Wunder Parking gegen Wunderflats: Wundersame Geschäftemacherei
Zwei Aktionskünstler besetzen Parkraum und machen ihn zu Profit. Sie persiflieren einen skrupellosen Profiteur der Wohnungskrise.
Berlin taz | Wir nehmen uns Raum, der uns nicht gehört, vermieten ihn und schlagen daraus Kapital.“ Jakob Wirth, Typ Sonnyboy mit buntem Hemd und Sonnenbrille in den Haaren, sagt diesen Satz ohne jede Scham, dafür mit einem verschmitzten Lächeln im Gesicht. Raum besetzen er und sein Kollege Alexander Zakharov, der seinen echten Namen nicht in der Zeitung lesen will, schon die ganze Woche, mit einer zusammensteckbaren Holzplattform in Größe eines SUVs.
Am Mittwoch sind die beiden Aktionskünstler mit dieser vom Mariannenplatz auf einen Parkplatz am Neuköllner Herrfurthplatz umgezogen. Dort steht das Podest nun eingekeilt zwischen zwei Autos. Es gibt Sitzbänke und einen Tisch, Croissants und Kaffee.
Für Interessierte ist der modulare Freiluftraum noch bis einschließlich Freitag mietbar. Für fünf Euro darf man auf der Parkplatz-Plattform Kaffee trinken, Spiele spielen oder dinieren. In der Nacht auf Donnerstag ist sie gar an eine Person vermietet, die hier schlafen will. Die Holzpaletten können dafür gedreht werden; dann ploppt eine Matratze auf.
Das Prinzip der Unternehmung, etwas anzubieten „was quasi niemand möchte“, aber damit Geld zu machen, mussten sich die beiden Künstler nicht ausdenken, sie haben es adaptiert.
Empfohlener externer Inhalt
Profit mit Wohnungskrise
Vorbild für ihr Projekt ist das Berliner Start-up Wunderflats. Dessen Geschäftsmodell besteht aus einer befristeten Vermietung von möblierten Wohnungen zu Preisen von 25 bis 40 Euro pro Quadratmeter, wie Zakharov sagt.
Wunderflats, das bis zu 1.000 Wohnungen in Berlin vermietet, die ihnen ebenso wenig gehören wie den Künstlern die Parkflächen, nutze die „Regelungslücke“ bei möbliertem und befristetem Wohnen aus – und umgehe so die Mietpreisbremse. Wohnungen mit Ikea-Mobiliar zu Mondpreisen ist der „neue Megatrend“, so Zakharov. Dabei zeigten Studien, dass die überwiegende Mehrheit nur aus Mangel an Alternativen in diese Wohnungen zieht.
Es sei eine „perverse Logik“, wie Start-ups aus der Krise des Wohnungsmarktes Profit schlagen und das auch noch als weltverbessernde Idee anpreisen, heißt es in einer Mitteilung zur Aktion, die sich Wunder Parking nennt. Für Passant:innen, die förmlich angezogen werden, geht es vor allem um diesen offensichtlichen Aspekt: die Rückeroberung von Auto-Raum.
Quittiert wird dieses mit Dank und Lachen oder aber auch mit einem Vortrag über das „falsche Narrativ des Klimawandels“, wie an diesem Mittag von einer älteren Anwohnerin. Wirth wirkt unbeeindruckt, strahlt die Ruhe eines professionellen Unruhestifters aus. Die Start-up-Adaption soll verwirren, Menschen im Unklaren lassen. Das Ziel: Raus aus Aktivist:innenblasen, rein in Start-up-Magazine.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja