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ZDF-Promimagazin wird abgesetztRettet „Leute heute“!

Weil das ZDF jüngere Zielgruppen erreichen will, muss das Format weichen. Ein Fehler, denn „Leute heute“ hat generationenvereinendes Potenzial.

Leute Heute: Marcus Fahn, Karen Webb im ZDF-Studio Foto: Jens Hartmann/ZDF

S tellen Sie sich vor, da ist eine Sendung, die seit 26 Jahren fünf Tage in der Woche stabil abliefert: mit rund drei Millio­nen Zuschauer:innen, einem Marktanteil von fast 20 Prozent. Jetzt stellen Sie sich vor, Sie sind ei­ne:r von denjenigen, die da jeden Nachmittag um 17.45 Uhr einschalten. Eine kleine Alltagskonstante für ein bisschen Blitzlicht, ein bisschen Brad Pitt, ein bisschen Buckingham Palace in Ihrem westfälischen Wohnzimmer. Und nun erfahren Sie, dass es echt nett war, dass Sie all die Jahre geblieben sind – danke dafür –, aber sorry, Ihre Treue ist nicht genug. Sie sind nicht genug.

Das ZDF setzt „Leute heute“ ab, das Promimagazin mit Karen Webb. Denn die Quoten seien zwar ein Traum, die Altersstruktur des Publikums aber nicht. Von den 3 Millionen Menschen sind nur 200.000 unter 50, die sogenannte kaufkräftige Zukunft, nach denen Programmverantwortliche lechzen. Was will man noch mit den Alten, die den TV-Nachmittag zu genießen wissen, die Hörzu abonnieren, stets Reservebatterien für die Fernbedienung lagern, ja, die überhaupt einen Fernseher haben. I call it ageism!

Die Absetzung ist ein Fehler, Diskriminierung nur ein Grund von vielen. So verkörpert „Leute heute“ beispielsweise vorbildlichst den öffentlich-rechtlichen Programmauftrag und ist mit eher zurückhaltenden Berichten über offiziell bestätigte Ehekrisen oder Schwangerschaften so was wie ein Korrektiv für das Burda-Bauer-Klatschzeitschriftenimperium.

Das wiederum ist Schund, der wöchentlich so viele Le­se­r:in­nen lockt wie „Leute heute“ jeden Tag. Mit erlogenen Titelzeilen über tödliche Krankheiten oder Prügelattacken, oft an der Grenze zum Justiziablen, und immer lachhaft. Wird William seine Liebe nie wiedersehen? Doch, er braucht bloß eine Brille. Wenn „Leute heute“ hingegen von Kronprinzessin Amalias erstem Arbeitsbesuch in der Karibik berichtet oder davon, dass Bastian Pastewka einen Animationsfilmkater spricht, dann gibt es zwar Spannenderes – doch wird ganz nach Programmauftrag die „Würde des Menschen gewahrt“, sich „der Wahrheit verpflichtet“.

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Und wie genau stellt sich das ZDF auf dem frei werdenden Sendeplatz Alternativen vor, die ein demografisch diverseres Publikum anziehen? Mehr „funk“ im Linearen? Endlich Platz im Programm für eines dieser furchtbaren Empathiefetisch-Formate aus der Mediathek: „Wie fühlt es sich an, ein Mörder zu sein?“, „Pädophiler trifft Missbrauchte“, „Ex-Nazi trifft Jüdin“?! Trash vom allerfeinsten.

Stattdessen sollte man das generationenübergreifende Potenzial von „Leute heute“ endlich ausschöpfen. Etwas edukativer, etwas investigativer. Warum wird Billie Eilish Queerbaiting vorgeworfen und was ist das überhaupt? Die Celebrity-Debatte rund um „Nepotism Babies“, erklärt anhand der Beispiele Wayne Carpendale und Matthias Brandt. Oder mal die ganze Enthüllungspower eines öffentlich-rechtlichen Apparats aufwenden für Promigossip-Mysterien wie die Kontroverse um den Cast des Films „Don’t Worry Darling“: Hat Harry Styles Chris Pine bei der Premiere in Venedig wirklich auf den Schoß gespuckt? Unsere Ana­lys­t:in­nen aus dem Rechercheverbund haben Videos ausgewertet!

Das sorgt für neuen Gesprächsstoff zwischen Opa und Enkelin, da kommt man sich wieder näher, nach all den Klimakleber-Diskussionen. Und vielleicht würde die Enkelin dann sogar einschalten. Müsste wahrscheinlich nur vorher kurz zu Saturn.

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Leonie Gubela
Chefin vom Dienst taz.de
Jahrgang 1992, Politik- und Anglistikstudium in Bonn, danach Ausbildung an der Deutschen Journalistenschule in München. Seit 2018 im Onlineressort der taz.
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3 Kommentare

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  • 9G
    90118 (Profil gelöscht)

    Sehr schön herausgearbeitet!

  • "jüngere Zielgruppen erreichen" - das tun die doch schon !

    Insbesondere mit diesen quitschbunten und quitschvergnügten Männchen aus der Rheinland-Pfälzischen Landeshauptstadt denen man ihre sechzig Jahre ja nun auch nicht gerade ansieht ...

  • Dieser Kommentar verdient Zuspruch. Als wenn die Selbstbedienungsmentalität die Öffentlich- Rechtlichen nicht schon genug beschädigen würden werden gerne gut funktionierende und nachgefragte Programminhalte untergepflügt, nur damit sich irgendwelche "young guns" profilieren können. Das Publikum auf das dabei gezielt wird ist allerdings eine Illusion. Es gibt kein junges Fernsehpublikum, allenfalls Mediatheknutzer, aber niemanden für den jetzt freigemachten Sendeplatz. Es ist aber ja auch Aufgabe der Sender, auch der Radioprogramme, den Tag der Menschen zu strukturieren, die überhaupt um diese Uhrzeit Sendungen sehen oder hören. Was für jüngere Zuschauer will man eigentlich für 17 Uhr gewinnen? Die neue Programmgestaltung wird jedenfalls gegen eine bestehende aktuelle Nachfrage und für eine imaginierte zukünftige Nachfrage gemacht. Und wie immer bei solchen Umstrukturierungen spielt wahrscheinlich dabei auch ein Kostenfaktor eine Rolle.