt mit Formaten wie „TV Noir“ (Mix aus Akustikkonzert und Talk) sowie der spätabendlichen, für ZDF-Verhältnisse postmodern-liberalen Gesprächsrunde „Roche & Böhmermann“ (Förderpreis des Deutschen Fernsehpreises 2012) hat er bewiesen, dass er davon ziemlich viel versteht. Fiedlers Vision von Kulturfernsehen für die heute etwa 30-Jährigen ist laut, freiheitsliebend, diskurshungrig und unterhaltsam.
Enge Verzahnung der Spartensender
Seine Aufgabe hat der konzeptionelle Kopf des inoffiziellen MTV-Nachfolgers (Festivalberichterstattung, zahlreiche weitere Liveformate), selbst 45, so gut gemacht, dass man ihn gleich wieder weggelobt hat. Im Januar 2013 übernimmt er die Leitung einer neuen Kulturredaktion „in und aus Berlin“.
Auf ZDF-Deutsch heißt das: „Als Programmmanager und Experte für moderne Kulturformate und deren Produktionsbedingungen verfügt Daniel Fiedler über beste Voraussetzungen für die Leitung des neuen Bereichs in der Hauptstadt.“ Man wolle die Kulturredaktionen von ZDF, 3sat und ZDFkultur eng verzahnen. Die Umstrukturierung solle die Berichterstattung effizienter organisieren und stärken.
Theaterwissenschaftler und Germanist Fiedler wird sich mit seinem Team nun um Formate wie „aspekte“ und „Kulturzeit“ kümmern. Vielleicht war er den Entscheidungsträgern dann doch ein wenig zu kreativ oder eben so kreativ wie nötig. Die Zukunftsperspektiven von ZDFkultur verbessert sein Weggang nicht. Ende September wurde das Kernformat „Marker“ eingestellt – aufgrund einer „Priorisierungsentscheidung“. Dahinter steckte eine Sparaufforderung der Gebührenkommission KEF.
Ein Herz für ZDFkultur
Vorherige Finanzauflagen der Behörde wurden in Mainz anscheinend eher individuell gehandhabt. Nur nachvollziehbar, dass man dann bei einem jungen Spartenkanal spart, der ohnehin das Geld zum Fenster rauswerfen kann (Etat: 18 Millionen Euro). Auch die Planung des Digitalkanals für 2013 dürfte Fiedlers Weggang erschweren. Der taz teilte man mit, über die Nachfolge werde „zeitnah“ entschieden, in einer Verwaltungsratssitzung Ende November.
Intendant Thomas Bellut, eher ein Mann der modernen Unterhaltung als der Popkultur, sagte der Zeit im Juli immerhin, er habe ein „Herz für ZDFkultur“. Für die Personalie Fiedler nicht unerheblich scheint im Nachklang folgender Satz: „Wir haben uns vorgenommen, nach dem ersten Halbjahr Bilanz zu ziehen und darüber im Herbst auch mit den Gremien zu beraten.“
Belluts Augenmerk gilt eher ZDFinfo und ZDFneo. Dessen einstiger Chef Norbert Himmler wurde im April Programmdirektor auf dem Lerchenberg. Fiedler, seinerseits noch ein Ziehkind von Belluts Vorgänger Markus Schächter, kommentierte den Wechsel optimistisch als Würdigung seiner bisherigen Arbeit. Es werde nicht, auch wenn es so aussehen könnte, das „Totenglöckchen“ für ZDFkultur geläutet. Was der zukünftige Berliner von Belluts Unterhaltungsfernsehen hält, war dann – als Formatvorschlag getarnt – wieder bei Twitter zu lesen: „Ich hätte ne neue Sendung: Schlag den Lanz.“
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alles zur Bundestagswahl
BSW scheitert, Schwarz-Rot hat eine Mehrheit
Pragmatismus in der Krise
Fatalismus ist keine Option
Totalausfall von Friedrich Merz
Scharfe Kritik an „Judenfahne“-Äußerungen
Wahlergebnis der AfD
Höchstes Ergebnis für extrem Rechte seit 1945
Wahlsieg der Union
Kann Merz auch Antifa?
Bundestagswahl 2025
Mehr gewollt und links verloren