„Wir haben es satt!“-Demo in Berlin: Mit Treckern für die Agrarwende

Am Samstagmittag demonstrierten rund 10.000 Menschen für eine gerechte Agrarpolitik. Mit dabei: Bäue­r:in­nen und Bauern, angereist mit rund 60 Traktoren.

Cem Özdemir steht bei einer Demonstration der Organisation «Wir haben es satt!» zu «Gutes Essen für alle - statt Profite für wenige» vor dem Auswärtigen Amt

Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir im Kreise der Teil­neh­me­r:in­nen der Demo Foto: Christophe Gateau/dpa

BERLIN taz | Der junge Sprecher auf der Bühne redet sehr schnell und sehr laut ins Mikrofon, er holt kaum Luft. Tobias Schied, 20 Jahre alt, ist auf einem Bauernhof auf der Schwäbischen Alb aufgewachsen. Jetzt ist er Klimaaktivist, erzählt er, bei Fridays for Future. „Ihr fragt euch warum?“, ruft er der Menge vor der Bühne zu. „Ich kann meinen Arm bis zum Ellbogen in den Acker stecken und finde nichts, weil der Boden so trocken ist!“ Es müsse sich endlich etwas ändern, die Klimakrise gefährde die Nahrungsmittelsicherheit, und die Landwirtschaftspolitik komme nicht voran.

Schied erntet den Applaus der Menschen jeden Alters, die sich am Mittag vor dem Brandenburger Tor in Berlin versammelt haben. 10.000 sind Veranstalterangaben zufolge dem Aufruf des Bündnisses „Wir haben es satt!“ gefolgt und demonstrieren für eine schnelle Agrarwende. Die Polizei sprach von 7000 Teilnehmenden. Über ihren Köpfen wehen Fahnen von Greenpeace, verschiedenen Tierschutzverbänden, von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) oder der Diakonie Deutschland. Am Rand der Menge schwebt eine dicke aufgeblasene Gummibiene, auf ihrem Körper prangen die Worte „Agrarindustrie tötet!“.

Die Forderungen, die von den Spre­che­r:in­nen oder auf den Schildern der Teilnehmenden erhoben werden, sind vielfältig: Es brauche die Durchsetzung fairer Erzeuger:innenpreise, um das Höfesterben zu stoppen; Subventionen dürften nicht mehr in umweltschädliche Agrarindustrie fließen; der Einsatz von Pestiziden müsse verboten werden; Armutsbetroffene bräuchten mehr finanzielle Unterstützung, damit sich alle Menschen gutes ökologisches Essen leisten können. Mit vielen Punkten richtet sich das Bündnis direkt an Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne): Der spreche oft von den richtigen Maßnahmen, habe bisher jedoch viel zu wenig tatsächlich umgesetzt.

Außerdem wird Kritik an den kolonialen und rassistischen Strukturen der weltweiten Nahrungsmittelverteilung laut: „Wer gibt uns das Recht, Regenwaldflächen im Globalen Süden dafür zu nutzen, Soja dafür anzubauen, dass die Tiere hier schnell fett und schlachtreif werden?“, fragt Reinhild Benning von der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Und als sich der Demozug nach den Anfangskundgebungen in Bewegung setzt, wird im Block der Jugendvertretungen ganz vorne zum Kampf gegen den Rassismus aufgerufen, dem etliche Ar­bei­te­r:in­nen in der deutschen Landwirtschaft ausgesetzt seien.

Teil des Demozuges sind auch Bäue­r:in­nen und Bauern, angereist aus ganz Deutschland mit rund 55 Traktoren. Schon am Morgen sind sie durch die Berliner Innenstadt zum internationalen Agrarministergipfel gefahren und haben Özdemir dort ihre bäuerliche Protestnote übergeben. Georg Janßen von der AbL meint, dass sich der Minister nachdenklich gezeigt habe – etwa als die Bäue­r:in­nen und Bauern mehr Geld für den schnellen Umbau der Tierhaltung forderten. Janßen hofft nun, dass Özdemir Taten folgen lässt. Während er das sagt, winkt er nach hinten – zwischen ihm und dem Demozug ist eine Lücke entstanden, die Menge ist zu langsam. Mit Blick auf den Jugendblock fügt er noch an: „Ich bin sehr positiv überrascht, dass so viele junge Menschen gekommen sind.“

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