Wirtschaftskrise schlägt auf Arbeitsmarkt: Zahl der Erwerbslosen steigt weiter
Vom traditionellen Frühjahrsaufschwung war dieses Jahr nichts zu spüren. Die Arbeitslosenzahlen sanken nur minimal. Sorge bereitet den Volkswirten vor allem der rasante Absturz des Arbeitsmarktes.
WIESBADEN/NÜRNBERG dpa | Die Wirtschaftskrise schlägt zunehmend auf den deutschen Arbeitsmarkt durch. Im ersten Vierteljahr 2009 sank die Zahl der Erwerbstätigen erstmals seit drei Quartalen wieder unter die Marke von 40 Millionen, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am Mittwoch nach vorläufigen Berechnungen mitteilte. Mit 39,9 Millionen Erwerbstätigen waren aber immer noch 48.000 oder 0,1 Prozent mehr beschäftigt als ein Jahr zuvor.
Mit einem ungewöhnlich geringen Rückgang der Arbeitslosigkeit rechnen Volkswirte für den Monat Mai. Die Zahl der Erwerbslosen sinkt demzufolge diesmal nur um 50.000. Das sind 150.000 weniger als in den vergangenen Boomjahren. Die offiziellen Zahlen will die Bundesagentur für Arbeit (BA) am 28. Mai in Nürnberg bekanntgeben.
Die Statistiker in Wiesbaden betonten, ein deutliches Plus bei der Kurzarbeit milderten die negativen Effekte der Rezession auf die Beschäftigung ab. Im Vergleich zum vierten Quartal 2008 sank die Zahl der Erwerbstätigen zum Jahresbeginn um 905.000 Menschen (2,2 Prozent). Eine Abnahme im ersten Quartal eines Jahres sei üblich, so die Statistiker: "Aber im aktuellen Quartal ist die Erwerbstätigkeit deutlich stärker zurückgegangen als im Durchschnitt der entsprechenden Quartale der Jahre 2007 und 2008 und zwar um 525 000 Menschen."
Zuwächse gab es von Januar bis März in der Dienstleistungsbranche. Hier nahm die Zahl der Erwerbstätigen gegenüber dem Vorjahr um 119.000 Personen (0,4 Prozent) zu. Dagegen verringerte sich die Beschäftigung im Produzierenden Gewerbe (ohne Baugewerbe) erstmals seit neun Quartalen, nämlich um 55.000 Personen (0,7 Prozent). Im Baugewerbe ging die Zahl der Beschäftigten um 23.000 (1,1 Prozent) zurück.
Einig sind sich die Fachleute, dass sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt in den kommenden Monaten weiter zuspitzen wird. "Es sieht weiterhin düster aus", betont etwa HypoVereinsbank-Volkswirt Alexander Koch. Bereinigt um saisonale Besonderheiten rechnet er wie die meisten seiner Kollegen im Mai mit einem Anstieg der Arbeitslosigkeit um rund 60.000. Dabei beunruhigt Koch vor allem das Tempo, mit dem der Arbeitsmarkt in den vergangenen Monaten abgestürzt ist: Seit Ende des Job-Booms im Oktober 2008 sei die saisonbereinigte Arbeitslosenzahl um rund 300.000 gestiegen. "Bei früheren Konjunktureinbrüchen seien es in diesem Zeitraum nur rund 150.000 gewesen", berichtet Koch.
Bereits im April war der sonst übliche Frühjahrsaufschwung auf dem Arbeitsmarkt weitgehend ausgeblieben. Die Zahl der Jobsuchenden war im April nach Bundesagenturangaben gerade einmal um 1.000 gesunken. Im Vergleich zu 2008 waren im April 171.000 Menschen mehr auf Arbeitssuche. Die Arbeitslosenquote stagnierte bei 8,6 Prozent. Saisonbereinigt war die Arbeitslosenzahl in Deutschland um 58.000 auf 3,463 Millionen gestiegen. Auch BA-Vorstandschef Frank-Jürgen Weise hatte eingeräumt, dass die Arbeitslosigkeit für einen April ungewöhnlich schwach zurückgegangen sei. Dabei habe der verstärkte Einsatz der Kurzarbeit den Arbeitsmarkt insgesamt stabilisiert.
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