ZDF-Promimagazin wird abgesetzt: Rettet „Leute heute“!
Weil das ZDF jüngere Zielgruppen erreichen will, muss das Format weichen. Ein Fehler, denn „Leute heute“ hat generationenvereinendes Potenzial.
S tellen Sie sich vor, da ist eine Sendung, die seit 26 Jahren fünf Tage in der Woche stabil abliefert: mit rund drei Millionen Zuschauer:innen, einem Marktanteil von fast 20 Prozent. Jetzt stellen Sie sich vor, Sie sind eine:r von denjenigen, die da jeden Nachmittag um 17.45 Uhr einschalten. Eine kleine Alltagskonstante für ein bisschen Blitzlicht, ein bisschen Brad Pitt, ein bisschen Buckingham Palace in Ihrem westfälischen Wohnzimmer. Und nun erfahren Sie, dass es echt nett war, dass Sie all die Jahre geblieben sind – danke dafür –, aber sorry, Ihre Treue ist nicht genug. Sie sind nicht genug.
Das ZDF setzt „Leute heute“ ab, das Promimagazin mit Karen Webb. Denn die Quoten seien zwar ein Traum, die Altersstruktur des Publikums aber nicht. Von den 3 Millionen Menschen sind nur 200.000 unter 50, die sogenannte kaufkräftige Zukunft, nach denen Programmverantwortliche lechzen. Was will man noch mit den Alten, die den TV-Nachmittag zu genießen wissen, die Hörzu abonnieren, stets Reservebatterien für die Fernbedienung lagern, ja, die überhaupt einen Fernseher haben. I call it ageism!
Die Absetzung ist ein Fehler, Diskriminierung nur ein Grund von vielen. So verkörpert „Leute heute“ beispielsweise vorbildlichst den öffentlich-rechtlichen Programmauftrag und ist mit eher zurückhaltenden Berichten über offiziell bestätigte Ehekrisen oder Schwangerschaften so was wie ein Korrektiv für das Burda-Bauer-Klatschzeitschriftenimperium.
Das wiederum ist Schund, der wöchentlich so viele Leser:innen lockt wie „Leute heute“ jeden Tag. Mit erlogenen Titelzeilen über tödliche Krankheiten oder Prügelattacken, oft an der Grenze zum Justiziablen, und immer lachhaft. Wird William seine Liebe nie wiedersehen? Doch, er braucht bloß eine Brille. Wenn „Leute heute“ hingegen von Kronprinzessin Amalias erstem Arbeitsbesuch in der Karibik berichtet oder davon, dass Bastian Pastewka einen Animationsfilmkater spricht, dann gibt es zwar Spannenderes – doch wird ganz nach Programmauftrag die „Würde des Menschen gewahrt“, sich „der Wahrheit verpflichtet“.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Und wie genau stellt sich das ZDF auf dem frei werdenden Sendeplatz Alternativen vor, die ein demografisch diverseres Publikum anziehen? Mehr „funk“ im Linearen? Endlich Platz im Programm für eines dieser furchtbaren Empathiefetisch-Formate aus der Mediathek: „Wie fühlt es sich an, ein Mörder zu sein?“, „Pädophiler trifft Missbrauchte“, „Ex-Nazi trifft Jüdin“?! Trash vom allerfeinsten.
Stattdessen sollte man das generationenübergreifende Potenzial von „Leute heute“ endlich ausschöpfen. Etwas edukativer, etwas investigativer. Warum wird Billie Eilish Queerbaiting vorgeworfen und was ist das überhaupt? Die Celebrity-Debatte rund um „Nepotism Babies“, erklärt anhand der Beispiele Wayne Carpendale und Matthias Brandt. Oder mal die ganze Enthüllungspower eines öffentlich-rechtlichen Apparats aufwenden für Promigossip-Mysterien wie die Kontroverse um den Cast des Films „Don’t Worry Darling“: Hat Harry Styles Chris Pine bei der Premiere in Venedig wirklich auf den Schoß gespuckt? Unsere Analyst:innen aus dem Rechercheverbund haben Videos ausgewertet!
Das sorgt für neuen Gesprächsstoff zwischen Opa und Enkelin, da kommt man sich wieder näher, nach all den Klimakleber-Diskussionen. Und vielleicht würde die Enkelin dann sogar einschalten. Müsste wahrscheinlich nur vorher kurz zu Saturn.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen