"Wilsberg"-Darsteller Leonard Lansink: Schreibt doch, was ihr wollt

Leonard Lansink ist ein lässiger Hund. Am Samstag hat er seinen 25. Einsatz als Privatdetektiv Wilsberg: "Der Mann am Fenster", 20.15 Uhr, ZDF.

Leonard Lansink trinkt gern, raucht viel und macht trotzdem prima Familienunterhaltung. Bild: dpa

Der Wodka ist aus. Das wäre in Leonard Lansinks Schöneberger Stammbar nie passiert. Aber weil Lansink ein höflicher, sanftmütiger Mensch ist, beschwert er sich nicht über diesen Kulturverfall in Mitte-Bars, sondern bestellt umstandslos einen Rum. Pur. Um fünf Uhr nachmittags. Es wird nicht der einzige bleiben.

Es dauert keine fünf Minuten, bis man merkt, dass Leonard Lansink ziemlich egal ist, was über ihn in der Zeitung steht. Er könne ja sowieso nur sehr begrenzt beeinflussen, was Journalisten über ihn schreiben, sagt er fatalistisch. Das stimmt nicht ganz. Mit den Beobachtungen und Beschreibungen der Journalisten muss er zwar leben, seine Aussagen allerdings könnte er vor der Veröffentlichung verändern. Dass Lansink auf die Autorisierung seiner Zitate für dieses Porträt verzichtet, wirkt, gemessen an der Kontrollsucht seiner Schauspielerkollegen (und deren Presseleuten), so ungeheuer lässig, dass man gar nicht anders kann, als ihn gleich zu mögen.

Lansink selbst würde die Journalistenthese, dass diese Lässigkeit viel mit seiner Vergangenheit zu tun hat, wohl reflexartig zurückweisen, das würde man an seiner Stelle wahrscheinlich genauso machen. Aber es ist nun mal so, dass Lansink schon Schlimmeres erlebt hat als schlechte Presse (und damit ist nicht seine überstandene Krebserkrankung gemeint): Lansinks Mutter hat ihn verstoßen, ist nach seiner Geburt einfach aus dem Krankenhaus abgehauen. Als er 30 war, hat er sie zum ersten Mal getroffen, "war ganz cool", sagt Lansink. Das sagt er wirklich, und als er den befremdeten Gesichtsausdruck seines Gegenübers bemerkt, schiebt er nach: "Es gibt da noch Lücken zu füllen. Ich arbeite daran."

Aufgewachsen ist der heute 53-Jährige bei seinen Großeltern in Gelsenkirchen-Rotthausen, deswegen nennt er sie auch "Omma und Oppa". Im Gegensatz zu den beiden anderen Kindern, die seine Mutter nicht haben wollte, sei er privilegiert gewesen, sagt Lansink: "Omma und Oppa waren liebevoll und eben da." Leonard Lansink senior hat seinen Enkel, der ihn sonntags immer vom Stammtisch abgeholt hat, zum Karl-May-Lesen gebracht ("die einzigen Bücher im Haus") und später zum Kettenrauchen. "Attika" und "Juno" habe der Oppa geraucht, er selbst habe, als er 14 war, mit "Eckstein" angefangen. Lansink betont die Namen der Marken wie die von verflossenen Geliebten. Mittlerweile raucht er Pall Mall - ohne Filter, versteht sich, "weil die Schachtel so schön ist".

Im Fernsehen raucht Lansink nicht. Und auch getrunken wird da eher wenig. Denn "Wilsberg", die ZDF-Krimireihe um einen Münsteraner Buchhändler und Privatdetektiv, ist Samstagabendfamilienunterhaltung - ein Umstand, den Lansink klaglos hinnimmt: "Was über einen päderastischen Pfaffen zu machen, würde einfach nicht auf den Sendeplatz passen."

Am Samstagabend gibt Lansink im 26. Film der Reihe zum 25. Mal den nur einmal von Joachim Król gespielten Georg Wilsberg - und alles ist wie immer: Der frühere Rechtsanwalt stolpert in ein Verbrechen rein und zwischendurch sieht es immer so aus, als käme er da nicht ohne weiteres wieder raus. Am Schluss jedoch müssen seine Freunde Ekki (Oliver Korittke), Alex (Ina Paule Klink) und selbst die strenge Hauptkommissarin Anna Springer (Rita Russek) einsehen, dass Wilsberg mal wieder Recht hatte. "Gebt den Leuten, was Sie erwarten, aber überrascht sie dabei", zitiert Lansink eine amerikanische Drehbuchweisheit, die er in der Wilsberg-Reihe gut umgesetzt findet.

Die Krimis basieren auf einer Figur des Schriftstellers Jürgen Kehrer - vor allem aber auf Lansink, der sich selbst zu spielen scheint, einen nachlässig gekleideten, phlegmatischen Einzelgänger. "Weder Wilsberg noch ich sind gesellig", betont Lansink, den das nicht davon abhält, in Berlin viel auszugehen. Nur die Promischenke "Paris Bar" meidet er, "zu neureich". In seiner Schöneberger Lieblingsbar feiert der Single sogar Weihnachten. Dann trinkt er mit Hermann, dem Barkeeper, "Wilde Hilde", einen kleinen Wodka, den man mit einem kleinen Champagner runterspült - "törnt wie Sau", sagt Lansink. "Ich mag klare Verhältnisse - bei Getränken. Drinks mit mehr als drei Zutaten finde ich schwierig."

Ein Drittel des Jahres dreht Lansink in Münster und Köln, wo die Innenaufnahmen für "Wilsberg" (und übrigens auch den Münster-"Tatort") entstehen. "Man vermisst in Münster nichts", sagt er, "außer die drei Millionen anderen Menschen, die man in Berlin hat." Auf Dauer wäre es Lansink in Münster zu eng, dort ist er durch seine Rolle weltberühmt, durfte sich hinter dem Dalai Lama ins Goldene Buch der Stadt eintragen und wurde mit der silbernen Rathaus-Gedenkmünze geehrt. "Wir schmücken die Stadt", sagt Lansink und meint damit auch die "Tatort"-Kollegen, mit denen zusammen er gern mal senderübergreifend ermitteln würde.

Wie es sich für ein Gelsenkirchener Arbeiterkind gehört, ist Lansink Schalke-Fan - und SPD-Mitglied. "Ich bin mit eigenartigen Vereinen gestraft", sagt er. Eingetreten ist er im Wahljahr 2005, "ich wollte wie alle vernünftigen Menschen in Deutschland Stoiber verhindern", sagt er. In der Krise seiner Partei hilft Lansink der unverwüstliche Optimismus des Fußballfans: Es ist nicht vorbei - bis es zu spät ist.

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