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Wissenschaftlerin über Jagdtrophäen„Koloniale Trophäen sind Machtsymbole“

Jagen und der Kult darum bedienen unterschiedliche symbolische Ebenen. Silke Förschler erklärt, woher sie kommen und was sie bedeuten.

Ironisch gebrochen oder doch eher Symbol eines nationalen Männlichkeitsverständnises? Foto: Franziska Kraufmann/dpa

Interview von

Amanda Böhm

taz: Frau Förschler, warum hängen sich Menschen ein Geweih ins Wohnzimmer?

Silke Förschler: Ein Geweih verweist auf eine erfolgreiche Jagd: Man ist siegreich aus der Begegnung mit dem Tier hervorgegangen und kann sich das Objekt, das an den Erfolg erinnert, an die Wand hängen. Jedoch schwingt nicht nur die Naturbeherrschung mit, sondern auch die Beherrschung der sozialen Codes des Jagens. Man weist sich mit der Trophäe als Teil einer Jagdgemeinschaft aus.

Bild: Edith Forster
Im Interview: Silke Förschler

vertritt die Professur für Kunstgeschichte der Vormodern an der HfBK Dresden. Gemeinsam mit Astrid Silvia Schönhagen hat sie 2025 den Sammelband „Trophäen. Inszenierungen der Jagd in Wohn- und Ausstellungsräumen“ im transcript Verlag herausgegeben.

taz: Ist das vor allem für Männer wichtig?

Förschler: Teil der jagdlichen Praktiken sind immer auch Vorstellungen von Geschlechtsidentität. In der Moderne hängt das Jagen eng mit der Idee einer virilen Männlichkeit zusammen, einer Männlichkeit, die im sportlichen Wettkampf der Natur begegnet und sie unter Kontrolle bringt. Gegenwärtig spielen beim Jagen auch Diskurse um Umweltschutz und Ökologie eine Rolle.

taz: Geweihe erinnern auch an ein rechtes, konservatives Heimatbild.

Förschler: Diese Vorstellung – verkörpert im Bild des röhrenden Hirsches über dem Bett im Schlafzimmer– kam insbesondere in den 1950er Jahren durch die Heimatfilme auf. In diesen Heimatfilmen symbolisierte der Jäger eine neue positive Männlichkeit nach dem Nationalsozialismus. Die hier gezeigte Heimatverbundenheit war der Versuch, Heimat anders, nämlich über Natur, übers Jagen zu definieren. Dieses Heimatideal hat eben auch das Wohnen sehr geprägt. Im Nationalsozialismus und generell im Imperialismus ging es um die größten und prächtigsten Trophäen und deren nationale Aufladung.

Koloniale Trophäen sind Machtsymbole: man hat sich die fremde Natur angeeignet und gleichzeitig auch die Menschen vor Ort beherrscht

taz: Und gleichzeitig war Jagen eine koloniale Praxis.

Förschler: Im Zuge des Kolonialismus wurden insbesondere die sogenannten Big Five gejagt: Elefanten, Nashörner, Büffel, Löwen und Leoparden. Das Jagen, Spurenlesen, aber auch das Präparieren der Tiere ist immer mit Hilfe der indigenen Bevölkerung geschehen. Indigenes Wissen ist jedoch nicht Teil der Memorialkultur um die Trophäen. Koloniale Trophäen sind Machtsymbole: Man hat sich die fremde Natur angeeignet und gleichzeitig auch die Menschen vor Ort beherrscht. Diese Dimensionen sollten in der Aufarbeitung des Kolonialismus eine Rolle spielen: Wie gehen wir mit kolonialen Trophäen um?

taz: Was mache ich also, wenn ich einen Elefantenzahn erbe?

Förschler: Man kann versuchen herauszufinden: Was hat dieses Objekt für eine Geschichte, wo wurde das Tier getötet? Gibt es eventuell eine Möglichkeit, es zurückzuführen? Gäbe es Interesse daran? Das sind dieselben Fragen, die sich Museen mit kolonialen Raubgütern stellen müssen. Koloniale Trophäen hatten immer auch eine naturalisierende Funktion. Mit ihrer Präsenz in den Wohnräumen waren sie ein Anknüpfungspunkt, um von erfolgreichen Jagden in den Kolonien zu erzählen und so koloniale Machtverhältnisse in Form von Familienerzählungen zu neutralisieren.

taz: Ist Dekostoff mit Leo-Print auch kolonial?

Förschler: Ich finde schon, dass man Leo-Print auch im kolonialen Kontext sehen muss. Das Schmücken mit exotischen Tiermaterialien war eine koloniale Tradition. Aber Baumwollshirts oder Jeans mit Leo-Print können natürlich auch als ironisch gebrochenes Zitat verstanden werden.

Lesung

„Trophäen. Inszenierungen der Jagd in Wohn- und Ausstellungsräumen“, am 11.12. um 18 Uhr im Haus der Wissenschaft, Sandstr. 4/5, 28195 Bremen. Eintritt frei.

taz: In dem Sammelband wird Stefan Zweig zitiert: „Der Mann fortschrittlich, aggressiv. Die Frau scheu, schüchtern, defensiv. Jäger und Beute statt gleich und gleich.“ Da wird Jagdsprache auf einen Beziehungskontext übertragen.

Förschler: Jagdliche Metaphern lassen sich in vielen Kontexten finden. Besonders prominent sind sie, wenn es um Interaktionen zwischen den Geschlechtern geht. Beispielsweise bei der Formulierung „Trophy-Wive“, also die Frau verstanden als Objekt, das man gejagt hat und nun besitzt. Historisch gesehen muss jedoch ergänzt werden, dass in der Frühen Neuzeit, vor dem Entstehen der bürgerlichen Gesellschaft, Fürstinnen und Landesherrinnen auch gejagt haben. Hier war weniger die Genderdifferenz als die Klassendifferenz entscheidend, da Jagen ein Adelsprivileg war. So gibt es einige Portraits, auf denen sich Herrscherinnen im Jagdkostüm malen ließen, beispielsweise Lieselotte von der Pfalz oder Maria Amalia von Bayern.

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