Wowereits Flughafen-Desaster: Kein Königsmörder in Sicht
Längst gäbe es Gründe genug, um den Rücktritt von Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit zu fordern. Doch nichts geschieht.

BERLIN taz | Der Grünen-Politiker Anton Hofreiter findet klare Worte. „Klaus Wowereit ist mit seiner Position als Aufsichtratschef der Flughafengesellschaft überfordert“, sagte der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Bundestag am Dienstag der taz. Wowereit solle sein Amt niederlegen, er sei dafür offensichtlich nicht geeignet. Doch ein Rücktritt auch als Regierender Bürgermeister? Das will nicht mal der Grüne fordern.
Die Blamage ist riesig, die Kostenschätzungen werden Woche für Woche nach oben korrigiert: Klaus Wowereit (SPD), der für Berlin die Devise ausgab, zu „sparen, bis es quietscht“, mutet den Steuerzahlern zusätzliche Ausgaben in voraussichtlich dreistelliger Millionenhöhe zu.
Die verpatzte Eröffnung des Flughafens bietet längst genug Stoff, um ihn auch als Bürgermeister in Bedrängnis zu bringen.
Doch Rücktrittsforderungen gibt es nicht. Dass sich die Linken bedeckt halten, liegt auf der Hand: Sie waren bis zur Wahl im vergangenen Herbst selbst mit ihrem Wirtschaftssenator Harald Wolf im Aufsichtsrat vertreten.
Auch den Grünen fehlt der Biss
Doch auch die Grünen agieren zahm. „Die erneute Verschiebung ist eine schlechte Nachricht für den Steuerzahler“, ließ die Fraktionsvorsitzende Ramona Pop am Dienstag verlauten – keine Silbe zu Wowereit.
Der Hauptgrund, warum das Wort „Misstrauensantrag“ in der Flughafen-Debatte bislang überhaupt nicht vorkommt, liegt bei der SPD: In der Partei müsste Wowereit den Rückhalt verlieren, erst dann hätten Rücktrittsforderungen Aussicht auf Erfolg. Wowereit ist zwar in den Umfragen abgerutscht, doch es gibt in der Partei keinen, der als Nachfolger infrage käme.
Wowereit bleibt die Eins
So rückt die noch vor wenigen Wochen zerstrittene Partei offiziell zusammen. Selbst Wowereits innerparteiliche Kontrahenten nehmen ihn derzeit in Schutz. „Klaus Wowereit ist und bleibt die Nummer eins der Berliner SPD“, sagte kürzlich der Fraktionschef Raed Saleh im taz-Interview.
Und der neue Landeschef Jan Stöß bezeichnete ihn gar als „Star“ und „Zugpferd“ der SPD. Da die nächste Abgeordnetenhauswahl erst 2016 ansteht, warten die Genossen ab. Wenn die Flugzeuge erst einmal fliegen, so die Hoffnung, wird sich die Aufregung schon legen.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Der Jahrestag der Ukraine-Invasion
Warum Russland verlieren wird
Nach der Bundestagswahl
Jetzt kommt es auf den Kanzler an
Sieger des rassistischen Wahlkampfes
Rechte Parolen wirken – für die AfD
Wahlsieg der Union
Kann Merz auch Antifa?
Alles zur Bundestagswahl
Oma gegen rechts hat Opa gegen links noch nicht gratuliert
Wahlniederlage von Olaf Scholz
Kein sozialdemokratisches Wunder