piwik no script img

Wirtschaftskrise in SpanienVier Millionen ohne Arbeit

Fast 20 Prozent der Spanier sind arbeitslos. Doch noch immer redet Regierungschef Zapatero die Lage schön und handelt halbherzig.

Zapateros Lösung: der Plan Español, der 2010 "nachhaltige Entwicklung" fördern soll. Bild: reuters

MADRID taz | Es ist noch gar nicht so lange her, da galt Spanien in Europa als Vorbild. Das Wachstum lag deutlich über dem europäischen Durchschnitt. Täglich wurden 1.000 neue Arbeitsplätze geschaffen. Die Bauindustrie boomte. Immigranten kamen ins Land. Der Arbeitsmarkt schien unersättlich. Doch wer hoch fliegt, kann tief stürzen. Das ist jetzt auf der iberischen Halbinsel passiert.

Spanien ist nicht nur Opfer der internationalen Finanzkrise. Die hausgemachte Spekulationsblase platzte. 19,4 Prozent der Spanier sind ohne Arbeit. Dies ist fast das Doppelte des EU-Schnitts. Die Wirtschaft schrumpfte im dritten Quartal 2009 um vier Prozent. Das Haushaltsdefizit liegt bei knapp zwölf Prozent. Spanien führt wieder die Liste an - dieses Mal die Liste der Krisenverlierer.

Lange wollte der sozialistische Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero das Dilemma nicht wahrhaben. Bis weit hinein ins Jahr 2008 redete er von einer "Verlangsamung des Wachstums". Am Ende desselben Jahres hatten eine Million Menschen ihren Job verloren. 2009 dann sprach Zapatero offen von der Krise. Doch sei das Gröbste überwunden. Wieder verloren 800.000 Menschen ihren Job. Damit sind jetzt knapp vier Millionen Spanier ohne Arbeit.

"Spanien durchlebt eine wirtschaftliche Rezession, die wir so gut wie hinter uns haben, falls wir nicht schon raus sind", lautet jetzt Zapateros Analyse. Und einmal mehr strafen ihn die Zahlen Lügen. Spanien brauche mindestens zehn Jahre, um erneut bei der Beschäftigungsrate auf den Stand von vor der Krise zu kommen, heißt es in einer jüngsten Studie des spanischen Sparkassenverbandes.

Schlimmer noch: Die Talsohle scheint längst nicht erreicht. Der Sparkassenverband sagt 4,5 Millionen Arbeitslose voraus. Nach dem Zusammenbruch der Bauwirtschaft und dem daraus folgenden Rückgang des Konsums mit Stellenstreichungen im Einzelhandel sowie im Hotel und Gaststättengewerbe ist jetzt die Industrie an der Reihe.

Eine Fluggesellschaft schloss über den Jahreswechsel. Die Automobilindustrie setzte 2009 so wenige Fahrzeuge ab wie zuletzt 1996. Seat kündigte Entlassungen an.

Am härtesten von der Arbeitslosigkeit betroffen sind junge Menschen und Immigranten. Bei den unter 25-Jährigen haben 43,8 Prozent keine Arbeit. Einmal mehr ist die Familie als Sozialversicherung gefragt. Und bei den Einwanderern liegt die Arbeitslosenzahl rund zehn Prozent über der der Einheimischen. Viele von ihnen arbeiteten auf dem Bau. Und wer sein Brot in der Gastronomie oder in der Landwirtschaft verdiente, muss jetzt mit ansehen, wie die Spanier, die in den Boomzeiten diese Sektoren verließen, zurückkehren. Ein ungleicher Verdrängungskampf ist im Gange.

Mit dem Plan Español, dem Plan E, will Zapateros Regierung den Niedergang der Bauwirtschaft stoppen. Acht Milliarden Euro flossen im vergangenen Jahr in die Kassen der Städte und Gemeinden. Das Geld war für Verbesserung der Infrastruktur und den Ausbau der öffentlichen Einrichtungen gedacht. Doch selbst skurrile Projekte, wie eine Miniatur-Reproduktion des Brandenburger Tors in einem Vorort von Madrid, wurden damit finanziert.

Für 2010 soll der Plan um weitere fünf Milliarden Euro aufgestockt werden. "Nachhaltige Entwicklung" heißt dieses Mal das Motto. Doch nur zwölf Prozent des Geldes würden in innovative Projekte und neue Technologien fließen, erklärt die spanische Tageszeitung El País. Auch der restliche Haushalt ist wenig zukunftsweisend. So wurden die Ausgaben für Forschung zusammengestrichen. Hunderte von Wissenschaftlern fürchten um ihren Job.

76 Prozent der Spanier haben laut einer Umfrage des spanischen Sparkassenverbandes jedwedes Vertrauen in die Krisenpolitik des Sozialisten Zapatero verloren. Doch die Volkspartei (PP) in der Opposition profitiert davon nicht. 63 Prozent der Spanier sind davon überzeugt, dass es die Konservativen nicht besser machen würden.

Zapatero möchte jetzt während der spanischen EU-Präsidentschaft das EU-weit erreichen, was ihm zu Hause nicht gelingen will: Wachstum fördern. Dazu schlägt er eine "europäische Wirtschaftsregierung" vor, die mit "Fördermaßnahmen", aber auch mit "korrigierenden Maßnahmen" die Mitgliedsländer zu einer besseren Wirtschaftspolitik bewegen soll. Was diese Wirtschaftsregierung mit Spanien machen soll, weiß wohl auch Zapatero nicht zu sagen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

3 Kommentare

 / 
  • A
    almabu

    Im Bausektor, der jahrelang der Wachstumsmotor der spanischen Wirtschaft war, sollen auch im großen Stil Drogengelder gewaschen worden sein. Diese Gelder wurden aber im Zuge der Bankenkrise zur Bankenrettung umgeleitet und fehlen jetzt folglich im Bausektor.

  • JK
    Juergen K

    Wenn Banken 25% rendite aus den Krediten und Investitionen der Unternehmen machen, bleibt halt für die Leute nix über.

     

    Da muss sich das Geld eben in Lichtenstein oder Andorra langweilen.

  • M
    Martin

    Zapatero hat die gleichen Fehler gemacht wie Stoiber in Bayern. Entwicklung auf Pump.

     

    Warum werden solche Laender trotzdem dann immer als "Vorbilder" bezeichnet? In Japan war es dasselbe.