Wolfgang Thierse über Linke & Stasi: "Rot-Rot ist kein Fehler"
Erst ihre Regierungsbeteiligung zwinge die Linke dazu, sich mit ihrere DDR-Vergangenheit zu beschäftigen, sagt SPD-Vorstands-Mitglied Wolfgang Thierse.
taz: Herr Thierse, war Rot-Rot in Brandenburg ein Fehler?
Wolfgang Thierse: Nein. Es gab und gibt vernünftige Gründe für diese Koalition. Sie ist eine Probe aufs Exempel für die Regierungsfähigkeit der Linkspartei. Und die bemisst sich nach zwei Kriterien: Ist die Partei in der Lage, auch in einer finanziell schwierigen Situation, realistisch und pragmatisch Politik zu machen? Und: Ist sie in der Lage, endlich ehrlich und schonungslos mit ihrer Geschichte umzugehen?
Matthias Platzeck hat Rot-Rot zu einem Versöhnungsprojekt stilisiert. War diese Überhöhung falsch?
Ja, ich fand diese Überhöhung nicht notwendig. Es gibt die genannten zwei pragmatischen Gründe für diese Koalition. Die reichen aus. Interessant ist, dass die Linkspartei erst durch ihren Eintritt in die Regierung gezwungen ist, sich endlich mit ihrer Vergangenheit zu beschäftigen. Würde Schwarz-Rot regieren, gäbe es die Debatte nicht. Dann könnte sich die Linke wie bisher an ihrer Vergangenheit vorbeischwindeln.
Also eine Katharsis?
Nein, die gibt es nur im Theater.
Wo muss die SPD die Reißleine ziehen? Bei noch einem, noch zwei unentdeckten Inoffiziellen Mitarbeitern?
Das ist nicht die Frage. Jetzt geht es um die Überprüfung aller Landtagsabgeordneten und die Konsequenzen daraus. Dabei muss man die einzelnen Fälle genau betrachten. Es ist ein Unterschied, ob einer sich, wie der Abgeordnete Michael Egidius Luthardt, mit 18 Jahren für das Wachregiment "Feliks Dzierzynski" verpflichtet hat oder ob einer andere jahrelang bespitzelt hat. INTERVIEW: SR
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