Wohnungspolitik in Deutschland: Ungebremst in den Mietwucher

Zum Jahrestag der Mietpreisbremse hagelt es Kritik von Ökonomen und der Opposition. Minister Maas denkt über Verschärfungen nach.

Vorderansicht eines Mehrfamilienhauses mit grauen Balkonen und einem Schild „Vermieten“

Was darf's denn kosten? Mietwohnungen sind begehrt und immer noch teuer Foto: dpa

Berlin taz | Die Mietpreisbremse wirkt nicht. Zu diesem Ergebnis kommt zumindest das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in einer aktuellen Studie, in der es Mieten, Wohnungspreise und Bautätigkeiten in Bezirken mit und ohne Mietpreisbremse vergleicht. Am 1. Juni 2015 war das Gesetz in Kraft getreten, um die Mietsteigerungen in angespannten Wohnungsmärkten zu verlangsamen. Das DIW kommt jedoch zu dem Schluss, dass gerade das Gegenteil eingetreten sei und die Mieten vielerorts kurz vor Einführung des Gesetztes nochmals angehoben wurden.

In den letzten 12 Monaten haben 308 Gemeinden in 11 Bundesländern von dem Bundesgesetz Gebrauch gemacht und die Mietpreisbremse angewendet. Sie legt fest, dass die Höhe der Neuvertragsmieten um maximal 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen darf. „Es gibt aber Möglichkeiten, sich nicht an die Vorgaben der Mietpreisbremse zu halten“, sagte DIW-Ökonom Claus Michelsen bei der Präsentation der Studie am Mittwoch. Er schätzt, dass die Mieten unmittelbar vor Inkrafttreten des Gesetzes noch einmal um 1 Prozent gestiegen sind – zusätzlich zu den gewöhnlichen Preissteigerungen, die regional variieren.

Der Gesetzestext macht für die Kontrolle der Mietsteigungen nicht die örtlichen Behörden, sondern die Mieter verantwortlich. Diese müssten sich im Zweifel bei ihrem Vermieter beschweren. „Von der Möglichkeit einer Rüge scheinen aber nur wenige Gebrauch zu machen“, sagt Michelsen. Neben diffusen Mietspiegeln und mangelnder Transparenz kritisiert er noch ein praktisches Problem: „Es ist eher unwahrscheinlich, dass man sich als Bewerber schon vor Einzug beim Vermieter beschwert.“ Rückzahlen muss der Vermieter dann jedoch nicht seit Mietvertragsschluss, sondern erst ab dem Zeitpunkt der Rüge.

Überhaupt kritisieren die Ökonomen den Mangel an Folgen im Fall einer Missachtung der Mietpreisbremse. „Die Sanktionen sind zu lax“, sagt Michelsen. Zwar drohen Vermietern laut Gesetz Bußgelder und sogar Freiheitsstrafen, aber in der Realität erkenne man davon nichts. So habe es im letzten Jahr lediglich 17 Strafrechtsprozesse wegen Mietwucher und fünf Verurteilungen gegeben.

Schwache Sanktionen

Von einer „verheerenden Bilanz“ spricht deshalb der Grünen-Sprecher für Bau- und Wohnungspolitik im Bundestag, Christian Kühn. „Es darf nicht sein, dass Mieterinnen und Mieter selbst für die Einhaltung der Mietpreisbremse sorgen müssen“, so Kühn. Er verweist auf Berlin, wo die Mieten mehr als 31 Prozent über der zulässigen Grenze lägen.

Claus Michelsen, DIW

„Es gibt Möglichkeiten, sich nicht an die Bremse zu halten“

Auch Caren Lay, Bauexpertin der Linken, kritisiert das Gesetz und fordert Nachbesserungen: „Wenn Mieterinnen und Mieter wirklich von dem Gesetz profitieren sollen, muss die gesamte Mietpreisbremse auf denPrüfstand. Sie muss flächendeckend und auf Basis eines qualifizierten Mietspiegels gelten.“

Anders bewertete der verantwortliche Justizminister Heiko Maas die Studie. In der ARD sagte er: „Ich finde es ein bisschen früh, wenn ein Gesetz, das einen Paradigmenwechsel darstellt, nach einem Jahr oder ein paar Monaten für gescheitert erklärt wird.“

Allerdings räumte der SPD-Minister ein, dass die Mietpreisbremse offensichtlich nicht von allen Mietern genutzt werde und sich nicht alle Vermieter an das Gesetz halten würden. „Das kann man nur auflösen, wenn man dem Vermieter eine Pflicht auferlegt, dass die Vormiete bereits vor Abschluss des Mietvertrags gegenüber dem Bewerber offengelegt wird.“ Darüber denke man nach, aber man könne das in einer Koalition nicht allein beschließen.

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