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Wo sich der Widerstand dreht

Windkraft findet man auch im Wendland prinzipiell gut. Windräder aber möchte man hier in der Heimat der Anti-AKW-Bewegung und alternativen Lebensentwürfe trotzdem nicht unbedingt. Und nun?

Sie sind nicht gegen Windkraft. Aber … Leo Agthe und Matthias Kritz von der Bürgerinitiative Windkraft Zernien

Von Nadine Conti (Text) und Miguel Ferraz Araujo (Fotos)

Leo Aghte kann sehr schön schwärmen vom Wendland. Vor etwas mehr als sieben Jahren ist er mit seiner Frau und dem gemeinsamen Kind hierher gezogen. Seither werkeln die beiden an ihrem Fachwerkhaus herum, das eigentlich schon zum Abriss vorgesehen war. Aghte macht Musik für Filme, Serien und Werbeclips, seine Frau Nanni ist Landschaftsgärtnerin und Grafikerin. Sie betreibt einen Onlineshop aus ihrem Wendland-Idyll mit Hühnern, Katzen und Hund.

Fast nirgendwo in Deutschland ist man so weit von der nächsten Autobahn entfernt. Die sandigen Böden sind landwirtschaftlich schwer zu bewirtschaften, nicht besonders fruchtbar, chronisch zu trocken. Es habe eben, glaubt der Musiker, schon diese eigensinnigen Wenden mit ihrer kollektiven, kooperativen Arbeitsweise gebraucht, um dem etwas abzuringen. Aber vielleicht ist das auch ein Mythos.

Wirklich viel weiß man ja in Wirklichkeit nicht über die Sozialstruktur dieser slawischen Stämme, aber ihre berühmten Rundlingsdörfer finden sich heute noch in der Struktur vieler Orte hier wieder. Geblieben sind die oft slawisch klingenden Ortsnamen – und natürlich die Bezeichnung „Wendland“ für den Landkreis Lüchow-Dannenberg.

Der eigentliche Legendenlieferant ist natürlich auch viel jünger als die Erinnerung an die Zeit der Slawen: die Anti-Atomkraft-Bewegung. Seit den 1980er Jahren prägt sie die Gegend nachhaltig. Damals hatte die Politik hier die Rechnung schon einmal ohne den Wirt gemacht: Man glaubte, in diesem dünn besiedelten, strukturschwachen Zonenrandgebiet voller CDU-Wähler würde es keinen nennenswerten Widerstand geben, und siedelte gleich mehrere Atommüllanlagen in Gorleben an.

Doch die Proteste entstanden prompt und hielten sich hartnäckig. Vielleicht auch, weil hier eine Reihe von ganz eigenen Allianzen entstanden: zugereiste Linke und Aussteiger aller Art im Verbund mit konservativen Bauern und adeligen Waldbesitzern.

Bis heute lockt die „Kulturelle Landpartie“ an den zwölf Tagen von Himmelfahrt bis Pfingsten zehntausende von Besuchern an. Und dieses Festival voller offener Ateliers und Höfe, mit Ausstellungen, Lesungen, Konzerten (und zunehmend auch wieder politischen Debatten) hat dafür gesorgt, dass die Dichte an Kunst- und Kulturschaffenden hier höher ist als sonst irgendwo auf dem Land. Sie sind einfach hängen geblieben. Kaum jemand kennt diese Geschichte so gut wie Wolfgang Ehmke. Er ist in der Gegend geboren und nur zum Studieren weggewesen – vor allem aber ist er seit Jahrzehnten das Gesicht und die Stimme der „Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg“ und Chronist des Gorlebener Widerstandes.

An einem sonnigen Nachmittag im April stapft er mit entschiedenen Schritten durch den Wald nahe seines Hauses. „Tadaa!“, macht er plötzlich, „der Breeser Grund.“ Vor uns tut sich eine entzückende Heidelandschaft auf, mitten in der Göhrde, dem größten zusammenhängenden Mischwaldgebiet Norddeutschlands.

