Youtube-Serie „Hazel & Thomas“: Die Kneipe als bedrohter Kulturraum
Die Komikerin Hazel Brugger und ihr Sidekick Thomas Spitzer widmen sich in ihrer Youtube-Serie „Hazel & Thomas“ zwei legendären Bremer Kneipen.
Die Coronakrise mit ihren Social-Distancing-Maßnahmen hat auch ganz normale Kneipen zu einem bedrohten Kulturraum gemacht, und in dieser Not wollen Hazel und Thomas helfen: Es gehe „um Solidarität und darum, aufeinander achtzugeben“, heißt es im mit ironischem Weichzeichner gefilmten Intro der insgesamt 24 Minuten langen Folge; die setzt Regisseur und Kameramann Hubertus Koch zum Teil schwarz-weiß in Szene – „in bester Arthouse-Manier“.
Zu Gast sind die RetterInnen dann in den wohl bekanntesten Kneipen des Bremer Ostertorviertels: dem „Eisen“ und dem „Horner Eck“. Ersteres gibt es seit stolzen 28 Jahren, aber in düstereren Farben beschreibt „Eisen“-Wirt Fernando – „morgens Tango, abends Fernando“ witzelt Hazel Brugger schon beinahe zwanghaft – die Lage: Er gehe davon aus, dass noch bis zum März kommenden Jahres kein normaler Kneipenbetrieb möglich sein wird. Hazel und Thomas verkaufen dann zwar aus dem Fenster der Kneipe heraus Bier und halten Klönschnack mit einigen Stammgästen, aber das ist wohl eher eine Geste als eine wirtschaftlich auch nur entfernt tragfähige Alternative.
Auch das „Horner Eck“ ist eine Traditionskneipe – und vor einiger Zeit Pleite gegangen. Um den Weiterbestand kümmert sich eine Genossenschaft, die den Laden nun in ein Museumsstück umfunktioniert hat.
Traditionskneipe als Museum
Diese Installation stellt Hazel vor: Einzelne Elemente sind durch transparente Schutzplanen gegeneinander abgegrenzt, wodurch Kuckkästen entstanden, vor denen jeweils Hinweisschilder Definitionen und Erklärungen des Gezeigten liefern: „Stammtisch“, steht da etwa, oder “Politrunde“. Auch „Schnäpse“, „Gläser“ „Skatrunde“ und ein „Rendezvoustisch“ werden dargeboten – als wäre all das Teil einer vergangenen Kultur.
Gäste, die ihr Bier trinken – selbstredend unter Einhaltung der Distanzregeln – werden auch zu „Exponaten“. Für den Film versammelte man allerlei Stammgäste, die erzählen, wie wichtig die Kneipe in ihrem Leben war und ist.
Aus der Rolle fällt einzig Ko-Moderator Thomas: Der Nicht-Biertrinker sitzt alleine am „Rendezvoustisch“ und zwingt das Haake-Becks mehr herunter, als dass er es genießt. Wieder ein wenig Comedy in dem mit gutem Auge fotografierten, einfühlsam inszenierten Video, das zumindest in Bremen zum Klassiker werden dürfte. Seit 14. Juni online, hat die Episode bislang mehr als 108.000 Aufrufe.
Das museale „Horner Eck“ ist donnerstag- und freitagabends geöffnet. Gäste müssen sich anmelden – und dann hinter den Schutzplanen betrachten lassen.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!