Wo die Hauptstädter geboren sind: Ich bin kein Berliner
Der RBB hat auf Basis der Daten des Statistischen Landesamtes zusammengestellt, wo die Berlinerinnen und Berliner herkommen. Die meisten, Überraschung, nicht aus Berlin.
Fast schon als kleine Überraschung verkauft der Rundfunk Berlin Brandenburg (RBB) die Tatsache, das nur 47 Prozent der Berlinerinnen und Berliner auch gebürtige Berlinerinnen und Berliner sind. 53 Prozent kommen nämlich von außerhalb. Nur, was sagt das aus?
Viel schrecklicher wäre wohl ein umgekehrtes Ergebnis. Stellen wir uns vor, zwei Drittel der hier Lebenden wären in Berlin geboren und nur ein Drittel käme von anderswo. Wäre das nicht ein Hinweis darauf, wie wenig attraktiv die Stadt wäre, wie sehr sie im eigenen Sumpf steckte? So ein bisschen wie Westberlin nach dem Mauerbau? Die paar Zugezogenen, die aus dem Rahmen fielen, wurden entweder mit „Geht doch rüber“ empfangen oder bekamen den Stempel „Wessiland“ aufgedrückt. So identifiziert man Fremde sonst nur in Dörfern – oder in Städten wie München und Dresden, wo noch strikt zwischen „Einheimischen“ und „Zugezogenen“ unterschieden wird.
Die Nachricht des RBB, der die Herkunftsorte der Berliner ganz wunderbar aufbereitet hat, ist also eine gute, und das Interessante ist nicht die Tatsache, dass 53 Prozent der Hauptstädter nicht hier geboren sind – sondern wo sie herkommen. Auf Platz eins liegen mit über 200.000 eindeutig die Brandenburger, ein Hinweis darauf, dass die Metropole Berlin nach dem Mauerfall ihre alten Stadt-Umland-Beziehungen wieder erneuern konnte. Auch Platz zwei ist wenig überraschend, er geht an NRW und an die von dort stammenden Regierungsumzügler.
Dass allerdings die Schwaben, die seit Langem von der Kehrwoche über die neue Lust am Kirchgang bis zur Gentrifizierung für alles Mögliche verantwortlich gemacht werden, nur auf Platz sieben liegen, ist eine Überraschung. Wobei es genauer gesagt die Baden-Württemberger sind, die auf sieben liegen, da müsste man die Badenser noch ab- und die bayerischen Schwaben dazurechnen.
Von allen auswärtigen Städten sind die meisten Berliner mit 22.779 in Hamburg geboren, gefolgt von Leipzig (18.088) und Dresden (16.358). Die ausländische Stadt, in der die meisten heutigen Berliner geboren wurden, ist nicht länger Stettin, sondern Damaskus (14.746). Die größten Herkunftsländer sind die Türkei (102.184), Polen (90.000) und Russland (knapp 50.000).
Berlin ist also internationaler geworden, hat aber seine dörflichen Orte bewahren können. Das sind nämlich die, in denen die gebürtigen Berlinerinnen und Berliner in der Überzahl sind. Und, würden Sie da hinziehen wollen? Nach Reinickendorf (57,8 eingeborene Berliner) oder Spandau (54,1)? Da, wo der Berliner noch Pfannkuchen heißt?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste