„Wir machen Schwangerschaftsabbrüche“: Kollegen-Solidarität mit Kristina Hänel
Mehr als 30 ÄrztInnen fordern: Weg mit Paragraf 219a. Nicht alle passen auf den taz-Titel im Stile des berühmten „Stern“-Covers.
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Laut Paragraf 219a Strafgesetzbuch, der das „Werben“ für Schwangerschaftsabbrüche verbietet, ist das eine Straftat. Hänel drohen eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe. Paragraf 219a wurde zu einem beliebten Werkzeug für radikale Abtreibungsgegner*innen, die mit seiner Hilfe systematisch Ärztinnen und Ärzte anzeigen und drangsalieren.
Die Verhandlung: Am 24. November um 10 Uhr beginnt der Prozess gegen Kristina Hänel am Gießener Amtsgericht, Gutfleischstraße 1.
Die Kundgebungen: Zu ihrer Unterstützung wurden gleich zwei Kundgebungen angemeldet, beide für 8.30 Uhr vor dem Amtsgericht: Eine queerfiministische Demo mit dem Titel "Weg mit Anti-Abtreibungs-Paragraphen!" und eine zweite, angemeldet von einem breiten Kreis von Unterstützer*innen rund um die Webseite "Solidarität mit Kristina Hänel".
Am Mittwoch haben wir eine Nachricht an Ärztinnen und Ärzte geschrieben und gefragt, ob sie sich an einer Titelseite im Stil des Stern-Covers beteiligen wollen. Bis Freitagnachmittag hatten mehr Unterstützer*innen sich zurückgemeldet, als wir auf der taz-Titelseite unterbringen konnten. Die vollständige Liste veröffentlichen wir deswegen an dieser Stelle.
Die unterstützenden Mediziner*innen wehren sich gegen die Kriminalisierung von Ärzt*innen. Sie fordern außerdem, dass Frauen in solchen Notlagen niedrigschwelligen Zugang zu Informationen brauchen – wie eben durch die Webseiten von Ärztinnen und Ärzten. Viele von ihnen haben in der Vergangenheit selbst Erfahrung mit Anzeigen, Flugblattkampagnen und anderen Einschüchterungsversuchen durch Abtreibungsgegner*innen gemacht. Nicht alle von ihnen führen aktuell noch Abbrüche durch. Manche sind schon in Rente. Aber alle finden: Paragraf 219a kann so nicht bleiben. Etwa 60 Ärzt*innen, die nicht alle selbst Abbrüche durchführen, haben in den vergangenen Tagen einen offenen Brief aufgesetzt.
In einer ähnlichen Aktion erklärten im Jahr 1974 329 Mediziner*innen im Spiegel, Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen zu haben – damals nicht nur ein Verstoß gegen den Paragrafen 219a, sondern auch gegen Paragraf 218. Abtreibungen waren damals wie heute eine Straftat, damals aber noch nicht straffrei.
Bislang bietet allein eine österreichische Webseite Frauen frei zugängliche sachliche Information über Ärzt*innen in Deutschland, die Abbrüche vornehmen. Würden diese die Information auf ihre eigenen Webseiten stellen, würden sie sich nach deutschem Recht strafbar machen.
Wenn auch Sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen oder durchgeführt haben und sich beteiligen wollen, schreiben Sie an wirauch@taz.de
1) Kristina Hänel, Gießen
2) Lilia Rjasanow, Mainz
3) Maria Beckerman, Köln
4) Eva Waldschütz, Gruiten
5) Oliver Krumm, Offenbach
6) Samuel Fischmann, Offenbach
7) Mura Kastendieck, Bremen
8) Meira Dühlmeyer, Paderborn
9) Ulrich Pape, Berlin
10) Dorothea Schuster, Dresden
11) Claudia Schumann, Northeim
12) Silke Koppermann, Hamburg
13) Doris Tormann, Bielefeld
14) Cosima Vieth, Hamburg
15) Christa Kleinert-Skopnik
16) Viola Hellmann, Dresden
17) Helga Seyler, Hamburg
18) Ingeborg Möller, Hamburg
19) Sigrun Schulze-Stadler, Hamburg
20) Edith Bauer, Bremen
21) Blanka Kothé, Berlin
22) Frauke von Bodelschwingh, Hamburg
23) Jutta Pliefke, Berlin
24) Margret Heider, Bremen
25) Veronika Lang, Berlin
26) Christiane Tennhardt, Berlin
27) Gabriele Halder, Berlin
28) Bettina Gaber, Berlin
29) Christine Mau-Florek, Bad Schwartau
30) Alexander Maucher, Hürth
31) Christine Schwegler, Bremen
32) Katrin Wolf, Berlin
33) Mura Kastendiek, Bremen
34) Ursula Maaßen, Kassel
35) Barbara Dennis, Bremen
36) Julia Bartley, Berlin
37) Ralph Raben, Hamburg
Anm. d. Red.: In der ursprünglichen Version dieses Textes standen unter den Ärzt*innen versehentlich auch die Lindlarer Ärztin Elsbeth Saucke. Diese führt aber keine Schwangerschaftsabbrüche durch.
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