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Wohnungsbautag in BerlinWo bleibt die Gemeinnützigkeit?

Jasmin Kalarickal
Kommentar von Jasmin Kalarickal

Weniger Vorschriften und Bauen im Bestand sind richtige Maßnahmen. Aber um die Wohnungskrise nachhaltig zu lösen, braucht es einen Systemwechsel.

Es gibt beschämend wenig barrierefreie Wohnungen Foto: Soeren Stache/dpa

W eniger Zuckerguss fördern, sondern bezahlbares Schwarzbrot – das will das Verbändebündnis Wohnungsbau. Gemeint ist: die Baustandards senken, weniger Keller, weniger Aufzüge, weniger Schallschutz. An knackigen Zitaten fehlte es nicht zum Wohnungsbautag am Donnerstag, dafür aber an Selbstreflexion.

Natürlich stimmt es: Die Herausforderungen sind gewaltig. Die Bauzinsen sind gestiegen, die Materialkosten auch, es fehlen Fachkräfte, die auch keine Wohnungen mehr finden; die Baugenehmigungen brechen ein. Gleichzeitig brauchen wir mehr Wohnungen. Dieses Dilemma lässt sich nur schwer auflösen.

Dass nun mehr staatliches Fördergeld gefordert wird, ist wenig überraschend. Und es ist schon was dran, wenn der Mieterbund-Präsident anmahnt, dass die Bundesregierung die Wohnungsnot genauso wichtig nehmen sollte wie das Thema Verteidigung – auch finanziell. Doch wichtig ist ja nicht nur, dass gebaut wird, sondern auch, was gebaut wird.

Lange Zeit hat die Branche, die jetzt laut klagt, mit niedrigen Zinsen in Goldgräberstimmung am Bedarf der Menschen vorbei gebaut. Sie hat die Wohnungsnot damit selbst mit angefeuert. Das Ergebnis lässt sich nahezu in jeder Stadt besichtigen: Große Bürokomplexe und Luxuswohnungen mit Wasserblick für die Wohlhabenden dieser Welt. Die Zahl der Sozialwohnungen ist dagegen weiter im Sinkflug. Und: Es gibt beschämend wenig barrierefreie Wohnungen in einer alternden Gesellschaft.

Es ist richtig, alle Bauvorschriften mal auf Sinnhaftigkeit abzuklopfen. Nur an Inklusion und Klimaschutz sollte nicht gespart werden. Bauen im Bestand, mit Aufstockung oder durch Umwidmung von Büroflächen, ist ein Schlüssel. Doch es bedarf auch eines Richtungswechsels: Gebraucht wird eine gemeinwohlorientierte Politik, die Akteure unterstützt, die Wohnen nicht als Finanzanlage, sondern auch als Versorgungsauftrag verstehen. Die neue Wohngemeinnützigkeit lässt leider immer noch auf sich warten.

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Jasmin Kalarickal
Redakteurin
Jahrgang 1984, ist Redakteurin im Parlamentsbüro der taz.
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5 Kommentare

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  • Bauvorschriften und Kosten, Beispiele:



    In meiner Kindheit gingen in allen Häusern, die ich kannte, die Türen zur Kellertreppe "nach unten", Richtung Treppe, auf. Das ist nicht mehr zulässig, sie müssen "nach oben" aufgehen, aus Sicherheitsgründen (anscheinend sind die Menschen dümmer geworden). Dort brauche ich dafür in meinem Windfang ca. 1-2 m² mehr Platz, wenn ich mir nicht entweder die Haus- oder die Wohnungstür versperren will. Und jeder Quadratmeter kostet...



    Fassade. Zweischaliger Holzständerbau, zwischen den Schalen 50 cm Wärmedämmung. Logisch wäre, da einfach eine Lärchenholzfassade o.ä. davorzunageln. Aber nein: Die örtliche Gestaltungssatzung fordert eine Klinkerfassade. Die kann ich nicht mehr vorhängen, die muss ich irgendwo draufstellen, da muss von der (vergrößerten!) Kellergrundplatte aus hochgemauert werden. Das waren damals, anfangs der 1990-er, Mehrkosten von schlappen 50.000,- DM...

  • "Gebraucht wird eine gemeinwohlorientierte Politik, die Akteure unterstützt, die Wohnen nicht als Finanzanlage, sondern auch als Versorgungsauftrag verstehen."



    Auch ein noch so gemeinwohlorientierter Akteur muss wirtschaftlich arbeiten, sonst geht er pleite.

  • Danke. Sehr guter Kommentar. :-)

    Und falls hier einige Politiker mitlesen tun und wirklich ernsthaft für das Volk Wohnungsbaupolitik machen wollen und sich fragen, aber wie?

    Hier erste Handlungsanweisungen:

    -durch Schaffung eines 1000 Milliarden Euro Sondervermögen/Bau-Staatsfond (als Positiv Money!)

    - durch Verbot von privatem Bodenrecht (zuerst) in (hochverdichteten) urbanen Gebieten

    - durch (entschädigungslose) Rekommunalisierung börsennotierter Wohnungskonzerne

    Ziel: Ende der Boden- und Wohnungsspekulation (siehe auch Artikel 15 GG)

    -durch klimafreundliches Bauen mit natürlichen Baumaterialien (Holz, Lehm, Stroh, Schiefer, Naturstein, Bambus). Inklusive Solarzellenpflicht auf Dächern.

    Ziel: den CO2-Fußabdruck/Fossilstromverbrauch massiv senken.

    Den Bereich Bauen und Wohnen komplett ent-/abkoppeln aus Renditevorhaben/profitorientiertem Handeln/Aktiengesellschaften.

    Die "Wohngemeinnützigkeit" als Staatsziel mit Verfassungsrang festschreiben für alle Zeit (Ewigkeitsrecht). Genossenschaften komplett von jeglicher Steuer befreien (auch Löhne der Mitarbeiter/Märchensteuer).







    Gutes Wohnen ist machbar Herr und Frau Nachbar

  • Eigentlich muss der Bedarf an Sozialwohnungen sinken, wenn weniger Menschen arbeitslos sind. Wer Vollzeit arbeitet muss so viel verdienen, dass es davon leben kann, dazu gehört auch eine Wohnung. Hier sind erstmal die Arbeitgeber gefragt. Wenn der Wettbewerb um Arbeitskräfte nicht zu angemessenen Löhnen oder Gehältern führt, muss es vielleicht auch regional erhöhte Mindestlöhne geben. Es kann nicht sein, dass wir indirekt mit Sozialwohnungen Arbeitgeber subventionieren, die nicht genug zahlen.

    Höhere Löhne haben allerdings, genau wie Subventionen, das Problem, dass Spekulanten das Geld natürlich auch gerne einstecken. Also muss gesteuert werden, wer Wohnungen baut und bekommt, über Vergabe von Grundstücken und über gezielte Subventionen, zum Beispiel an Genossenschaften und staatliche Wohnungsbaugesellschaften. Auch wer eine Wohnung kauft, um sie selbst zu nutzen oder langfristig sein Geld fürs Alter darin zu parken, sollte Unterstützung bekommen. Dese Art von Investion in den Wohnungsbau aus der Mittelschicht brauchen wir.

    Beim Wohnungsbau muss man langfristig denken. Jetzt in den großen Städten Billigwohnungen zu bauen, ohne Balkon zum Beispiel, ist zu kurz gedacht. Manches spricht dafür, dass der Bedarf in 20 oder 30 Jahren zurückgeht, neben der demografischen auch die technische Entwicklung - Homeoffice, Telemedizin oder bessere Verkehrsverbindungen machen vielleicht dann Gebiete, die jetzt abgehängt sind und großen Leerstand haben, wieder attraktiver. Dann haben wir unattraktive Wohnungen in den Städten rumstehen, die keinet braucht.

    Statt billig müssen wir flexibler und modularer bauen, Wohnungen müssen sich verkleinern und vergrößern lassen, so dass man sich ohne Umzug im Alter verkleinern kann.

  • Wie wäre es denn, wenn sie, anstatt darauf abzuzielen, andere dazu zu zwingen, in Gemeinnützigkeit zu "investieren", einfach ihre eigene Knete diesem Zweck zuführen, allein, um zu erfahren, dass es äusserst unschöne Konsequenzen nach sich zieht, wenn die ganze Kohle plötzlich weg ist und auch nicht wieder rein kommt?



    Dazu muss man es Unternehmen zugestehen, Gewinn machen zu wollen, vorausgesetzt natürlich, dass man daran interessiert ist, dass sie auch morgen noch nicht in Konkurs gehen und womöglich sogar noch mal weitere Gebäude errichten sollen.