piwik no script img

ZDFinfo-Doku „Radikale von Links“Nur ein Experte?

In einer ZDF-Doku durfte ein Politologe über eine Gefahr von Links sprechen. Was die Zuschauer nicht erfuhren: Der Mann sitzt für die AfD im Kreistag.

AfD Kreisvorsitzender Karsten Dustin Hoffmann im Interview für die ZDFinfo-Dokumentation Screenshot: ZDFinfo

Am 06. September zeigte ZDFinfo die Dokumentation „Radikale von Links – Die unterschätzte Gefahr“. Als Experte zum Thema durfte Karsten Dustin Hoffmann ein bisschen was in die Kamera sagen. Er sprach mit Verwunderung davon, dass kein gesellschaftlicher Aufschrei komme, wenn Bands wie Fettes Brot oder Wir sind Helden in linken Zentren wie der roten Flora auftreten. Dem Publikum vorgestellt wurde Hoffmann, der über Hamburgs Rote Flora promovierte, als „Politologe“. Mehr nicht.

Dabei ist Hoffmann mehr als nur Politologe, denn er sitzt nebenbei auch noch im Kreistag in Rotenburg an der Wümme – für die AfD. Er ist sogar Vorsitzender der Fraktion. Von seinem politischen Engagement erfahren die ZuschauerInnen allerdings: nichts.

Ob diese Funktion ihn als Interviewpartner in einer Dokumentation über Linksradikalismus ausschließt, ist Ansichtssache. Zumindest aber sollte sein AfD-Engagement erwähnt werden. „Die Nennung als Politologe weckt in dem Zuschauer eine bestimmte Erwartungshaltung“, sagt Hendrik Zörner, Pressesprecher des Deutschen Journalisten-Verbands, „nämlich, dass hier jemand mit Knowhow spricht und nicht von seinen Aktivitäten innerhalb einer Partei beeinflusst ist.“ Aus Sicht Zörners sollte eine Parteifunktion von interviewten Experten immer genannt werden. Egal um welche Partei es sich handelt.

Karsten Dustin Hoffmann gibt sich als gemäßigter AfDler: Er bemängelt in einem Artikel vom April 2017, den er für die Huffington Post geschrieben hat, dass sich die Partei nicht von ihrem Rechtsaußenflügel abgrenze.

Aus Sicht des Deutschen Journalisten-Verbands sollte eine Parteifunktion von interviewten Experten immer genannt werden. Egal um welche Partei es sich handelt

Allerdings schrieb er bis 2014 auch für das Blog Citizen Times. Der Blog wird von Felix Strüning geleitet. Dieser wiederum trat als Redner bei der ersten „Zwischentag“-Messe im Jahr 2012 auf. Der Zwischentag wird von dem Publizisten und Verleger Götz Kubitschek organisiert und gilt als eines der wichtigsten Vernetzungstreffen der Neuen Rechten. Neben Vertretern neurechter Zeitschriften wie Sezession und Blaue Narzisse treffen dort unter anderem Kameradschaftler und NPDler aufeinander sowie seit Kurzem auch Mitglieder der Identitären Bewegung.

22 Artikel von Hoffmann sind bei Citizen Times zu finden: Google, „Karsten Dustin Hoffmann“, fertig.

Umso erstaunlicher, dass er in der ZDFinfo-Doku unkommentiert als Politologe vorgestellt wird. ZDF-Sprecher Thomas Hagedorn begründet die Nichtnennung von Hoffmanns Partei- und Fraktionsarbeit damit, dass dieser ausschließlich in der Funktion als Politikwissenschaftler interviewt worden sei. Außerdem würden die Bauchbinden nicht genügend Platz bieten, um mehrere Funktionen aufzulisten. Allerdings fügt auch er hinzu: „Im Fall von Karsten Dustin Hoffmann wäre in der Tat eine zusätzliche Einordnung hilfreich und nötig gewesen.“ Das ZDF will weitergehende Informationen zu dem Experten auf heute.de veröffentlichen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
  • "ZDF-Sprecher Thomas Hagedorn begründet die Nichtnennung von Hoffmanns Partei- und Fraktionsarbeit damit, dass dieser ausschließlich in der Funktion als Politikwissenschaftler interviewt worden sei."