Verwunschen aussehende knorrige uralte Traubeneichen und Birken stehen in der offenen Landschaft herum, manchmal trifft man hier auch auf eine Schafherde, die den ehemaligen Hutewald durch Beweidung erhalten soll. Früher sollen hier Könige und der Kaiser gejagt haben. „Und da“, sagt Ehmke und zeigt auf die Anhöhe links von uns, „da sollen sich dann Windräder drehen.“

Für Wolfgang Ehmke ist das ein Dilemma. Denn natürlich war man in der Bürgerinitiative immer für Windkraft. Er kramt sogar noch einmal das Gründungsmanifest „Gorleben soll leben“ von 1977 raus. Da steht sie doch schon drin, die Forderung nach regenerativen Energien – inklusive Windrädern. Auch in der legendären „Republik Freies Wendland“, dem Protestdorf mitten im Wald, drehte sich eines.

„Ich habe nichts gegen Windkraft, ganz bestimmt nicht“, sagt Ehmke. Nicht mal gegen die Windräder, die sich bald in Sichtweite seines Hauses drehen sollen. „Aber es gibt eben Stellen, an denen man sich schon fragt, ob das jetzt wirklich sein muss.“ In dieser einmaligen Landschaft etwa, mitten im Naturpark. Das, betont er, sagt er jetzt nicht im Namen der BI, sondern als Privatperson. „Die BI würde es zerreißen, wenn wir uns in dieser Frage positionieren müssten.“

Neben Ehmke stehen Leo Aghte und Matthias Kritz und nicken. Sie haben bei Ehmke Rat gesucht, weil sie selbst eine Bürgerinitiative gegründet haben: die BI Windkraft Zernien. Und auch die beiden sagen: Wir sind nicht gegen Windkraft. Aber … nicht hier und nicht so.

Aber: Sagen das nicht alle Nimbys? Das Problem, das mit diesem englischen Begriff beschrieben wird, „Not in my backyard“, Nimby, taucht gerade an vielen Orten in Deutschland auf – gerade im Zusammenhang mit dem Ausbau der Windenergie.

Theoretisch möchten fast alle günstige, klimafreundliche Energie ohne geopolitische Fallstricke. Praktisch soll die aber bitte woanders produziert werden. An fast jedem Standort finden sich mehr oder weniger gute Gründe für ein „Hier lieber nicht“. Das war einer der Gründe, warum der Gesetzgeber auf Bundesebene verbindliche Flächenziele vorgegeben hat – damit sich die Last im Land halbwegs gleichmäßig verteilt.

Andererseits: Könnte es nicht tatsächlich sein, dass manche Standorte nicht klug gewählt sind? Dass man im großen Ausbaueifer übers Ziel hinausschießt? Überkapazitäten schafft, die man irgendwann bereuen wird?

Die Gemeinde Zernien, aus der Leo Aghte und Matthias Kritz kommen, hat ein spezielles Problem. Zwei Flächen kommen infrage, eine im Nordosten und eine im Südwesten. Ursprünglich waren sogar drei im Gespräch, auf der dritten und kleinsten Fläche soll nun aber eine Freiflächen-Photovoltaikanlage entstehen.

Bei manchen Bewohnern entsteht so das Gefühl, sie würden quasi umzingelt von Windkraftanlagen. Auch die Größe macht ihnen Sorgen. Neue und moderne Anlagen sind mehr als 250 Meter hoch: Höher als der Hamburger Fernsehturm, höher als der Sendemast, der zurzeit am höchsten aus dem Ortskern ragt. Auf den Fotomontagen, die sie für die Webseite, ihre Flugblätter und Plakate erstellt haben, ragen die Windräder gigantisch, bedrohlich und erdrückend über dem Ort auf.

„Kleiner geht es nicht“, erläutert Dagmar Krüger von der Juwi. Die Juwi GmbH ist einer der Projektierer, die die Windparkplanung in dieser Gegend maßgeblich vorantreiben. „Um die Windparks wirtschaftlich erfolgreich betreiben zu können, müssen wir mit den modernsten und effizientesten Anlagen planen – und die sind nun einmal so hoch.“ Mit 261 Metern plant die Juwi derzeit.

Sie verstehe durchaus, dass die Menschen hier sich ein wenig überrollt fühlten, sagt Krüger. In den benachbarten Landkreisen hat man früher angefangen, Anlagen zu errichten. Da hätten die Menschen mehr Gelegenheit gehabt, Erfahrungen zu sammeln, manche Ängste hätten sich als unbegründet herausgestellt. Hier ist lange nichts passiert und jetzt gibt es plötzlich diesen Nachholbedarf – weil ja die vorgeschriebenen Flächenziele erfüllt werden müssen.

