Winter-Olympia im TV: Dauerwerbung aus Vancouver
Was die öffentlich-rechtlichen Sender von den olympischen Winterspielen übertragen, wird anmuten wie eine lange Reklamesendung - eine Polemik.
O Graus, die Spiele beginnen und damit für die Daheimgebliebenen ein endloser Fernsehmarathon über 320 Stunden. Ganz richtig, 320 Stunden Olympia werden von ARD und ZDF angeboten. Das sind 13,3 Tage durchgehend Sport. Die Spiele selbst dauern nur 17 Tage. Und das ist nur der Gipfel des Wintersportwahnsinns, der seit Wochen von den Öffentlich-Rechtlichen geschürt wird.
Die Wochenenden werden, seitdem in den Alpen die ersten zarten Flocken gefallen sind, zugekleistert mit Biathlon, Skispringen, Rodeln, Nordischer Kombi und Eisschnelllauf. Das kann in dieser Penetranz nerven, aber das eigentliche Problem ist die Form der Präsentation: Der Fernsehgucker hat es nicht mit einer Dauersportsendung zu tun, sondern vielmehr mit einer Dauerwerbesendung. Und als solche müssten die Übertragungen aus dem Schnee auch gekennzeichnet werden. Stefan Raabs Wok-WM wurde derart gebrandmarkt, die Biathlon-Rennen mit Kati Wilhelm, presented by Michael Antwerpes, müssten auch mit dem Stempel des Schmuddelfernsehens versehen werden, und zwar, liebe Landesmedienanstalten, umgehend.
Warum es sich beim vorolympischen Wintersportwahnsinn um Schleichwerbung handelte, ist offensichtlich gewesen: Allein bei einem im Anschlag liegenden Biathleten sind in der Weltcup-Saison mindestens sechs Werbeaufschriften zu sehen. Die Kamera zoomt wunderbar heran an die Aufnäher und Aufkleber, noch besser sind sie in Zeitlupe zu sehen. Die loipelnden Litfaßsäulen sind so gut wie immer im Bild, und beim Anblick der Bergkulisse im Hintergrund geht einem wahrlich das Herz auf. Zwischen den Wettkämpfen erledigen ehemalige Sportler, die für den Moderator die Expertise übernehmen, den PR-Part. Sie werben ungeniert auf Mütze, Anorak, Hemdkragen oder Brille.
Die Dauerwerbesendungen von ARD und ZDF sind nicht nur beliebt beim Senior in Altötting, nein, auch die Marketingmanager von Gaslieferanten oder die Hersteller von Wintersportbekleidung frohlocken ob der wunderbaren Fernsehbilder, die unsere Öffis in die Republik schicken. Die Fernsehjournalisten benehmen sich dabei nicht viel anders als die Kollegen im Homeshopping-TV bei QVC, die in den vermeintlichen Dreckecken des Fernsehens ihren Dienst tun. Das Wintersportgeschäft flutscht so gut, weil sich die Sportreporter von ARD und ZDF auf Sendung nicht groß verstellen müssen. Denn auch sie machen ja nichts anderes als Werbung - in eigener Sache. Sie verkaufen ein Produkt und sind damit in einer Dreifaltigkeit als Präsentator, Marktschreier und Schönredner gefangen.
Die Sender haben die Übertragungsrechte - mitunter recht teuer - erworben, und das verpflichtet sie offenbar dazu, sämtliche Standards des kritischen Journalismus unter einer Schneewehe zu begraben. Es wird anbiedernd gefragt, oberflächlich moderiert und mitunter dümmlich kommentiert. Kritische Journalisten gehen in diesem PR-journalistischen Klima ein wie der Schneemann im Sonnenschein. Was übrig bleibt, das ist der QVC-Winter von ARD und ZDF: Hier wird der kritische Journalist aus dem eigenen Hause vom Wintersportpräsentator dementiert und wie selbstverständlich desavouiert. Heutzutage setzt ein Michael Antwerpes die Standards, nicht die hauseigene Dopingredaktion. Nie war er größer, der Unterschied zwischen anspruchsvollem Sportjournalismus im TV und der traurigen Realität.
Dennoch werden die Anstalten ihr Produkt los, Millionen sitzen an den Schirmen, wenn die Deutschen aufs Podium steigen. Während der Olympischen Winterspiele in Vancouver wird das nicht anders sein. Aber wie ist das möglich? Bemerkt denn niemand den schleichenden Verfall des Niveaus? Lässt sich der Wintersportfan alles bieten? Will er die endgültige Antwerpisierung des TV-Sports? Lässt er sich abspeisen mit Medaillenzählerei und Plattitüden? O Graus, es könnte alles noch viel schlimmer werden!
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