Senat endlich auf Empfang

VOLKSBEGEHREN SPD und Mieteninitiative handeln einen Kompromiss aus. Stimmt die Basis der Initiative zu, ist der von der SPD gefürchtete Volksentscheid parallel zur Abgeordnetenhauswahl 2016 vom Tisch

Mietsubventionen, mehr landeseigene Wohnungen für Geringverdiener: Ob die Bewohner dieses Hauses davon profitieren? Foto: imago

von Stefan Alberti

Mietsubventionen für mindestens 20.000 Sozialmieter und mehr landeseigene Wohnungen, von denen jede zweite frei werdende für Geringverdiener reserviert sein soll. Das sind Kernpunkte einer Vereinbarung, die am Mittwoch SPD und die hinter dem Mieten-Volksbegehren stehende Initiative als Kompromiss vorstellten. Bis Anfang November soll daraus ein Gesetz werden. Falls die Basis der Initiative dem zustimmt, ist damit der für 2016 angestrebte Volksentscheid vom Tisch.

Nach der Einigung mit der Initiative arbeitet die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung nun einen Gesetzentwurf aus. Den soll der Senat voraussichtlich noch im September beschließen.

Danach geht der Entwurf ins Abgeordnetenhaus. Ab Ende September sollen die Parlamentarier über das Gesetz beraten. Beschlossen werden könnten die Regelungen dort frühestens Mitte November.

Läuft alles nach Plan, treten sie im Januar 2016 in Kraft. (all)

50.000 Unterstützerunterschriften hatte die Initiative im Frühjahr gesammelt, davon 40.000 gültige, doppelt so viel wie notwendig sind, um die zweite Stufe des dreistufigen Wegs zum erfolgreichen Volksentscheid zu erreichen. Der hätte parallel zur Abgeordnetenhauswahl angestanden. Vielen in der SPD, die sich als Mieterpartei versteht, gruselte es bei dem Gedanken, manche befürchteten massive Stimmenverluste. Zwar hatte die Senatsverwaltung für Inneres noch nicht entschieden, ob sie das Volksbegehren überhaupt für zulässig erklärt. Doch hätte auch eine Ablehnung, auch wenn sie vom Verfassungsgericht bestätigt worden wäre, die Senatsparteien als Blockierer des Volkswillens erscheinen lassen.

Nach der jetzigen Verabredung müssen Mieter einer Sozialwohnung mit einem Haushaltsnettoeinkommen unter 1.400 Euro künftig nicht mehr als 30 Prozent ihres Einkommens für die Miete aufwenden, in Einzelfällen noch weniger. Was darüber hinausgeht, übernimmt das Land. Außerdem soll gesetzlich festgelegt sein, dass gut jede zweite frei werdende landeseigene Wohnung an Niedrigverdiener mit einem Wohnberechtigungsschein geht. Jede zehnte soll ausdrücklich für Obdachlose oder Flüchtlinge reserviert sein.

Insgesamt hundert Stunden wollen Vertreter von Senat, SPD-Fraktion und der Ini­tiative verhandelt haben. Torsten Schneider, als parlamentarischer Geschäftsführer dabei, bemühte sich schier um Mythenbildung, als er mehrfach von den Schlussverhandlungen am vergangenen Freitag bei 37 Grad, „in kurzen Hosen“ erzählte. Beide Seiten stellten den Kompromiss zwar am gleichen Ort dar, im Raum 304 des Abgeordnetenhauses, aber nicht bei einer gemeinsamen, sondern bei zwei aufeinanderfolgenden Pressekonferenzen. Schneider und auch Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel mühten sich dabei, die nötigen Ausgaben von 1,4 Milliarden Euro in den nächsten fünf Jahren nicht als Mehrbelastung darzustellen.

„Engagement für die Stadt zahlt sich aus“

Raed Saleh, SPD-Fraktionschef

Laut Schneider muss der Haushaltsentwurf für 2016/17, den das Parlament nach den Ferien diskutiert, nur um 3,5 Millionen nachgebessert werden. Auf Grundlage des aktuellen Landeshaushalts wäre die Einigung allerdings nicht möglich gewesen, gestand er zu – was nahe legte, dass die Koalition unter dem Druck der Unterschriftensammlung bereits reagierte. SPD-Fraktionschef Raed Saleh sagte zudem: „Vielen Dank für diese Initiative, Engagement für die Stadt zahlt sich aus.“

Die Mieten in den Sozialwohnungen sollen gekappt werden: Wer über 30 Prozent des Nettoeinkommens für die Miete aufbringen muss, soll den Rest vom Land bezahlt bekommen. MieterInnen mit sehr hohen Betriebskosten sollen bereits ab einer Miete von 24 Prozent des Einkommens unterstützt werden.

Damit die landeseigenen Wohnungsunternehmen mehr Wohnungen ankaufen können, wird ihr Eigenkapital in fünf Jahren um 300 Millionen Euro erhöht. Gewinne sollen nicht mehr in den Landeshaushalt abgeführt werden, sondern in den Unternehmen verbleiben. Die Mieter sollen stärker mitreden: Sie erhalten je einen Sitz in den Aufsichtsräten.

Eine neue Anstalt des öffentlichen Rechts soll politische Leitlinien für die Wohnungsbaugesellschaften formulieren und beispielsweise den Verkauf von Landesbeteiligungen per Vetorecht verhindern können. (all)

Die Initiative hatte zudem verlangt, alle sechs landeseigenen Wohnbaugesellschaften in sogenannte Anstalten öffentlichen Rechts umzuwandeln, was mehr Kontrolle und größere Bindung an das Land sichern sollte. Aus Senatssicht hätte diese Umstrukturierung Arbeitnehmerrechte geschwächt und dazu geführt, dass die Unternehmen mit sich selbst beschäftigt wären, statt sich auf den dringend nötigen Wohnungsneubau zu konzentrieren. Neu ist allein eine neue Gesellschaft, die Leitlinien festlegen und ein Vetorecht bei beabsichtigten Verkäufen haben soll. Besetzt wird dieses Gremium allerdings vom Senat.

Die CDU war an den Verhandlungen nicht beteiligt und sprach von einer „gelungen Aufgabenteilung in der Koalition“. Fraktionschef Florian Graf nannte den Kompromiss „gut, wirkungsvoll und finanzierbar“. Aus der Opposition gab es großes Lob für die Initiative. „Sie hat den Senat nach jahrelanger Ignoranz zum Umdenken gebracht“, sagte Grünen-Frak­tionschefin Antje Kapek. Auch Unternehmerverbände, Wohnungsunternehmen, der DGB und der Mieterverein begrüßten den Kompromiss.