Vom „Hohen Mechtin“, einem Aussichtsturm auf dem Höhenzug des Drawehn, kann man das ziemlich genau erkennen: Da wo die Nachbarlandkreise Lüneburg und Uelzen liegen, drehen sich am Horizont in der Ferne die Windräder – in der unmittelbaren Umgebung nicht. Gleichzeitig gibt es in der Nähe eben große Flächen, die von vorneherein ausgeschlossen sind: das streng geschützte Biosphärenreservat Elbtalaue, beispielsweise. Auch das lässt die Spielräume noch einmal schrumpfen, verringert die Zahl der Flächen, die überhaupt in Frage kommen.

Das ist einer der Punkte, an denen die Argumentation der Bürgerinitiative widersprüchlich wird: Zu nah an den Siedlungen sollen die Windräder nicht stehen, im Wald aber auch nicht. In einer Gegend, die von winzigen Kleckerdörfern geprägt ist, bleibt dann nicht mehr viel übrig.

Aber der Wald, der heilige Wald, ist natürlich ohnehin so ein Schmerzpunkt. Einerseits gibt es auch hier Waldflächen, wo selbst der Laie schnell ahnt, dass sich die ökologische Vielfalt wohl in ziemlich engen Grenzen halten wird – Nadelgehölze, in die Stürme und Rodungen schon breite Schneisen geschlagen haben.

Andererseits kritisieren auch viele Umweltschützer, dass die Waldflächen, in denen Windkraft erlaubt werden soll, im neuen Landesraumordnungsprogramm des Landes Niedersachsen noch einmal erheblich ausgedehnt werden sollen – obwohl Niedersachsen ja zu den eher waldarmen Bundesländern zählt. Nun sollen auch historische Waldstandorte nicht mehr zwangsläufig geschützt sein – damit würden aber ihre zahlreichen Schutzfunktionen, vor allem als natürlicher CO2-Speicher, sträflich ignoriert.

„Unserer Meinung nach gibt es hier eine Fehlsteuerung“, sagt die BUND-Landesvorsitzende Susanne Gerstner. Weil man die Anlagen von den Siedlungsflächen weghalten will, rückten sie immer weiter in den Wald. Häufig sei hier auch leichter an ausreichend große, zusammenhängende Flächen zu kommen und es gebe scheinbar weniger Nutzungskonflikte. Eigentlich stünden die Waldbesitzer vor der Aufgabe, ihre Wälder resilienter gegen den Klimawandel zu entwickeln. „Das steht finanziell aber außer jeglicher Konkurrenz zu den Einnahmen durch die Errichtung von Windrädern.“

Na ja, sagt der Bürgermeister von Zernien, Carsten Schulz (CDU), so richtig begeistert ist er davon ja auch nicht. Aber er betrachtet es eben als seinen Job, das Beste für seine Gemeinde herauszuholen. Und da sehe das nun einmal so aus: Wenn der Gemeinderat jetzt proaktiv eine entsprechende Änderung des Flächennutzungsplanes vorantreibe, dann hätte man auch noch halbwegs in der Hand, wo diese Windräder stünden. Sonst wären bald andere am Zug.

Und finanziell hängt daran für die Gemeinde so einiges. Seit 2023 empfiehlt das Erneuerbare-Energien-Gesetz eine finanzielle Beteiligung der betroffenen Gemeinden, Niedersachsen hat die Akzeptanzabgabe 2024 zur Pflicht gemacht. Es ist wahrscheinlich einer der effektivsten Hebel zum Windenergieausbau. Denn für die chronisch klammen Kommunen ist das sehr verlockend, auf bis zu 20.000 Euro pro Windrad werden die zusätzlichen jährlichen Einnahmen geschätzt.

„Wir müssen immer höhere Abgaben an die Samtgemeinde und den Landkreis zahlen – da bleibt bald gerade noch genug übrig, um ein paar Schlaglöcher zu flicken, mehr aber auch nicht“, sagt Schulz. Wenn sich die Gemeinde überhaupt noch etwas leisten will, was über die absoluten Pflichtausgaben hinausgeht – zum Beispiel die Zuschüsse fürs Waldbad, die Vereine oder auch für ein Ärztehaus –, dann ginge das nur so.