    Ich hätte fast als Vergleich dazu geschrieben: "Hitler ausschließlich in der Funktion als Poskartenmaler interviewt"......

  • Ich werde regelmäßig Misstrauisch, wenn das Wort "Experten" in den Medien genannt wird, um die eine oder andere Richtung, als gut recherchiert zu verkaufen. Inn Wirklichkeit soll nur westliche Propaganda in die Köpfe der Menschen indoktriniert werden. Das das ja gut bei vielen Deutschen noch immer bis heute funktioniert, kann man an den Wahlen regelmäßig erkennen. Ich persönlich, glaube, dass viele Deutsche mit zweiten Vornamen "Vorurteile" heißen, die vom Mainstream regelmäßig bedient und unterstützt wird.

     

    So ähnlich fing es auch an, als man Menschen, die eine andere Religion hatten und andere Minderheiten, immer öfter nicht mehr als Menschen akzeptierte und darstellte, "bis zum Schluss eine Philosophie von Viehzüchtern, angewandt am Menschen", immer mehr in der Öffentlichkeit fand, und somit Menschen systematisch entmenschlichte. Diese menschenverachtende Ideologie bis heute nicht weg ist, nur weil Deutschland den Krieg verlor. Im Gegenteil, wenn man die zum Teil menschenverachtenden Kommentare in den vielen sozialen Netzwerken liest. Sonst wären auch nicht schon wieder alleine seit dem Mauerfall, mehr als 170 Opfer rechter Gewalt zu beklagen. Wie viele Opfer gab es eigentlich seit dem auf Grund von Linksextremismus? Alleine im Jahr 2016 gab es mehr als 2000 Angriffe auf Flüchtlingsheime und Flüchtlinge, wie viele seit dem seitens Linksextremismus?

  • Da macht die ARD solch ein Tohuwabohu wegen kleinerer Ungereimtheiten in der Doku "Auserwählt und ausgegrenzt – Der Hass auf Juden in Europa" und kommt mit einem riesigen "Fakten"-Check daher, während die Herrschaften beim ZDF sich in der Doku offenbar gar nicht erst um so etwas wie Klarheit kümmern. Der Umgang mit Statistiken und der gängigen Rechts-Links-Gegenüberstellung ist auch recht abenteuerlich. Aber ja, es ist Wahlkampf, die CDU muss sich von der Law and Order AfD Wähler zurückholen und alles was irgendwie links der CDU ist will bloß nicht in den Post-G20-Strudel geraten. Da ist es dann schon klar, dass auch einige Journalisten sich dann mal die low hanging Fruits vornehmen und sich eines solchen (im normalen Alltag wenig relevanten) Themas annehmen.

    • @JustusF:

      In einer Wiederholung des Beitrages wurde bei der ersten Vorstellung von KDH, sowohl vom Sprecher, als auch in der Einblendung erwähnt, dass er auch in der AfD aktiv ist. Bei der zweiten Erwähnung, bei der es dann um die Konzerte in der Flora geht stand es allerdings nicht.

      Ob das nun erst nachträglich ergänzt wurde, wurde nicht deutlich.

  • Wenn ich den Namen Karsten Dustin Hoffmann lese, habe ich mindestens noch eine zusätzliche Frage, die für eine „Einordnung hilfreich und nötig“ zu sein scheint: Welche Eltern tun ihrem Kind so etwas an? Musste der arme Kerl nicht werden, was er jetzt ist?







    Wenn ich diesen Artikel von Lisa Ecke lese, frage ich mich allerdings auch etwas. Zum Beispiel, warum eine taz-Autorin es skandalös findet, dass ein Kreistags-Fraktions-Vorsitzender der AfD nur als Politiloge vorgestellt wird vom ZDF und dass dieser Mann sich darüber wundert, dass Fettes Brot oder Wir sind Helden in linken Zentren wie der roten Flora auftreten können, ohne dass alle „Alarm!“ schreien. Hat die Frau etwa ihren peinlichen Zweitnamen verschwiegen, als sie angeheuert hat bei meiner tageszeitung?

     

    Kommentar gekürzt. Bitte halten Sie sich an die Netiquette.

    Die Moderation

     

     

    • @mowgli:

      Er müsste den vollen Namen ja im Alltag nicht gebrauchen, es würde ja Karsten Hoffmann ausreichen.

       

      Ich frage mich ja eher, in welcher Art er über die Rote Flora promovierte?

      War er mal drin? Vielleicht sogar auf einem der Konzerte?

       

      Ich kannte entfernt jemanden, der sehr spät (angeblich) über Baader-Meinhof promovierte, bei der Bundeswehr arbeitete und von der SPD zu den Republikanern wechselte. Aber zu Zeiten der Promotion waren Baader und Meinhof schon länger Geschichte. Noch lebt die Rote Flora ja.

  • 3G
    36387 (Profil gelöscht)

    Das schlimmste im Bereich Medien ist ja, dass wir Gutmenschen plötzlich BILD und all diesen schlechten Journalismus, der vor allem Milliarden Euro für Fussballberichterstattung ausgibt, gegen den faschistischen Vorwurf der "Lügenpresse" verteidigen müssen, und einige Medien in all ihren Peinlichkeiten sich bei den AfD-Nazis und anderen anbiedern, dass es zum kotzen ist.

    • @36387 (Profil gelöscht):

      Nein müssen wir nicht.

      Wir hätten uns als Linke dieses Thema zu eigen machen müssen anstatt es den Rechten zu überlassen.

      Merkwürdigerweise scheint es aber der Trend zu sein Themen die auch von Rechts angesprochen werden ganz aufzugeben um sich möglichst weit abzugrenzen.

      Es ist inhaltlich völlig richtig das die deutsche Presse zu 99% Millionären gehört und von gut verdienenden Bügersöhnen (und mittlerweile auch Töchtern) geschrieben wird die ihr meist rechte und neolbierale Ideologie dort verbreiten und dabei auch vor Falschinformationen nicht zurück schrecken.

      Die deutsche Presse mag frei sein, aber sie ist nicht unabhängig und erst recht nicht überparteilich sondern befangen, auf Basis dieser Erkenntnis ist die taz zum erst entstanden. Wer das Heute ausspricht sieht muss damit rechnen als Nazi und Verschwörungstheorietiker beschimpft zu werden. Es wäre die Aufgabe der Linken gewesen das richtige Gefühl vieler Leute mit Erklärungen und Theorie zu unterfüttern. Die Gesellschaft wartet nicht auf die politische Linke sondern nimmt die Erklärung an die ihr präsentiert wird wenn sie denn logisch ist. Und wenn die Linke schweigt weil Demokratie, Presse, Kapitalismuskritik und Frieden plötzlich als rechts gelten und deswegen nicht mehr bearbeit werden dann findet auf die Dauer eben ein Rechtsruck statt

      Die Abgrenzung von gegenüber Rechts erfolgt nicht über die Abgrenzung von Themen oder die grundsätzliche Abgrenzung von unten sondern darüber das man die bessere Erklärung hat.

    • @36387 (Profil gelöscht):

      Ja, lästig gel? Aber wer hat behauptet, dass es leicht ist, erwachsen zu sein?

