piwik no script img

Worldcup auf SyltWindsurfen in der Flaute

Steffi Wahl ging trotzdem ins Wasser. Die 38-Jährige will ihre Karriere möglichst lange fortsetzen, auch wenn sie statt im Hotel im Bus schlafen muss.

Geht auch bei wenig Wind ins Wasser: Surferin Steffi Wahl. Foto: Thomas Burblies, Moritz Beck/ mediahouse one

SYLT taz | Rasante Ritte über die Wellen, waghalsige Sprünge in der Brandung, meterhohe Drehungen mit dem Board in der Luft und aufspritzende Gischt – das sind die Bilder, die vom Windsurfen gemeinhin transportiert werden. Hier und heute Nachmittag in Westerland auf Sylt beim Windsurf Worldcup stellt sich die Situation allerdings ein klein wenig anders dar. Am Brandenburger Strand liegen Dutzende grellbunter Surfboards nebeneinander im Sand – griffbereit für die Athleten, falls der Wind doch noch mal aufrauen sollte. Windsurfen ist nicht nur Action, das ist auch ganz oft, vor allem auf Sylt, zähes Warten.

Und so sitzt der Großteil der Athleten aus aller Welt wenige Schritte entfernt im Kopfbereich eines riesigen Partyzeltes, das die Organisatoren auf der Westerländer Promenade für den zehntägigen Wettbewerb aufgebaut haben. „Sailors Club“ heißt diese kleine, schmucklose Nische, die nur Surfern zugänglich ist. Zum Glück für sie ist dieser Bereich weit genug entfernt von den Frittierfett-Dunstwolken eines Fischgastronoms, die vom anderen Ende kommend durch das Zelt wabern.

Im Sailors Club ist ein Flachbildfernseher an der Zeltwand angebracht. Nur eine Bildeinstellung ist darauf zu sehen. Sie zeigt die Surfbretter im Sand, die Nordsee und die Fahnen der Sponsoren, die vom Wind zwar ganz ordentlich bewegt werden, dies allerdings nicht in der notwendigen Stärke. Sie müssten knattern, damit heute noch der Slalom stattfinden könnte. Auf dem Bildschirm des Fernsehers aber steht ein Schriftzug, der sich nur marginal verändert. „Next possible start at 13.20“ – danach 14, 14.30 und so weiter. Die Sportlerinnen und Sportler sitzen auf Bierbänken an den Tischen, quatschen oder spielen Tischkicker.

Die Kielerin Steffi Wahl ist nur selten im Sailors Club zu Gast. Das sei nicht so ihre Sache, auf engem Raum mit den anderen zu hocken – auch wenn sie mit den meisten Surferinnen und Surfern gut zurechtkomme. Aber sie versuche lieber, die Zeit sinnvoll zu nutzen. Am besten sei es, mit dem Board aufs Wasser zu gehen, selbst wenn der Wind nur wenig zulasse.

Die 38-Jährige gilt nicht nur seit einiger Zeit als beste deutsche Windsurferin in der Disziplin Wellenreiten. Es gelingt ihr bei Weltcups auch immer wieder, in die Nähe des Podiums zu gelangen oder aufs Treppchen zu springen. Vor Teneriffa schlug sie unter anderem die elfmalige Weltmeisterin Daida Moreno aus Spanien und wurde Dritte. Auf Sylt belegte sie in ihrer Disziplin den fünften Rang.

„Ich bin mit dem Ergebnis nicht so zufrieden“, sagt die Norddeutsche, die als Teilzeitprofi in der Elite weit nach oben gekommen ist. Sie hat sich mit einer Internetfirma selbstständig gemacht. Die Prämien bei den Windsurf-Veranstaltungen sind für sie ein Zubrot, sie decken die Kosten für die Reisen ab. Sie schläft nicht im Hotel, sondern im Bus. Der aber habe eine Standheizung, sagt Wahl und lächelt.

So nervig machmal das Warten auf den Wettkampf sei, sie wolle noch so lange wie möglich bei den Weltcups dabei sein. Sylt ist für Wahl eine ganz besondere Station. Hier war sie 1998, kurz nachdem sie von Ravensburg nach Kiel umgezogen war, erstmals am Start. „Sie brauchten damals ein paar Mädels, um den Wettbewerb aufzufüllen. Ich bin im Wettbewerb völligst abgesoffen“, erinnert sich Wahl.

Die Surferin Steffi Wahl ist nur Teilzeit-Profi. Nebenbei betreibt sie eine Internetfirma

Die 38-Jährige hat neben dem Sport noch andere Interessen: Ein Wunsch von ihr wäre, eine Woche lang die Bundespolitik unmittelbar zu erleben, um zu erkennen, was alles zum Beruf eines Abgeordneten dazugehört. „Es wird mir einfach zu viel über die Politiker in Berlin gemeckert. Ich glaube, viele – nicht alle – opfern sehr viel Zeit. Und die brauchen ein dickes Fell.“ Gedankenspiele während der Wartezeit in Westerland.

Der Kieler Vincent Langer hält sich derweil dort auf, wo die Surfbretter im Sand liegen. In zehn Minuten soll der nächste Startversuch unternommen werden. Zwei Tage zuvor hatte der 29-Jährige in der zweiten Tages-Wettfahrt im Slalom einen beeindruckenden zweiten Platz errungen. „Das ist unglaublich, ich bin total happy darüber“, sagt er. Den Weltcup auf Sylt mag Langer, auch wenn er dem Trubel auf der Promenade aus dem Weg geht. „Ich bin da eher der sture Norddeutsche, der lieber die Ruhe hat und für sich ist, anstatt im Sailors Club zu sitzen.“

Am Weltcup auf Sylt gefalle ihm besonders, dass sich hier sehr viele Besucher wirklich für die Wettbewerbe auf dem Wasser interessierten, sagt Langer und hält dann kurz inne. Die nächste Durchsage kommt. Der Start wurde erneut verschoben, um eine weitere halbe Stunde. Der Kieler nickt, dann sagt er: „Das wird heut’nix mehr.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!