Deshalb versucht er weiter für die Sache zu werben – unterbricht bereitwillig die überfüllte Gemeinderatssitzung, um die protestierenden Bürger und Bürgerinnen zu Wort kommen zu lassen, stiefelt zu den von der BI veranstalteten Informationsveranstaltungen, um seinen Standpunkt zu verteidigen. Aber ohne dem Mann mit dem kurz geschorenem Resthaar und akkurat gebügeltem Hemd zu nahe treten zu wollen: Ein geborener Menschenfänger ist der ehrenamtliche Bürgermeister eben auch nicht. Sein Ton klingt oft eher knurrig, und überhaupt findet er, diese ganze Debatte werde auch viel zu emotional geführt.

Theoretisch möchten fast alle günstige, klimafreundliche Energie ohne geopolitische Fallstricke. Praktisch soll die aber bitte woanders produziert werden

Aus seiner Sicht zeigt sich hier deutlich eine unterschiedliche Interessenlage: Auf der einen Seite diejenigen, die hier schon lange ansässig seien und ein vitales Interesse daran hätten, dass eine gewisse Infrastruktur erhalten bleibt. Und auf der anderen Seite diejenigen, die sich hier eine Art Ruhesitz auf dem Land gegönnt hätten und vor allem möglichst viel unberührte Natur genießen wollten. Aber gut, diesen Satz „Wir sind hier eben nicht in Taka-Tuka-Land“, den hätte er vielleicht lieber nicht sagen sollen, gibt Schulz im Gespräch mit der taz zu.

Es ist nicht der einzige Satz, den ihm die Windparkgegner übel genommen haben. Viele von ihnen sind Freiberufler, haben sich ein Haus gekauft – und natürlich auch ein Interesse daran, dass es hier noch einen Arzt, ein Schwimmbad oder sonstige Infrastruktur gibt. Immerhin ziehen manche hier ja auch ihre Kinder groß. Die beiden BI-Gründer organisieren zum Beispiel schon seit Jahren die Band-AG an der Grundschule.

Aber auch sie unterstellen der Gegenseite gern das ein oder andere. Eine „Goldgräberstimmung“ beispielsweise. Sie glauben, dass bei der Entscheidung des Gemeinderates auch die finanziellen Interessen der Flächenverpächter eine ziemlich große Rolle gespielt haben. Dagegen haben – unabhängig von der BI – etliche Bürger protestiert, der Bürgermeister sah sich deshalb genötigt, die Abstimmung zu wiederholen. Bei der zweiten Abstimmung gab es drei Enthaltungen, die es bei der ersten nicht gab. Das waren die drei Landwirte, die unmittelbar profitieren würden.

Von Hinterzimmerpolitik ist da schnell die Rede, immerhin besteht der Gemeinderat ausschließlich aus Herren, überwiegend älteren Semesters, die hier schon lange ansässig sind und sich sehr lange kennen.

Das, argumentieren diese nun wiederum, sei ja aber nicht ihre Schuld. Von den Zugezogenen hätten sich eben bisher selten Leute in die Sitzungen verirrt, geschweige denn bei der Kommunalwahl kandidiert. Und im Hinterzimmer ausgekungelt werde hier gar nichts: Die Tagesordnungen seien ja für jedermann einsehbar. „Ich bin es leid, mich hier ständig als dumm und korrupt bezeichnen lassen zu müssen“, poltert einer der Ratsherren in Zernien.

Da treffen Welten aufeinander: Auf der einen Seite diejenigen, die in der Lokalzeitung auch zwischen den Zeilen lesen. Auf der anderen Seite diejenigen, die erst vor ein paar Monaten zum ersten Mal überhaupt von den Windparkplänen gehört haben, weil eine engagierte Nachbarin losgezogen ist und selbstgemachte Flugblätter in jeden Briefkasten geworfen hat. Mittlerweile sind sie in einer riesigen Whatsapp-Gruppe organisiert.

