Wirtschaft: Aufschwung schwächt sich ab
Das Wachstum sinkt im zweiten Quartal auf 0,3 Prozent. Die Industrie bleibt dennoch optimistisch und fordert neue Reformen.
BERLIN taz/rtr Der Exportboom hält an, doch der Aufschwung in Deutschland hat trotzdem an Stärke eingebüßt. Grund ist eine Flaute am Bau. Sie sorgte im Frühjahr für das schwächste Wachstum seit Ende 2005. So stieg das Bruttoinlandsprodukt von April bis Juni um 0,3 Prozent, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag mitteilte. Zum Vergleich: Im ersten Quartal des Jahres hatte die Wirtschaft noch um 0,5 Prozent zugelegt.
Mit den neuen Zahlen ist Deutschland in Europa nur noch Mittelmaß. In der Euro-Zone schwächte sich das Wachstum ebenfalls auf 0,3 Prozent ab. 2006 hatte Deutschland noch zu den Konjunkturlokomotiven gehört.
Für den Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sind diese Zahlen "nur Statistik". Der Rückgang bei der Bauindustrie liege daran, dass diese im ersten Quartal besonders viele Aufträge gehabt habe. Der Winter war mild. Nichts deute auf ein Ende des Aufschwungs hin, erklärte BDI-Präsident Jürgen Thumann: "Ein Wachstum von bis zu 2,8 Prozent in diesem Jahr ist erreichbar." Das dürfe aber nicht zu "Leichtsinn führen".
Das Rezept gegen den "Leichtsinn" lieferte der BDI gleich mit: Gut eine Woche bevor das Bundeskabinett auf Schloss Meseberg zu einer Klausurtagung zusammenkommt, präsentierte Thumann eine 20-seitige To-do-Liste für die zweite Hälfte der Legislaturperiode. Titel: "Wachstumsvorsorge treffen - Reformtempo erhöhen". Dazu gehören für die Wirtschaftslobbyisten bekannte Forderungen: runter mit den Lohnnebenkosten! Die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung sollen zum Beispiel von 4,2 auf 3,2 Prozent des Bruttolohns sinken. Zweite Forderung: Unternehmen entlasten! Nachfolger in Familienbetrieben sollten etwa bei der Erbschaftsteuer möglichst verschont bleiben. Und drittens: Klimaschutz muss bezahlbar bleiben!
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat für die Klausurtagung ein Klimaschutzprogramm angekündigt. In diesen Tagen verhandeln Wirtschafts- und Umweltministerium, ob etwa stromfressende Nachtspeicherheizungen verschrottet und alte Fenster, durch die die Wärme verpufft, ausgetauscht werden müssen. Der Bauwirtschaft brächte das Aufträge. Doch der BDI fürchtet Klimaauflagen auch für die Industrie.
Der Staat solle sich vor allem um Bildung und Qualifikation kümmern, meint der BDI-Präsident Thumann - "damit Leute in Arbeit kommen". Herbert Schui, wirtschaftspolitischer Sprecher der Linksfraktion, kritisierte die Argumentation des BDI: "Die Unternehmen kassieren alles, die Gesellschaft bekommt nichts."
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