       

      Ich meine: haben Sie schon mal erlebt, dass jemand besser geworden ist davon, dass sie ihn ausgegrenzt oder verprügelt haben? Ich hab das noch nie erlebt. Eher im Gegenteil. Wer für Bild schreiben muss, ist meiner Ansicht nach nicht zu beneiden. Er hat nicht nur nichts besseres gefunden, er hat womöglich nicht mal etwas besseres gesucht.

       

      Vielleicht hab ich zu wenig Fantasie. Dass solchen Leute davon ein Licht aufgeht, dass Bild-Hasser sich wie Bild-Macher benehmen, kann ich mir jedenfalls nicht vorstellen. Es würde auch allem widersprechen, was ich – teils aus den Reden von Experten, teils aus der eigenen schmerzhaften Anschauung und teils durch Selber-Denken – gelernt habe in mehr als 50 Jahren. So funktionieren Menschenhirne nicht. Wenn wirklich irgend etwas alternativlos ist, dann ist es meiner Ansicht nach das sogenannte „Gottvertrauen“. (Wobei das ein Agnostiker auch völlig ohne Glauben haben kann.)

       

      Ich weiß, ich kann etwas bewirken, wenn ich mir Zeit nehme und mir etwas Mühe gebe mit mir und allen anderen. Jeder, dem es so ähnlich geht, kann auch das „schlimmste im Bereich Medien“ gelassen angehen. Wenn die Medien nämlich zurückschießen, dann höchstens mit markigen Worten. Und davon, weiß ich, stirbt man nicht.

  • Ein wichtiger Aspekt. Ich finde auch, wir sollten Leute in Parteifunktion deshalb nicht notwendigerweise ausschließen. Aber angegeben werden sollte diese Funktion auf jeden Fall. Dies ist umso wichtiger als er einer extremen Partei angehört. Bei Experten sollte aber auch angegeben werden, wenn diese für einschlägige Verbände oder die Industrie arbeiten. Eine Referenz auf der Website ist dabei nicht ausreichend. Auf der "Bauchbinde" ist ausreichend Platz für die drei Buchstaben "AfD". Wer dann genaueres über sein Engagement bei der AfD lesen möchte, kann dies dann auf der Website machen.

    • @Velofisch:

      Ich finde ja, Debatten sollte man an Argumenten entlang führen, nicht an Lebensläufen.

       

      Eine bestimmte Parteizugehörigkeit sagt über die Motive Einzelner noch gar nichts aus. Menschen werden nicht nur durch ihr politisches oder ihr berufliches Umfeld geprägt, sondern auch durch ihr privates, ihr sportliches, ihr kulturelles, ihr gesundheitliches usw. Ein einzelnes Kürzel sagt einem also nie, woher jemand gekommen ist oder wohin er will und ob er morgen eher ein Freund oder eher ein Feind sein wird. Man muss sich schon einlassen, und zwar in möglichst vielen unterschiedlichen Kontexten und über einen längeren Zeitraum, um halbwegs sicher „tippen“ zu können. Da genügt es keineswegs, kurz vor der Wahl in ein Parteiprogramm zu sehen. (Was nicht bedeutet, dass man das nicht machen braucht.)

       

      Nützt alles nichts: Wer entscheiden können will, muss dafür mehr tun als seine schnellen Reflexe pflegen. Alle Einflussgrößen, die auf eine Person wirken, lassen sich nicht einzeln aufzählen, schon gar nicht auf einer „Bauchbinde“ (Wieso denke ich jetzt grade an das Tapfere Schneiderlein?) Argumente aber kann man immerhin kritisch hinterfragen. Wenn man sich traut, meine ich, weil man die eignen Argumente nicht erst umständlich zusammensuchen muss. Womöglich gar bei irgendwelchen gerade angesagten Autoritäten.

      • 3G
        38057 (Profil gelöscht)
        @mowgli:

        Dann muss aber die Frage gestellt werden, warum er als Politologe vorgestellt wird. Diese Bezeichnung soll ja gerade vermitteln, er sei ein unabhängiger Experte, der er offensichtlich nicht ist.