ZDF-Doku über DDR-“Kampfgruppen“: Mit Granatwerfer und Zwillingsflak

Eine Doku untersucht den „Mythos DDR-Kampfgruppen – Klassenkampf nach Feierabend“. Und kann sich erneut die Häme nicht verkneifen.

Vier Männer stehen im Freien nebeneinander vor einem Schützenpanzerwagen und halten eine rote Fahne in der Hand, auf der ein Gewehr abgebildet ist

Ehemalige Angehörige der Kampfgruppen beim Militärverein Torgau vor einem SPW 152 Foto: Andreas Vennewald/ZDF

Hüben die Wehrsportgruppen wie drüben die Kampfgruppen? Im Westen die Alt- und Neonazis (etwa in der berüchtigten, mit dem Attentat aufs Münchner Oktoberfest in Verbindung gebrachten Wehrsportgruppe Hoffmann) und im Osten die paramilitärisch organisierten Linken, in der Tradition des Roten Frontkämpferbundes der KPD, in Weimarer Zeiten zuständig für Straßenschlachten mit der gegnerischen Mannschaft von der SA?

Nein, die Bundesrepublik war und ist, bei allem, was man gegen sie einwenden mag, keine Diktatur. Jene größte Wehrsportgruppe namens Hoffmann, in der maximal 500 Freizeitmilizionäre aktiv gewesen sein sollen, hat sie ­– bei allen möglichen V-Mann-Verstrickungen von Bundesnachrichtendienst und Verfassungsschutz – 1980 verboten. Demgegenüber erfahren wir aus dieser ZDFinfo-Dokumentation von Matthias Hoferichter: „Mit knapp 200.000 Mann haben die Kampfgruppen mehr Personal als die reguläre Armee der DDR.“

Das DDR-Fernsehen tönt: „Die Kumpel als Kämpfer. Zusammen bilden sie ein Bataillon, das die Aufgabe hat, notfalls das Kombinat Schwarze Pumpe mit militärischer Macht gegen jeden Feind zu beschützen.“ Erich Honecker spricht: „Ihr steht für den Schutz der ersten Arbeiter- und Bauernmacht auf deutschem Boden!“ Die Kampfgruppen waren Teil des Staatsapparates – der Staatsdoktrin.

Den erzählerischen Rahmen der Doku bilden die friedlichen Proteste im Jahr 1989: „Die ‚Kampfgruppen der Arbeiterklasse‘ – was werden sie tun in dieser Situation? Ist diese paramilitärische Organisation eher eine harmlose Freizeitarmee? Oder doch ernstzunehmende Parteimiliz, die alle SED-Vorgaben bedenkenlos erfüllt?“ Um das zu erhellen, hat Hoferichter unter anderem mit einem Historiker und mit neun Kampfgruppen-Veteranen gesprochen. Was hat sie motiviert?

Da amüsiert sich der Sprecher aus dem Off

„Mythos DDR-Kampfgruppen – Klassenkampf nach Feierabend“ läuft am So., 24.5. um 20.15 Uhr auf ZDFinfo, und ist bereits ab 10.00 Uhr in der ZDF-Mediathek abrufbar

Nicht allein die politische Überzeugung, sondern auch die Aussicht auf eine Wohnung oder einen Studienplatz, wie von Herbert Pollack und Wolfgang Tonn aus Kampfgruppen aus Schmalkalden und Magdeburg zu hören ist. Heinz-Ulrich Fuhrmann von einer Kampfgruppe aus Brandenburg erinnert sich noch genau an die Bewaffnung: „Wir hatten: 76-mm-Kanonen. 82-mm-rückstoßfreie-Geschütze. 82-mm-Granatwerfer. Und auch 23-mm-Zwillingsflak.“

Anlässlich eines (von den Filmemachern initiierten?) Treffens der Veteranen amüsiert sich der Sprecher aus dem Off: „Rüstige Herren und unverwüstliche Technik.“ Sein Kommentar zum Kampfgruppen-Einsatz beim Mauerbau: „Und bevor die Mauer richtig steht, flüchten einige von ihnen selbst in den Westen.“

Die es nicht tun, nehmen an Manövern der Warschauer Pakt-Staaten teil oder verhindern Kontakte zwischen einheimischen Fans und solchen des FC Bayern München. Dafür sammeln sie Auszeichnungen, wie Wolfram Bleis aus Rathenow: „Nun gabs da natürlich welche, die man gerne nahm und andere, die in die Kategorie Oma-Orden fielen: ohne materiellen Anreiz. Das heißt, wo es also keine Geldprämie gab.“

Sie füllen die Ladeflächen ihrer LKWs auch schon mal mit Festgenommenen: „Und ich wusste von meinem Vater, dass unten im Amtsgericht, in einem Nebenraum, auch Zellen waren“, sagt Marita Boetig, die Tochter eines Kampfgruppenmitglieds, während Christel Bellack, deren Mann bei der Kampfgruppe war, viel lieber an die Wochenendfahrten zurückdenkt, „völlig zivil“ und „lustig am Lagerfeuer“.

Altbacken selbstgerechtes Fernsehen

Und so schließen die Filmemacher ihre Klammer mit der Erkenntnis, dass die Kampfgruppen, so mitgliederstark sie auch waren, den Untergang der DDR nicht verhindern konnten: „Ihr größter Verdienst ist wohl der, meinen Spötter, dass sie im Ernstfall versagten.“

Und wer sich diesen Spott rezitierender Weise zu eigen macht, sollte immerhin wissen, dass es zweierlei Verdienste gibt: den Verdienst und das Verdienst. Eine Bitte, liebe Fernsehleute: So gerne wir von Euch lernen – aber könnt Ihr Euch diesen altbacken arroganten, diesen jovial selbstgerechten Sound nicht mal verkneifen, wann immer es um die DDR geht? Das wäre wirklich nett von Euch.

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