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Wohnen und zahlenWohn-Heuschrecke wird gegrillt

Zu hohe Mieten, falsche Baumaßnahmen, Lärm - AnwohnerInnen konfrontierten Deutsche Annington mit ihrer Kritik

Außen wird - hui! - die Dämmung drangeklatscht, auch wenn drinnen Schimmel blüht. Foto: Vincent Buss

Das umstrittene Wohnungsunternehmen Deutsche Annington stellte sich Dienstagabend in einer öffentlichen Diskussion seinen Bremer MieterInnen. Diese kritisieren die Modernisierungsmaßnahmen und die damit verbundenen Mieterhöhungen. Eigentlich will der Branchenriese weg von seinem Image als „Heuschrecke“, die aus Wohnungen möglichst schnell möglichst viel Profit schlagen will. Doch die Vorwürfe der MieterInnen bestätigen das bisherige Bild.

Der Raum im Bürgerhaus Weserterrassen, in dem die Diskussion stattfand, war bis auf den letzten Stuhl voll, die MieterInnen wütend. Zur Aussprache geladen hatte der Beirat östliche Vorstadt. In jenem Stadtteil hatte das Wohnungsunternehmen viele Wohnungen gekauft und Modernisierungen begonnen. Dagegen regte sich Protest bei den BewohnerInnen. Der Beirat wollte den vielen Fragen der BürgerInnen nun ein Forum geben, erklärte die Leiterin Hellena Harttung.

Um 50 Prozent der bisherigen Kaltmiete steigert sich die Miete für manche Wohnungen. Das schürt Ängste bei den AnwohnerInnen. Laut Kornelia Ahlring vom Mieterverein Bremen zwinge dies viele Leute zum Auszug.

Ein Tipp der Deutschen Annington: Wohngeld beantragen. Um das zu erhalten, darf das Einkommen allerdings nicht zu hoch sein. Wer Hartz 4 bekommt, ist ebenfalls von dem Zuschuss ausgenommen. Jedoch sind Mieterhöhungen gerade für Sozialhilfe-EmpfängerInnen problematisch: „Beim Jobcenter wurde mir gesagt, dass sie die Miete jetzt nicht mehr mittragen“, erklärt eine Frau, „was nun?“

Alternativ könnten Betroffene auch einen Einwand wegen finanzieller Härte stellen, so die Annington. In dem Fall wird die Miete nicht erhöht. Allerdings sind die Bedingungen für den Nachlass streng und die Fristen kurz.

Die Mieterhöhungen versuchte das Wohnungsunternehmen durch Zahlen zu rechtfertigen. So würden nicht einmal acht Prozent der Modernisierungskosten auf die Mieten umgelegt. Gesetzlich erlaubt sind tatsächlich bis zu elf Prozent. Und auch die Grundmieten liegen noch unter dem Durchschnitt der östlichen Vorstadt.

Wie die Mieten jedoch im Einzelnen berechnet werden, stieß auf Unverständnis. Eine Bewohnerin fragte sich, wieso sie bei gleicher Wohnungsgröße eine stärkere Mieterhöhung als ihre Nachbarn erwarte. Die Annington räumte ein: „BewohnerInnen, die niedrige Mieten zahlen, werden verhältnismäßig stärker belastet.“ Der Hinweis einer Anwohnerin, dass die Baukosten irgendwann abbezahlt seien und die Miete dann sinken müsste, blieb unkommentiert.

Auch die Baumaßnahmen an sich – beispielsweise den Austausch der Fenster – kritisierten die MieterInnen. „Die Annington vermischt Modernisierung und Instandhaltung“, lautet ihr Vorwurf. Und Instandhaltung, also die Reparatur maroder Anlagen, muss der Vermieter selbst zahlen – im Gegensatz zu Modernisierung.

Die Annington selbst bezeichnete die Baumaßnahmen größtenteils als „energetische Sanierung im Bereich Modernisierung“. Das trifft auf die Dämmung der Außenwände auch zu. Neue Heizungsanlagen gibt es aber nicht. „Wie soll dann die Energiebilanz verbessert werden?“, wundert sich eine Frau. Auch gegen den Schimmel i werde nichts getan. „Außen hui, innen pfui“ sei der Zustand. Ein Zwischenruf: „Die wollen uns erst rausdrängen, dann können die von innen sanieren!“

Beklagt wurde auch die Lärmbelastung durch die Bauarbeiten. Die Deutsche Annington sicherte zu, dass samstags nicht mehr an den Häusern zu arbeiten. .Der Beirat gab sich insgesamt machtlos. Gegen die Bundesgesetze zu Modernisierungsumlagen könne man nichts machen. „Wir haben leider keine Lösung“, sagte Harttung und rief die MieterInnen auf, sich zu vernetzen. Während der Diskussion ging bereits eine Kontaktliste herum.

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2 Kommentare

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  • Bedauerlicherweise erschien die Leiterin des Ortsamtes -Frau Hellena Harttung- ihrer Funktion als Moderatorin eingeschränkt gewachsen und nicht wirklich eingebettet im Thema zu sein.

    Von ihr sind keine Impulse ausgegangen.

     

    Wenigstens hätte von ihrer Seite der Appell ausgehen können, daß der neue Eigentümer sich darum bemüht, eine eigene Prüfstelle in Bremen einzurichten, welche für die betroffenen Mieter eine Prüfung der Sozialverträglichkeit der zu erwartenden Mehrkosten einschätzt und in gemeinsamer Absprache eine einvernehmliche Lösung sucht, anstatt sich selbst der übergeordneten Bundesgesetze zu unterwerfen und den Mietern den Weg zu den Ämtern, Bewilligungsstellen, Schutzvereinen, die Möglichkeit zur eigenen Vernetzung und der individuellen anwaltlichen Beratung anzudienen.

     

    Hier hätte man mehr erwarten dürfen, um trotz gegensätzlicher Interessenslagen einen tragfähigen Konsens zu protegieren.

  • An dieser Stelle auch ein herzlicher Dank an die Bremer Wohnungsbaugesellschaft 'Die Bremische', welche über viele, viele Jahre als vorheriger Eigentümer gerne und dankbar die pünktlichen Mietzahlungen der Mieter entgegengenommen hat und dafür bescheiden wenig zurückgab.

    Der Sanierungsstau -und auch das ungepflegte äussere Erscheinungsbild-, hatte für die Bremer Kaufleute 'sein überaus Gutes'.