Wölfe in Brandenburg: Wölfe sollen Angst kriegen
In der Uckermark diskutieren Jäger und Bauern über den Wolf. Mit dabei: der neue Umweltstaatssekretär, der sich bereits mit dem Abschuss von Bibern hervortat.
Die CDU-Landrätin des Landkreises Uckermark hatte zu einem sogenannten Wolfshearing eingeladen. Landwirte, Jäger und Naturschützer sollten ihre Sorgen und Nöte mit dem Wolf schildern. Dass das zum jetzigen Zeitpunkt passiert, hat einen Grund. Brandenburg hat eine neue Landesregierung.
Viel ist es nicht, was sich im Koalitionsvertrag von SPD und BSW zum Thema Wölfe findet, aber es lässt Interpretationsspielraum zu: „Wir werden alle Möglichkeiten nutzen, um ein Bestandsmanagement für den Wolf und den Biber einzuführen. Im Bund setzen wir uns für die notwendigen rechtlichen Änderungen ein.“
Keine hitzigen Gefechte
Was da in Prenzlau stattfand, war keine öffentliche Veranstaltung. Rund 50 Menschen nahmen teil, die Mehrzahl waren Männer. Es gab keine hitzigen Gefechte zwischen vermeintlichen Wolfsgegnern und Wolfsbefürwortern, wie man sie von ähnlichen Hearings kennt. Die Haltung im Saal entsprach ziemlich genau dem, wie ein Jäger, gleichzeitig Landwirt, es in seinem Vortrag formuliert: „Der Wolf wurde 20 Jahre verhätschelt. Wir durften nichts tun. Nicht mal vergrämen, nichts. Wenn wir etwas getan hätten, wären die Probleme nicht entstanden“.
Bei dem im Saale anwesenden neuen Staatssekretär des Landwirtschafts- und Umweltministeriums, Gregor Beyer (FDP) stießen solche Worte ganz offensichtlich auf offene Ohren. Brandenburg hat mit Abstand die meisten Wolfsrudel in Deutschland. Von 209 Rudeln, die in Deutschland nachgewiesen sind, leben 58 in Brandenburg. Die Landesregierung sei „fest entschlossen, in ein aktives Bestandsmanagement der Wölfe einzusteigen“, kündigte Beyer an.
Brandenburg werde die Wölfe schnellstmöglich ins Jagdrecht aufnehmen. Die Themen Jagd- und Forstwirtschaft würden „künftig Chefsache“, und in einer eigenen Stabsstelle direkt bei ihm angesiedelt, so der Staatssekretär. Bislang ist das aus sechs Mitarbeitern bestehende Team des Wolfsmanagements sowie das Wolfsmonitoring im Landesamt für Umwelt angesiedelt.
Nach der geltenden Brandenburger Wolfsverordnung dürfen einzelne Wölfe geschossen werden, wenn sie zweimal einen Weidezaun von 1,20 Metern übersprungen und Nutztiere gerissen haben. Entnahme nennt sich die Freigabe zum Abschuss in der Fachsprache. Acht Freigaben habe es seit 2021 gegeben, sagt die Fachreferentin Verena Harms am Mittwoch in Prenzlau. Die Maßnahmen liefen zum Teil noch. Erschossen worden seien bisher zwei Wölfe.
1.047 Tiere waren 2024 laut Harms in Brandenburg von Wolfsübergriffen betroffen, 2023 waren es 1.465. Seit 2007 habe das Land 1,2 Millionen Euro Entschädigung an betroffene Tierhalter gezahlt. Für Präventionsmaßnahmen wie Zäune und Herdenschutzhunde seien 12,5 Millionen ausgegeben worden.
Dass die SPD-BSW Landesregierung den Wolf in das Jagdrecht aufnehmen will, hört sich martialisch an, ist aber kein Freifahrtschein für ungeregelte Abschüsse. Am Schutzstatus des Tieres ändert sich dadurch nichts.
Im Europarat haben EU-Staaten kürzlich mit der Stimme Deutschlands für einen abgesenkten Schutz des Wolfs votiert. Damit wurde der Weg für ein Verfahren freigemacht, um den Wolfsbestand regulieren zu können. Bis sich das Europaparlament auf eine Neuregelung der Bejagungsvorschriften geeinigt hat, dürfte noch einige Zeit vergehen.
Jagdverband prescht vor
Das hindert den Jagdverband Brandenburg aber nicht, von Rot-Lila zügige Regelungen zu fordern. „Wir brauchen eine deutliche Reduzierung des aktuellen Wolfsbestands, die Aufnahme des Wolfes ins Jagdrecht und eine dauerhafte Jagdzeit für den Wolf“, fordert der Verband. Zu viele Nutztier-Risse seien zu beklagen. Umweltschützer von Nabu und BUND fordern ihrerseits mehr Schutz für den Wolf. Die Landespolitik solle sich verstärkt gegen illegalen Wolfsabschuss und Wilderer einsetzen.
Das Problem ist nur: Die neue Umwelt- und Agrarministerin Hanka Mittelstädt (SPD) steht im Verdacht, als frühere Hühnerbaronin das Umweltrecht ausgetrickst zu haben. Auf eine Ausweitung des Wolfsschutzes kann man bei ihr wohl kaum hoffen. Dass Mittelstädt auf die Idee verfallen ist, Gregor Beyer als Staatssekretär in ihre Behörde zu holen, spricht zudem für sich.
Der frühere FDP-Landesvorsitzende Beyer hatte 2014 im Wahlkampf in Brandenburg mit einem Plakat geworben: „Biber abschießen“. Die FDP ist schon lange nicht mehr im Landtag vertreten, Beyer hatte zuletzt als Beigeordneter im Landkreis Märkisch-Oderland Verwendung gefunden.
Das zu erwähnen, ist wichtig. Am Mittwoch bei der Veranstaltung in Prenzlau brüstete er sich mit dem Hinweis: Er sei derjenige gewesen, der im September 2024 beim Oderhochwasser 80 Biber zum Abschluss freigegeben habe – aus Gründen des Deichschutzes, wie er sagt.
Eigentlich seien es sogar mehr als 90 Biber gewesen, sagt Beyer nach der Veranstaltung zur taz. Zuerst habe ihn Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) gefragt, ob er als Staatssekretär zur Verfügung stehe. Seine FDP Mitgliedschaft ruhe zurzeit.
„Lasst uns ehrlich sein“, gibt Beyer per Du am Mittwoch den Politiker zum Anfassen. Man werde weiterhin Wolfsschutz fördern, mit entsprechenden Maßnahmen. „Der Wolf muss wieder lernen, Angst zu haben, wenn er um den Stall schleicht“, sagt er.
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