ZDF-Dreiteiler "Krupp - eine deutsche Familie": Alles Schweine, sogar Mutti
Das ZDF hat die Geschichte des Weltkonzerns als düsteres Familienepos verfilmt. Doch der Dreiteiler bleibt Schablone - und zäh wie Kruppstahl.
Alles ist Berthas Schuld. Auf diese handliche Kurzformel lässt sich die ZDF-Annäherung an den "Mythos Krupp" bringen. Aber was heißt hier Annäherung: "Krupp - Eine deutsche Familie" springt mitten rein in den Montan-Clan, der unter seiner eigenen Wichtigkeit leidet und ächzt. Schließlich geht im düsteren Dämmerlicht der Villa Hügel (für die im Film ausgerechnet das eher verspielte Schloss Nordkirchen herhält) alles zugrunde.
Keine Frage: Die Kruppsche Familiensaga hat das Zeug zu fulminantem Fernsehen. Waffenverkaufend in alle Weltgegenden verkehrten die Krupps mit Kaisern und Führern auf Augenhöhe, oft hart am Rande der Pleite, aber immer größer und strahlender als der Rest der deutschen Stahl- und Kanonenbarone.
Doch das ZDF bleibt im großen Stoff seltsam stecken und macht kaltes Ausstattungs-TV draus, das in seiner schlichten Erwartbarkeit nicht über dreimal 90 Minuten trägt. "Stahl. Macht. Leidenschaft" heißt der Werbeslogan für den Film - bleiern träfe es besser.
Den ersten Teil durchleidet Krupps Bertha still als höhere Tochter, nach dem Tod des wegen seiner homosexuellen Ausflüge gen Capri nicht ganz comme il faut geratenen Vaters übernimmt sie de facto die Firmenleitung. Umso eiserner wird ihr Erstgeborener zum Konzernerben erzogen. Alfried darf dann natürlich auch nicht die Frau lieben, die er sogar heimlich geheiratet hat. Doch da ist das Kind längst in den Brunnen gefallen. Benjamin Sadler gibt seinen Alfried folglich mit stets magenkrankem Hundeblick, und Iris Berben bemüht als Bertha ihr gesamtes aus den "Rosa Roth"-Folgen bekanntes Mienenspiel.
Diesmal darf sie fast durchgehend streng sein: "Deine Haut ist Krupp. Dein Blut ist Krupp. Du bist Krupp!", herrscht sie Alfried an. Der schluckt, zaudert - und pariert. Auch noch, als er 1943 mit der Lex Krupp von Hitlers Gnaden zum Firmenboss gesalbt wird, obwohl ringsum alles in Scherben fällt, die an der Front kämpfenden Brüder zweifeln und der eigene Onkel im Widerstand ist. Auch dann noch, als nach 1945 alles zerbombt ist, aber der Mythos Krupp einfach gar nicht anders kann, als der eigenen Wiederauferstehung entgegenzuarbeiten.
Was aber treibt diese Menschen zu solcher "Pflichterfüllung", will der Film nach eigenem Bekunden ausloten: "Von den Krupps wollten wir wissen, wie sich Menschen entscheiden, nicht wie ihre Funktionen waren", schreibt Koproduzent Georg Feil in der Funkkorrespondenz: "Es ging uns um die Motive und Gefühle der Akteure. Und die stehen nicht in den Akten."
Aber auch nicht im Drehbuch von Christian Schnalke, die mechanische Regie von Carlo Rola tut ihr Übriges, und so kommt "Krupp" noch blutleerer als andere Produktionen der Schnalke-Rola-Kombo wie "Die Patriarchin" (2005), wo sich Iris Berben schon mal dreiteilig als pflichtbewusst-wertkonservative Unternehmerin versuchte.
"Krupp" umschifft in viereinhalb Stunden die menschlichen Abgründe genauso wie die historischen: Alfrieds Verurteilung und Haft als Kriegsverbrecher wird nur milde gestreift, die ach so geliebten "Kruppianer", für die sich die prachtvollen Unternehmer aufopfern, sind ohnehin zur tumben Staffage degradiert. Am Schluss verzichtet der voyeuristisch als Sonnenkönig-Jüngelchen überzeichnete letzte Krupp-Spross Arndt auf sein Erbe und fährt zu Emerson, Lake & Palmers "Lucky Man" in sein eigenes unglückliches Restleben. Vater Alfried hats hingegen vollbracht, stirbt zu den Klängen von Richard Strauss "Befreit" - und bleibt, das will der Film dann doch noch mal ganz deutlich sagen, auf ewig ein Gefangener.
"Krupp - eine deutsche Familie" ist am Sonntag, Dienst und Mittwoch um 20.15 Uhr im ZDF zu sehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen