Wohnraum für Studierende: Studiwohnen extra teuer

Die gemeinnützige Bürgermeister-Reuter-Stiftung vermietet Einzimmerwohnungen an Studierende. Die Mieten sind trotz Steuerbegünstigung hoch.

Eines der Häuser von House of Nations. Eine weisse Fassade mit vielen Fenster, davor ein Rasen und zwei Sitzbänke.

Wer neu in Berlin ist, landet vielleicht in einem der teuren Häuser von „House of Nations“ Foto: Sebastian Wells

Nach einer langen und unergiebigen Internetsuche nach einem Zimmer in Berlin stieß der Student B.* schließlich auf die Webseite „House of Nations“. Er zog aus seinem Heimatland hierher, um an der TU zu studieren. Wenige Klicks, eine Überweisung – und B. hatte ein Zimmer in einem Wohnheim an der Alfred-Jung-Straße in Lichtenberg gebucht.

Nur: Er bezahlt dafür fast dreimal so viel wie Studierende in öffentlichen Wohnheimen. Jetzt würde B. gerne ausziehen. Seinen Namen und seine Herkunft möchte der Student nicht veröffentlichen, aus Angst, dass er dann aus dem Wohnheim geworfen wird.

Wie B. geht es vielen: Besonders internationale Studierende, die neu nach Berlin ziehen, sind vom unübersichtlichen Wohnungsmarkt überfordert. Die Warteliste für Wohnheimzimmer des Studierendenwerks sind lang, ein privates WG-Zimmer ohne Besichtigung zu mieten, ist riskant, und viele haben keine Bekannten in Berlin.

An dieser Notlage setzt die gemeinnützige Bürgermeister-Reuter-Stiftung an: Unter dem Namen „House of Nations“ vermietet sie möblierte Einzimmerwohnungen in Wohnheimen an Student*innen und Praktikant*innen. Über ein Onlineportal können Zimmer auch aus der Ferne reserviert werden.

70 Prozent des Einkommens für die Miete

Insgesamt gehören der Stiftung neun Wohnheime in Berlin. Das billigste Zimmer ist 14 Quadratmeter groß und für 391 Euro warm zu haben. In der Keithstraße in Charlottenburg liegen die Mieten für ein Appartement zwischen 552 und 583 Euro. Am teuersten sind die 19-Quadratmeter-Appartements im frisch eröffneten Wohnheim in der Alfred-Jung-Straße 12 für 685 Euro. B. bezahlt für sein 21-Quadratmeter-Zimmer 635 Euro – ein Bett, ein Tisch, eine Lampe, ein Regal, ein Badezimmer und eine kleine Küche mit Ausstattung.

Waschen und Fernsehen sind nicht in der Miete inbegriffen. Wer kürzer als sechs Monate mietet, bezahlt noch mehr, so wie ein ehemaliger Bewohner, der während seines vierteljährigen Praktikums 695 Euro monatlich zahlte. Auf der Webseite von House of Nations ist von „angemessenen Preisen“ die Rede.

Laut einer Studie des Deutschen Studentenwerks von 2016 verfügen Studierende, die nicht bei ihren Eltern wohnen, in Berlin über rund 1.000 Euro im Monat. Im Schnitt bezahlen sie 400 Euro und damit 32 Prozent ihres Einkommens für die Miete, wie eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft aus dem Jahr 2019 zeigt. Wohnheimzimmer des Studierendenwerks kosten durchschnittlich 241 Euro. Für ein Zimmer bei „House of Nations“ müssen Studierende bis zu 70 Prozent ihres Einkommens aufwenden.

Die Bürgermeister-Reuter-Stiftung ist gemeinnützig und somit steuerbegünstigt. Die Mietpreise bei House of Nations orientieren sich aber am freien Berliner Wohnungsmarkt. Und liegen selbst da im oberen Preissegment, wie eine Auswertung des Projekts Mietenwatch zeigt: Vergleichbare möblierte Einzimmerwohnungen in Fennpfuhl, wo auch B. wohnt, kosten rund 6 Euro weniger pro Quadratmeter als die Wohnungen im Wohnheim.

Juristisch zulässig

Die traditionsreiche Stiftung wurde 1953 vom damaligen Regierenden Bürgermeister Berlins, Ernst Reuter (SPD), gegründet, um Geflüchteten aus der sowjetischen Besatzungszone zu helfen. Bis heute sitzen in Vorstand und Aufsichtsrat bekannte Persönlichkeiten aus der Berliner Politik, etwa Frank Bielka, ehemaliges Vorstandsmitglied der Degewo, die ehemalige Senatsausländerbeauftragte Barbara John (CDU), die jetzt als Ombudsfrau für die Opfer des Nationalsozialistischen Untergrunds aktiv ist, oder Detlef Dzembritzki, ehemaliger Bundestagsabgeordneter der SPD. Seit der Gründung hat die Stiftung den gemeinnützigen Zweck verschoben, von der Hilfe für Geflüchtete auf die Unterbringung von Student*innen.

Hochpreisige Wohnheime als gemeinnütziger Zweck – was widersprüchlich klingt, ist juristisch zulässig, wie Rainer Hüttemann, Professor für Steuerrecht an der Uni Bonn, erklärt: „Die Förderung der Studentenhilfe zählt ebenso wie die Unterstützung wirtschaftlich bedürftiger Personen zu den gemeinnützigen Zwecken. Deshalb werden Studentenwohnheime im Gesetz ausdrücklich als Beispiel für steuerbegünstigte Betriebe genannt.“

Die Preise der Wohnungen spielten dabei keine Rolle, müssen sich aber an den Selbstkosten der Stiftung orientieren. Gewinne müssen in die Stiftung zurückfließen und wieder für gemeinnützige Zwecke eingesetzt werden. Dass die Stiftung mit der Arwon GmbH, die Immobilien verwaltet und zwei Hotels führt, zudem noch ein profitorientiertes Unternehmen führt, sei auch normal: Sie dürfe Vermögen anlegen, um den Stiftungsbetrieb aufrechtzuerhalten. Auch da gelte: Die Einnahmen müssen gemeinnützigen Zwecken zugutekommen – zum Beispiel dem Bau von weiteren Studentenwohnheimen.

„Teuer, dreckig und schlechter Service“

„Wie jedes Unternehmen müssen auch wir wachsen“, sagt der Sprecher der Stiftung, Heiko Zademach, auf Anfrage. Dass die Stiftung gemeinnützig ist, heiße nicht, dass sie aus Idealismus handele. Die Mieten erscheinen Zademach nicht zu hoch für Studierende: „Wir sind immer voll und haben sogar Wartelisten“, sagt er. Außerdem biete man besonderen Service, wie zum Beispiel den 24-Stunden-Concierge.

Doch der Service wird offenbar nicht von allen geschätzt. In den Kommentaren auf der Facebook-Seite der Stiftung schreibt jemand: „Teuer, dreckig und schlechter Service“, ein anderer: „Die Leute von der Administration sind unfreundlich und helfen kaum. Die Internetverbindung funktionierte fast nie.“ B. erzählt, dass er vom Concierge ermahnt worden sei, nach 22 Uhr keinen Alkohol im Zimmer zu trinken. Ein ehemaliger Bewohner berichtet, nach 22 Uhr dürfe nicht laut geredet werden. Zademach hat von solchen Regeln keine Kenntnis.

Student B. verdient sich Geld für die teure Miete mit Nebenjobs zum Studium. „Ich würde gerne ausziehen“, sagt er, „aber ich habe keine Alternative.“

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