Xi trifft Konzernchefs: Wirtschaftsgipfel mit chinesischen Eigenschaften
Jahrelang waren sich Chinas Regierung und die Großunternehmer des Landes nicht grün. Warum sucht der Staatspräsident nun die Nähe zur Wirtschaft?
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Am Montagmorgen hat sich Xi Jinping erstmals seit mehreren Jahren wieder mit den führenden Unternehmern des Landes getroffen. In einer Volkswirtschaft, deren Spielregeln vornehmlich von der kommunistischen Parteiführung vorgegeben werden, ist eine solche Veranstaltung von höchster Bedeutung. Dementsprechend wurde das seit Tagen kolportierte Symposium von Investoren innig herbeigesehnt. Denn die naheliegende Botschaft lautet, dass die chinesische Regierung endlich ein demonstratives Zeichen setzen möchte, um das angeschlagene Vertrauen zur Privatwirtschaft zu stärken.
Tatsächlich hat China ökonomisch seit der Pandemie nicht mehr zu alter Stärke zurückgefunden. Die rigide „Null Covid“-Politik hat bei internationalen Konzernen viel Porzellan zerbrochen, die Rückkehr der Parteiideologie in alle Lebensbereiche der Chinesen tat ihr Übriges. Die Auslandsinvestitionen sind während der letzten Jahre eingebrochen, die Jugendarbeitslosigkeit stark gestiegen.
Doch mit dem spektakulären Erfolg des chinesischen Chatbots DeepSeek hat das Land derzeit wirtschaftlichen Rückenwind. Das Start-up aus Hangzhou hat demonstriert, dass es – trotz US-Sanktionen – mit nur einem kleinen Bruchteil der finanziellen Ressourcen mit den Platzhirschen aus dem Silicon Valley mithalten kann. Die Aktienkurse chinesischer Internetfirmen, die lange Zeit als nicht investierbar galten, zogen zuletzt deutlich an. Möglicherweise nutzt Xi Jinping nun die Gunst der Stunde, um seine Zuversicht in die heimischen Privatunternehmen zu demonstrieren. Oder vielleicht doch nicht?
Geheime Geheimnistuerei
Tatsächlich haben die chinesischen Staatsmedien bis Redaktionsschluss nur ein paar wenige Informationspuzzleteile des Wirtschaftsgipfels durchsickern lassen. In einer fünfzeiligen Aussendung der Nachrichtenagentur Xinhua hieß es lediglich, dass Xi Jinping eine „wichtige Rede“ gehalten habe – doch worum es dabei ging, bleibt weiter verborgen. Später folgten ein paar Pressefotos des Forums, gepaart mit einem 45-sekündigen Videoclip für die sozialen Medien. Was darauf zu sehen war, wirkte in seiner „nordkoreanischen“ Bildästhetik ziemlich befremdlich: Unterwürfig klatschten die Unternehmer im Gleichtakt, während Xi Jinping als übermächtiger Kaiser in den Saal einmarschierte. Später machten sie eifrig Notizen.
All dies lässt auch eine zweite Lesart zu: Dass es Xi Jinping vielleicht nicht vornehmlich darum geht, die Privatwirtschaft zu stärken. Sondern dass er vor allem sicherstellen möchte, dass sich die führenden Unternehmen des Landes den nationalen Interessen unterordnen.
Jack Ma wieder dabei
Jack Ma, der erstmals seit über vier Jahren wieder bei einem solch offiziellen Treffen zu sehen war, ist dafür das beste Beispiel. Als reichster Mann des Landes verkörperte er einst mit seinem E-Commerce-Imperium Alibaba den chinesischen Traum. Doch als er es wagte, im Oktober 2020 bei einer Rede die „Pfandleihhaus-Mentalität“ der Bankenbehörden zu kritisieren, wurde er nach dieser Provokation von der Parteiführung in die Schranken verwiesen: Die gesamte Tech-Branche wurde im Zuge einer beispiellosen Regulierungswelle regelrecht dezimiert, Jack Ma verschwand monatelang von der Bildfläche. In den kommenden Jahren wurde er – wenn überhaupt – im Ausland gesichtet.
Während Xi Jinping die privaten Tech-Firmen geschwächt hat, baute er gleichzeitig die Macht der bürokratischen, aber loyalen Staatsbetriebe systematisch aus. Doch der Erfolg von DeepSeek hat wieder einmal gezeigt: Die unternehmerischen Innovationen gehen vor allem von der Privatwirtschaft aus. Sie verfügt über eine höhere Produktivität und generiert ebenfalls überproportional viele Arbeitsplätze.
Dies wäre wohl die offensichtliche Botschaft an Xi Jinping. Doch ob es einer der Unternehmer am Montag wagte, das offen auszusprechen, ist fraglich.
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