Xinhua erklärt „chinesische Demokratie“: „Der größte Traum eines Journalisten“

Chinas amtliche Nachrichtenagentur klärt mit Youtube-Videos über ihr vermeintlich demokratisches System auf. In China sind sie nicht abrufbar.

Frauen in roter Uniform reihen sich nebeneinander auf

Bus-Platzanweiseinnen posieren für ein Gruppenfoto vor der Eröffnung des Volkskongresses Foto: ap

PEKING taz | Wollten Sie schon immer mal wissen, wie Chinas Demokratie funktioniert? Wie? China und Demokratie? Ist das nicht ein Widerspruch? Schließlich wird China seit 70 Jahren allein von einer kleinen Elite der Kommunistischen Partei regiert.

Chinas amtliche Nachrichtenagentur Xinhua, das offizielle Verlautbarungsorgan der kommunistischen Führung, klärt Sie anlässlich der Plenarsitzung des Nationalen Volkskongresses mit zwei Videos auf Youtube auf. Dabei ist Youtube in China wegen der Zensur gar nicht abrufbar.

Beim Volkskongress handelt es sich um Chinas Parlament, dessen fast 3.000 Delegierte aus allen Landesteilen einmal im Jahr in der Großen Halle des Volkes im Zentrum Pekings zusammenkommen. Diese zweiwöchige Plenarsitzung steht im Ruf, bloß ein Jubelgremium zu sein, das bloß abnickt, was ihnen die Führung vorgibt. Zumindest liegt die Zustimmungsquote stets bei um die 98 Prozent.

Doch wer könnte das besser beurteilen als englische Muttersprachler aus den USA und Großbritannien, den beiden Mutterländern der modernen Demokratie?

Gut informiert

Colin Linneweber, ehemaliger Sport-Redakteur des US-Senders CBS Online, arbeitet inzwischen in Peking für Xinhua und erklärt Chinas Demokratie aus „den Augen eines Amerikaners“. Für ihn ist Chinas Erfolg sogar auf das demokratische System zurückzuführen. In seinem Erklärstück lässt er unter anderem den einstigen Basketball-Star Yao Ming zu Wort kommen, inzwischen Delegierter des Volkskongresses. Er hatte sich mal an der Bürokratie der chinesischen Sport-Behörden gestört. Er habe die Zulassung von Organisationen vorgeschlagen, die miteinander im Wettbewerb stehen. Die Regierung habe seinen Vorschlag aufgegriffen. Nun soll Chinas Sportindustrie bis 2025 rund 800 Milliarden US-Dollar umsetzen.

Oder die Wanderarbeiterin Zhang, die 2017 vorschlug für sämtliche Wanderarbeiterinnen und Wanderarbeiter ein Arbeitslosengeld einzuführen. Diesen Vorschlag setzte die chinesische Führung sogar noch im selben Jahr um. Nur: Diesen Beschluss gibt es schon seit fast einem Jahrzehnt, hat die Führung jedoch erst 2017 umgesetzt. Umso ehrenwerter, dass nun der Wanderarbeiterin Zhang die Lorbeeren für diesen Beschluss erntet. US-Bürger Linneweber zitiert Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping, der sich erst im letzten Jahr vom Volkskongress zum Alleinherrscher auf Lebenszeit legitimieren ließ: „Demokratie ist keine Deko, sondern dient dazu, Probleme zu lösen.“

Und dann sind in einem zweiten Video die beiden Britinnen Katie Capstick und Roisin Timmins zu sehen, ebenfalls beide Mitarbeiterinnen bei Xinhua. Sie nehmen an einem Frage-und Antwort-Spiel zum Volkskongress teil und scheinen gut informiert zu sein über die technologischen Erfolge Chinas der letzten Jahre, sei es die Landung einer chinesischen Sonde auf der dunklen Mondseite, oder der Entwicklung des weltgrößten Radioteleskops in der Provinz Guizhou. Nur bei einer Frage, versagen beide: Wie heißt Chinas eigen entwickeltes Satellitennavigationssystem? Nicht Shenzhou, so heißen Chinas Raumschiffe, sondern Beidou.

Dass sie das nicht wussten, wird ihnen mit der Antwort verziehen, dass „der größte Traum eines Journalisten“ für sie die Teilnahme an der Pressekonferenz zum Abschluss des Volkskongresses ist. Sie wollen in den nächsten beiden Wochen noch mit weiteren Videos von sich sehen lassen.

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