Wirtschaftskrise in Ungarn: Der Forint sackt in den Keller
Die Industrieproduktion bricht in Ungarn ein. Die Währung hat ein Rekordtief. Touristen können dennoch kaum Schnäppchen machen.
WIEN taz Nirgendwo im östlichen Mitteleuropa schlägt die weltweite Wirtschaftskrise so hart durch wie in Ungarn. Ein dramatischer Produktionsrückgang wird vom Verfall der Landeswährung begleitet. Die damit Hand in Hand gehende Währungsspekulation ließ in der vergangenen Woche den Wechselkurs des Forint auf den historischen Tiefstwert von 302 Forint pro Euro absacken. Da der jüngst von 8,5 auf 11,5 Prozent angehobene Leitzins schon außergewöhnlich hoch liegt, sind weitere Zinserhöhungen praktisch ausgeschlossen. Trotzdem hat sich der Kurs in den letzten Tagen bei etwa 290:1 stabilisiert.
Dass die Talfahrt des Forint damit ausgestanden ist, glaubt in Ungarn aber niemand. Denn laut den vor wenigen Tagen veröffentlichten vorläufigen Zahlen des Statistikamtes für Dezember ist die Industrieproduktion innerhalb eines Monats um 14,6 Prozent zurückgegangen. Bereinigt um Saisoneffekte und umgelegt auf die tatsächlich geleisteten Arbeitstage beträgt der Einbruch im Vergleich zum Vorjahr sogar 23,3 Prozent. Ökonomen fürchten schon die Zahlen vom Januar, denn die Gaskrise zu Jahresbeginn hat die Wirtschaftsschrumpfung zusätzlich beschleunigt.
Schon im Dezember fuhren einige Industriebetriebe mit Kurzarbeit die Produktion zurück, inzwischen ist die Viertagewoche im Industriesektor fast schon die Regel. Mit einem Produktionsrückgang von 25 Prozent über das Jahr ist zu rechnen. Die Wirtschaftsweisen halten ein Minuswachstum von 3 Prozent, wie vor Kurzem noch prognostiziert, inzwischen für viel zu optimistisch.
Zentralbankchef András Simor trauert jetzt der verpassten Chance nach, sich in die Eurozone einzuklinken. Dafür hätte man das Budgetdefizit, das seit Jahren deutlich über dem Richtwert von 3 Prozent liegt, in den Griff bekommen müssen. Simor hält jetzt kaum Instrumente in der Hand, die unter Druck geratene Währung zu stabilisieren. Da der jüngst von 8,5 auf 11,5 Prozent angehobene Leitzins schon außergewöhnlich hoch liegt, sind weitere Zinserhöhungen praktisch ausgeschlossen
Ungarische Medien warnen Touristen aber vor Schnäppchenfahrten. Denn die Wechselstuben halten am alten Kurs fest oder rechnen nur ab einer hohen Summe zum neuen Kurs um. Wer in Restaurants oder Geschäften mit Euro zahlt, wird ohnedies ausgenommen.
Ministerpräsident Ferenc Gyurcsány sagte im November in der FAZ, die Schärfe der Krise sei hausgemacht. Schuld seien populistische Schwenks: "Die Regierungen haben zwar Reformen eingeleitet, doch dieser Weg wurde wegen starker Kritik aus der Bevölkerung und der Opposition abgebrochen." Weitere Gründe sieht er in der niedrigen Sparquote und in der extrem hohen Fremdwährungsverschuldung von Unternehmen wie Bürgern. Jeder zweite Firmenkredit und gar 62 Prozent der Darlehen an private Haushalte wurden vor allem in Yen oder Schweizer Franken erteilt. Deren Bedienung mit dem schwachen Forint stürzt viele Menschen in eine Existenzkrise und treibt Unternehmen in den Bankrott.
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