Auch in der sind sich aber längst nicht alle einig. Da tummeln sich Menschen, die sich Sorgen um den Wert ihrer Immobilie machen, neben solchen, die Windräder aus ästhetischen Gründen ablehnen. Die einen fürchten um die Tierwelt, die anderen um ihre eigene Gesundheit. Man hat Angst vor Infraschall und Lärm, vor Schattenschlag und nächtlicher Beleuchtung, vor dem Abrieb der Rotorblätter, vor Eiszapfen, vor Waldbränden.

Es sind die üblichen Argumente gegen die Windkraft. In den allermeisten Fällen haben Gesetzgeber und Windparkbetreiber darauf längst reagiert, mit umwelt- und immissionsrechtlichen Vorgaben, Abschaltautomatiken und Ähnlichem.

Aber am Ende ist es eben vor allem eine Haltungsfrage. Was will man in Kauf nehmen, um den Klimawandel aufzuhalten und sauberen Strom zu gewinnen?

Noch dreht sich hier nichts: Ausblick vom Hohen Mechtin, dem höchsten Punkt im Wendland

Die einen versuchen, die finanziellen Vorteile kleinzurechnen und dafür die Anzahl der Anlagen hoch. Manche zweifeln am Klimawandel, die nächsten daran, dass der Strombedarf tatsächlich so hoch ist und weiter steigt. Ständig schwankt die Debatte zwischen Polarisierung und Differenzierung, zwischen Konfrontation und Kompromiss.

Am Anfang überlegte man noch, ob es möglicherweise Kompromissvorschläge geben könnte: Weniger Anlagen, kleinere Anlagen, nur an bestimmten Stellen. Manche Mitstreiter gingen deshalb von der Fahne. „Nullprozenter“ nennen Leo Aghte und Matthias Kritz die.

Was ebenfalls zum Misstrauen beiträgt, ist das Nebeneinander der verschiedenen Planungsebenen. Da sind die Gemeinden und die Samtgemeinde, die versuchen, über die sogenannte Gemeindeöffnungsklausel und über einzelne Änderungen der Flächennutzungspläne Flächen für Windparks auszuweisen – weil sie ihr Stück vom Kuchen wollen und nur so den Daumen drauf haben.

Und dann ist da der Landkreis, der an seinem Regionalen Raumordnungsplan (RROP) feilt, in dem auch die Vorrangflächen für Windkraft definiert werden. Die stimmen nicht immer überein mit den Flächen, die von den Gemeinden angepeilt werden. Das war vom Gesetzgeber so gewollt: Man wollte, dass die Gemeinden endlich aktiv werden, sich nicht länger wegducken und hoffen, dass sich irgendwer anders den Ärger einhandelt.

Gleichzeitig ist der Landkreis verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die Flächenziele erreicht werden, und die sind mit Fristen versehen. Im Fall Lüchow-Dannenberg sind das 2,24 Prozent der Landkreisfläche bis 2027 und 2,89 Prozent bis 2032. Wenn der Kreis diese Fristen reißt, greifen die Bestimmungen zur Privilegierung der Windkraft im Außenbereich. Dann können überall Windräder beantragt werden und müssen bevorzugt genehmigt werden – vorausgesetzt, sie bestehen das sonstige immissionsschutzrechtliche Geneh­migungs­verfahren und ­erhalten den Zuschlag von der Bundesnetzagentur.

Die Leute aus der Bürgerinitiativ Windkraft Zernien tröstet das aber wenig. Sie haben das Gefühl, wenn sich dieses Räderwerk einmal in Bewegung setzt, dann kennt es nur noch eine Richtung. Also protestieren sie in den Gemeinderatssitzungen, schreiben Leserbriefe, schalten die Kommunalaufsicht ein, verfassen Stellungnahmen zum RROP und vernetzen sich mit anderen Bürgerinitiativen, die in der Umgebung überall entstanden sind. Viele Würfel sind mittlerweile gefallen: Gemeinderäte haben entschieden, die Fristen im öffentlichen Beteiligungsverfahren zum RROP sind abgelaufen.

Und dann wird es eben doch grundsätzlicher: Auf der Webseite fordert die BI Zernien jetzt die Abschaffung der Flächenziele. Das klingt dann allerdings doch schon schwer nach: Lieber keine Windkraft im Wendland.

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