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Wohin mit jugendlichen Intensivtätern?Am Frühstückstisch entschieden

Sozialsenator Detlev Scheele (SPD) will bis zum kommenden Sommer ein Konzept für die geschlossene Unterbringung Jugendlicher unter eigener Regie vorlegen.

Da nützte auch ein Anruf vom Kollegen Neumann nichts: Sozialsenator Scheeles Stuhl blieb gestern leer. Bild: dpa

Eine breite Koalition aus SPD, CDU und FDP will so schnell wie möglich eine geschlossene Unterbringung für jugendliche Intensivtäter aufs Gleis bringen, Grüne und Linke sind vehement dagegen. Die Abgeordneten der Regierungsfraktion und der schwarz-gelben Oppositionsparteien sehen darin unisono „die letzte Chance“ für etwa ein Dutzend Jugendliche, „bei denen alle anderen Mittel versagt haben“ und für die die einzige Alternative zu geschlossener Heimunterbringung der Jugendknast sei.

Grüne und Linke hingegen betonten am Mittwoch in der Bürgerschaft, der Senat müsse aus dem Scheitern der geschlossenen Heime Feuerbergstraße und Haasenburg Konsequenzen ziehen und das Konzept „des Wegsperrens von Jugendlichen“ endlich in die Tonne treten.

Während sich die Bürgerschaftsfraktionen einen heftigen Schlagabtausch lieferten, schwieg der SPD-Senat – wie zuletzt oft bei diesem Thema. Der zuständige Sozialsenator Detlef Scheele weilte auf einer Bundesministerkonferenz und auch kein anderer Senatsvertreter mochte an seiner Stelle in die Bütt steigen, um der Regierung eine Stimme zu geben.

Scheele hatte aber am Abend zuvor im Familienausschuss vor sehr begrenzter Öffentlichkeit seine Pläne geschildert. Nachdem er von der bevorstehenden Schließung der Haasenburg erfahren hatte, habe er mit seiner Frau am Frühstückstisch überlegt, was er nun tun solle.

Sie habe ihm geraten, notfalls einen eigenen städtischen Träger zu gründen, der ein geschlossenes Heim betreibt. Denn die Hamburger Träger der Jugendhilfe hatten dem Senator früh klargemacht, das sie für den Aufbau eines Jugendknasts light nicht zur Verfügung stünden.

Nun aber hätten sich doch noch freie Träger gemeldet, die bereit wären, so ein Heim zu betreiben, sagte Scheele, ohne Namen zu nennen. „Wir sind guten Mutes“, freute sich der Senator. „Wenn wir einen Träger oder Trägerverbünde gefunden haben, werden wir eine Liegenschaft finden und gucken, wie man das an Ort und Stelle hinbekommt.“

Geschlossene Heime

Hamburg hat seit 2008 insgesamt 52 Kinder und Jugendliche im geschlossenen Heim Haasenburg in Brandenburg untergebracht. Derzeit sind dort noch zwei Jungen.

Die Haasenburg schließen will Brandenburgs Bildungsministerin Martina Münch (SPD), wie sie am 6. November angekündigt hat. Der Entzug der Betriebserlaubnis ist im Ministerium in Arbeit.

Bundesweit gibt es noch 330 Plätze für geschlossene Unterbringung. Die meisten Heime befinden sich in Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen.

Kein eigenes geschlossenes Heim haben die Länder Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen.

Wichtig sei, dass dies ein Standort ist, „an dem sich die Jugendlichen willkommen fühlen“ und der mit der Kinder- und Jugendpsychiatrie kooperiere. Das neue Heim solle acht bis zwölf Plätze haben und außerhalb der Hamburger Stadtgrenzen liegen.

Die Politikerinnen der Grünen, Eva Gümbel und Christiane Blömecke, hatten am Dienstag darauf hingewiesen, dass die Landesregierungen Niedersachsens und Schleswig-Holsteins geschlossene Heime ablehnen. Scheele will trotzdem auf beide Länder „zugehen, wenn wir ein Konzept haben“. Das werde in sechs, sieben Monaten vorliegen.

Die Grünen hingegen fordern in einem Antrag, dass Hamburg kein eigenes Heim gründet und das bislang für die Haasenburg verwendete Geld in Alternativen investiert. „Wir brauchen maßgeschneiderte Einzellösungen mit konsequenter Erziehung und enger Führung der Jugendlichen in einer Eins-zu-Eins-Betreuung rund um die Uhr.“

Dies könne in der Wohnung eines Pädagogen geschehen oder im sozialen Umfeld des Jugendlichen. Blömeke: „Es kann auch sinnvoll sein, dass ein Jugendlicher erst mal drei Monate mit einem Sozialpädagogen durch die Natur wandert.“

Wichtig sei dafür ein „Kooperationspool“ freier Träger der Jugendhilfe, um im Verbund individuelle Lösungen für diese Zielgruppe anzubieten. Laut Diakonie führt die Sozialbehörde derzeit Gespräche mit Hamburger Trägern über alternative Betreuungsformen. Scheele wies dies zurück: „Ein solches Kooperationsmodell ist uns nicht auf den Tisch gelegt worden.“

Der zuständige Amtsleiter Uwe Riez sagte, nach seiner Kenntnis werde die Haasenburg „zum Jahresende geschlossen“. Derzeit sind noch zwei Hamburger Jungen in dem Heim. Der eine werde vom Familieninterventionsteam (FIT), der andere vom Bezirk Bergedorf betreut. Dessen Maßnahme solle im Dezember auslaufen. Danach solle er eine Lehre beginnen. Für die Unterbringung des anderen gebe es Gespräche mit einem Träger.

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2 Kommentare

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  • H
    Humanista

    Gibts denn keine Arbeitsstunden mehr die was nutzen - da ändert sich schnell die Perspektive. Gerade in der Zeit ohne Zivis.

    Kulturzentren für die Jugend!

    Mir hat so ein Intensivtäter mit mehreren Hundert Arbeitsstunden, das kein Motorrad mehr stehlen wird - Vielleicht hat ihn auch die als Putzfru beschäftige Mathematikprofessorin in Gewissen geredet - die sich für ihr Land eingesetzt hat und deshalb in Flüchtingsheim lebt.

  • G
    gast

    Kein Kind sollte sich so entwickeln, das es straffällig wird. Da muss daheim so einiges nicht stimmen.

     

    Man sollte die Kinder nicht abstempeln, dann in Sonderschulen stecken, oder in geschlossene Heime wie Haasenburg stecken oder in den Knast.

     

    Leher sollsten sensibiliert werden auf Kinder die in der Familie Probleme haben, oder in Klicken geraten sind die ihnen nicht gut tun. Betrifft es das Elternhaus die Eltern zur Verantwortung ziehen und zur Mitarbeit ihre Kinder da raus zu holen bevor es zu Straftaten kommt. Prüglende Eltern darf es nicht geben, auch nicht aus anderen Kulturen stammende Mitbürger, ob eingedeutscht oder noch nicht. Prügel haben noch keinem Kind geholfen. Wer seine Kinder prügelt, zieht meist auch einen Prügler heran.

     

    Ganz wichtig auch, Jugendlichen eine Ausbildung geben, der erste Schritt um positiv in die Zukunft schauen zu können.

     

    Auch wichtig, das gegen Drogendealer an den Schulen hart, wirklich hart vorgegangen wird, die Strafen empfindlichst, auch das bringt Kinder dorthin wohin sie nicht sollten.