ZDF-Doku über Osten und AfD: Bekannte Bilder
In der ZDF-Politdoku „Deutschland, warum bist du so?“ besucht Eva Schulz Thüringen, Sachsen und Brandenburg. Leider ist es inhaltlich unbefriedigend.
Stellen Sie sich vor, es sind Landtagswahlen in Ostdeutschland und auf einmal gucken alle hin. Keine utopische Vorstellung, schließlich passiert gerade genau das. Seit Wochen widmen sich Medienhäuser, Organisationen und Vereine mit unzähligen Sonderprojekten dem Osten.
In der alltäglichen Berichterstattung eher vernachlässigt, wollen nun kurz vor den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg alle mit „den echten Menschen“ vor Ort ins Gespräch kommen, um herauszufinden, was sie bewegt. Auch das ZDF hat ein neues Format ins Leben gerufen, die Politikreportage „Deutschland, warum bist du so?“.
In den halbstündigen Episoden besucht die Journalistin Eva Schulz die drei wählenden Bundesländer, in denen laut Umfragen die AfD stärkste Kraft ist. Interviews aus Kleinstädten und Dörfern wechseln sich mit Studioszenen ab, in denen Schulz manchmal etwas zu breitbeinig erklärt, wie ihre Erfahrungen und Gespräche gerade einzuordnen sind.
In Thüringen dreht sich natürlich alles um den Faschisten Björn Höcke, der bei einer Veranstaltung in seinem Wahlkreis Greiz immer wieder im O-Ton zu hören ist. Mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg versucht sie, mit seinen Fans ins Gespräch zu kommen. Wie zu erwarten ist Presse dort nicht so beliebt.
Ausführlich dagegen spricht der 28-jährige Paul aus dem Altenburger Land mit ihr. Der Landwirt auf einer Straußenfarm überlegt, Höcke zu wählen. Doch wirklich konkret sagen, wieso, kann er nicht. Er wirkt desillusioniert: „Politisch gesehen habe ich das Gefühl, ist es eigentlich egal, wo du dein Kreuz setzt.“ Die AfD würde zwar zuspitzen, aber immerhin auch nichts schönreden.
Viele Gespräche
Um ein rundes Bild zu bekommen, besucht Schulz eine Gegenveranstaltung zu Höckes Auftritt sowie ein linkes Rockfestival und führt Straßeninterviews vor einem Supermarkt. Obwohl sie auch immer wieder abblitzt, gelingt es ihr schließlich doch, ein breites Gesprächsfeld zu liefern.
Auch in der Folge „Wie Sachsen zerreißt“ spricht Schulz mit verschiedenen politischen Lagern: Mit Montagsdemonstrant_innen in Bautzen, mit Andy, einem AfDler aus dem Erzgebirge, mit Fatima, die sich antirassistisch in Chemnitz einsetzt, und einem Pfarrer in Großschirma, der versucht, mit einem Motorradgottesdienst alle wieder zusammenbringen. Nur miteinander spricht hier kaum eine_r mehr. So die Analyse der verschiedenen Protagonist_innen.
Fredersdorf angeblich ganz anders
Während in Sachsen und Thüringen die Kacke am Dampfen ist, sieht die Welt in Brandenburg ganz anders aus. So zumindest das Bild, das die Doku zeichnet. Ein Bundesland im Wirtschaftswachstum. Hier gibt es Ideen und Lust zum Wandel, der sei zwar noch nicht überall zu spüren, aber das wird schon. Das Einzige, was nervt, scheinen die Berliner_innen, die jetzt auch in den schönen Brandenburger Norden ziehen wollen.
Am allerschönsten scheint es in Fredersdorf zu sein: Hier kümmern sich alle umeinander, die jungen Leute wollen bleiben, sind in der Feuerwehr und retten das Freibad, und dann gab es kürzlich auch noch einen Preis vom Bund für besonderes bürgerliches Engagement und attraktives dörfliches Leben. Dass auch hier bei der Europawahl die AfD stärkste Kraft geworden ist, lässt die Doku unerwähnt. Es kommt halt immer darauf an, wie man eine Geschichte erzählen möchte.
Es bleibt wenig
Journalistisch ist an den Beiträgen kaum etwas auszusetzen. Lediglich Schulz’ Verwunderung, dass auch Männer mit freundlichem Lächeln und ruhigem Auftreten Nazis oder am rechten Rand sein können, wirkt naiv. Ansonsten gelingt es der Journalistin trotz großer Widerstände, mit vielen Menschen vor Ort zu sprechen. Dabei kommen wiederholt auch Rechte und Rechtsextreme zu Wort, wie sollte es anders sein. Doch sie bekommen hier keine große Bühne, sondern werden kritisch befragt.
Doch trotz allem bleibt man als Zuschauer_in unbefriedigt zurück. Denn was bleibt? Das ohnehin schon bekannte Bild von AfD-Wähler_innen, die sich im Stich gelassen und abgehängt fühlen. Manchmal hat das berechtigte Gründe (schlechte Infrastruktur oder eine Rente, die nicht reicht), manchmal nicht (Gendern als angeblich größtes Problem unserer Gesellschaft). Immer wieder teilen sie rassistische Ressentiments oder verschwörerische Ansichten mit der Journalistin.
Könnte es besser gehen?
Demgegenüber stehen all diejenigen, die sich mit Veranstaltungen, Vereinen und Festivals gegen die AfD und ihre Anhänger_innen wehren wollen. Sie haben Angst. Angst, dass nach den Wahlen alles noch schlimmer wird und ein Zusammenleben noch schwieriger. Die Frage, wie lange es sich hier überhaupt noch leben lässt, wird immer wieder von verschiedenen Personen aufgeworfen.
Der Pastor aus Großschirma wünscht sich am Ende: „Es würde uns helfen, wenn man nicht von außen auf uns guckt und denkt: Ihr seid verloren.“ Doch nach 30 Minuten Sachsen und Thüringen ist das leider einer der Eindrücke, die hängen bleiben.
Aber wie könnte man es besser machen? Denn auch wenn eine kontinuierliche Berichterstattung gegeben wäre, ist die mediale Aufmerksamkeit vor den Landtagswahlen eben größer. Und nur positive Geschichten von vor Ort zu erzählen – damit ist auch niemandem geholfen.
Vielleicht wäre es gut gewesen, sich nicht nur auf die AfD zu konzentrieren, sondern auch die anderen Parteien stärker in den Blick zu nehmen. Viele der Enttäuschten schreiben der AfD zu, die Partei würde Probleme der Menschen anpacken. Die anderen Parteien, sie sagen meist im rechten Sprech „Altparteien“, würden sie dagegen im Stich lassen. Wie Grüne, SPD, BSW, FDP und CDU da im direkten Gespräch dagegen halten, das hätte interessant werden können.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin