Wir klären auf: Die Wahrheit über Britney Spears
Britney Spears hat einen dramatischen Abschiedsbrief geschrieben! Hat sie? Warum man besser keiner Meldung über ihr "wildes Leben" glaubt.
"Vielleicht wäre es besser, wenn ich tot bin", schreibt Britney Spears, 26, in einem Abschiedsbrief, schreibt das englische Gossenblatt The Sun. - und alle anderen schreiben es ab. Den "Abschiedsbrief" will ein "Freund" in ihrem Badezimmer gefunden und an das Blatt verkauft haben, nachdem die Künstlerin von Polizei und Ambulanz ins Krankenhaus gebracht worden war.
Eine hübsche kleine Britney-Meldung für die "Vermischtes"-Seite, deren Wahrheitsgehalt kein Mensch kontrollieren kann. Oder will. Es ist nicht das erste Mal, dass Meldungen verbreitet werden, die nicht überprüft wurden - aber Britney Spears triffts immer besonders hart.
Würde Spears gegen all die fehlerhaften Berichte angehen, müsste sie ein Heer von Rechtsanwälten beschäftigen. Die auf Medienrecht spezialisierte Hamburger Kanzlei Gnädig hat auf Anfrage errechnet, was Spears so ein Rechtsbeistand kosten würde: "Erschiene (nur) in Deutschland an jedem Tag des Jahres auch nur jeweils eine zu beanstandende Veröffentlichung, über die in erster Instanz der "Standardfall" eines Klagverfahren zum Streitwert von 20.000 Euro durchzuführen wäre, unterläge Frau Spears hier einem Prozessrisiko in Höhe von 1.735.684,50 Euro innerhalb eines Jahres (...). Hätte Frau Spears jeweils einmal im Monat zusätzlich eine Klage erster Instanz zum Streitwert von 150.000 Euro zu führen, kämen im Jahr gut 155.000 Euro hinzu, allein das Prozessrisiko in Deutschland läge dann bei knapp 1,9 Mio. Euro allein bezogen auf Deutschland. Die Annahme eines Prozessrisikos in zweistelliger Millionenhöhe für die klagweise Verfolgung möglicher Gegendarstellungsansprüche in Europa erscheint vor diesem Hintergrund nicht übertrieben. In den USA sind insbesondere die Anwaltskosten solcher Fälle deutlich höher anzusetzen als in Deutschland."
Konfrontiert man Medienschaffende damit, dass sie Falschmeldungen bringen, hat das meist keine Reaktion zur Folge. Oder aber eine bizarre: Auf die Anfrage bei einer Journalistin der Welt, auf welche Quellen sie sich bei der Berichterstattung über Britney Spears stütze, antwortet sie: "Es wäre jetzt aber wirklich ganz schön aktig, jede einzelne wieder herauszusuchen. Es tut mir leid. So werden Texte geschrieben für Tageszeitungen." Und führt obendrein an: "Es ist ja halt ein Artikel - kein Bericht. Berichte sind ja ohne Meinung des Autoren gefärbt." Eine interessante Antwort, denn zwischen Artikeln und Berichten besteht in puncto Wahrhaftigkeit eigentlich kein Unterschied. Und eine Aussage, die einiges über den medialen Umgang mit Britney Spears verrät.
"Britney: Feuerzeug in Tankstelle geklaut. Sie prahlt mit der Tat auch noch vor der Überwachungskamera", schrieb Bild. In einem Video der Paparazzi-Agentur tmz ist jedoch zu sehen, dass Spears das Feuerzeug bar bezahlte und es beim Verlassen des Ladens mitzunehmen vergaß. Ein Mann rief "Your lighter!", sie kehrte um, nahm das Feuerzeug und sagte so ironisch wie wütend in die Kamera eines Reporters: "Oh my god, Ive stolen a lighter! Im such a bad person, ohoh!"
Zuvor kursierte das Gerücht, Spears habe der Designerin Katja Berglund vier Pelzmäntel entwendet. Berglund dementierte: "This report is completely untrue. They were a birthday present for Britney."
Es begann mit dem vagen Gerücht in einem Weblog, dass die Kaffeehauskette Starbucks vorhaben könnte, Spears Hausverbot zu erteilen - wohlgemerkt mit dem Hinweis: "This decision is not yet certain!" Daraus machte unter anderem Bild: "Schlechtes Vorbild für die Kunden. Britney: Hausverbot bei Starbucks". Die Pressestelle der Kaffeehauskette stellte dagegen klar: "Starbucks hat Britney Spears kein Hausverbot erteilt."
An dem Tag, an dem Spears das Sorgerecht verloren hat, schrieb Bild: "Kinder weg! Britney lacht".
Dabei existiert ein Video, das Spears mit Begleiter Sam Lufti im Auto sitzend zeigt, kummervoll dreinschauend. In einem einzigen Moment macht jemand eine Bemerkung, sie lacht kurz auf - und dieser eine Moment wurde von den Medien isoliert und für die Beweisführung verwendet. Ähnlich verhielt es sich, als Spears mit einem Nervenzusammenbruch ins Hospital gebracht wurde. Spears weinte, war verzweifelt. Nur als eine Polizistin etwas zu ihr sagte, lächelte sie sie kurz an. Auch dass Spears an diesem Abend obendrein mit einer Pistole bewaffnet gewesen sein soll, wurde dementiert - vom Jugendamt, das den Vorfall protokollierte.
Britney, die Drogenqueen?
Immer wieder wird Spears als Drogenkonsumentin beschrieben, obwohl sie alle vom Gericht angeordneten Drogentests bestanden hat, immerhin acht Stück, die ohne Vorankündigung über Monate hinweg durchgeführt wurden. Auch nach ihrem Zusammenbruch wurde Spears auf "Substanzen" getestet, anschließend ließen Polizei und Krankenhaus verlauten, sie sei so clean wie man nur clean sein könne. Für Bild stand zu diesem Zeitpunkt allerdings schon fest, dass Spears "100 Tabletten in 36 Stunden" eingeworfen und diese mit Wodka und Red Bull hinuntergespült habe. Eine Falschmeldung.
Britney, der Rowdy?
Schreiend verantwortungslos soll Spears in ihrem Wagen trotz Rotlicht über eine Kreuzung gebrettert sein, obwohl sie Kinder und eine Dame des Jugendamtes bei sich hatte. Videos zeigen: Spears wartete vorsichtig blinkend den Gegenverkehr ab, und fuhr erst los, als dieser zum Stehen gekommen war. Auf vielen weiteren Videos zeigt sich, dass Spears einen eher umsichtigen Fahrstil hat.
Und so geht es immer weiter. Bei genauem Hinsehen ist so gut wie nichts haltbar, was über die Sängerin geschrieben wird. Dabei wandern die Falschinformationen auch in Blätter, die sich selbst als seriös bezeichnet: "Sie trank noch mehr, nahm Drogen" (Spiegel), "Leute holt die Kinder rein, Britney Spears hat den Führerschein" (Süddeutsche Zeitung), "Menschen wie Amy Winehouse, Britney Spears oder Pete Doherty, die neben ihrer Musik vor allem durch Abstürze und andere Skandale von sich reden machen " (Zeit).
Britney in der Schublade
Britnes Spears wird munter in eine Schublade gesteckt, in die sie gar nicht hineingehört. Gleichzeitig werden Bilder nicht gezeigt und Texte nicht geschrieben, die eine Spears zeigen, die vom Medienphantom abweicht. Spears beim Tanztraining. Spears beim Spielen mit ihren Kindern. Spears beim Kommunizieren mit einer Dame des Jugendamtes. Auch die Aussagen vieler Leute aus ihrem mittelbaren Umfeld, sie sei freundlich und diszipliniert, sind keine Meldung wert - zu den Falschmeldungen gesellt sich so eine bewusst einseitig gestaltete Berichterstattung.
Ausgerechnet Fansites recherchieren oft gründlicher als das Gros der deutschen Medien. Der 24-jährige Lehramtsstudent Manuel Mayer, der die Seite "Britneyland.de" betreibt, checkt täglich akribisch verschiedene Quellen. Und da gibt es einige: Paparazzi-Agenturen wie tmz oder x17 stellen Videos und Bilder direkt ins Netz, so dass sie öffentlich einsehbar sind.
Britney bei Sat.1
Manuel Mayer hat seine eigenen Erfahrungen mit der Nonchalance der Medien gemacht, als er anlässlich eines Berichts über den Verlust des Sorgerechts von Spears den TV-Sender Sat.1 zur Rede stellte: "Ich erklärte Sat.1, dass der Verlust des Sorgerechts vor allem auf das Nichtbesitzen der kalifornischen Fahrlizenz zurückzuführen ist", so Mayer. Dass habe man nicht gewusst, antwortete der Sender. Und nun sei es zu spät für eine Korrektur, denn sie würde den Zuschauern nicht mehr einleuchten. Deshalb sei es einfacher, auf die Story mit den Drogen zurückzugreifen. Außerdem verkaufe sich das besser.
Britney, die Tierquälerin
Selbst die Tierschutzorganisation Peta spannte Spears vor ihren Marketingkarren. Nachdem Spears das Sorgerecht für ihre Kinder verloren hatte, forderte Peta in einer Anzeigenkampagne, man solle ihr auch noch die Hunde wegnehmen und sie ihrem Exmann Federline geben. Denn Spears soll, wie "Hinweise sagten", die medizinische Versorgung eines ihrer Hunde unterlassen haben. Bis heute ist zweifelhaft, ob an diesen Hinweisen überhaupt etwas dran war.
PR-günstig auch der nächste Schachzug der Organisation: Als Spears ins Krankenhaus gebracht wurde, folgte die öffentliche Bekanntmachung, man würde Spears vorerst von der Peta-eigenen Liste der am schlechtesten angezogenen Promis nehmen: "An diesem Punkt benötigt Britney eine Pause." Was sie damit nebenbei auch bekam, waren weltweit weitere Schlagzeilen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen